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Fußball
Von Moneten und Moral

Seit fast 70 Jahren ist adidas Ausrüster der deutschen Nationalmannschaft. Eine historisch gewachsene Partnerschaft, sagen viele. Jetzt könnte diese Beziehung aber auf den Prüfstand kommen. Die WM-Affäre ist schuld. Oder der WM-Affäre sei Dank.

Von Jonas Reese | 27.03.2016
    Die Fußballnationalspieler Emre Can (l), Lukas Podolski (M) und Jonas Hector (R) posieren mit Rapper Cro (2.v.l.) am 09.11.2015 in Berlin bei der Trikot-Präsentation des DFB-Ausrüsters Adidas im neuen Trikots der deutschen Nationalmannschaft für die EM 2016 in Frankreich.
    Emre Can (l), Lukas Podolski (M). und Jonas Hector (R) bei der Trikot-Präsentation mit Rapper Cro (2.v.l.) in Berlin. (picture-alliance / dpa/ Rainer Jensen)
    "Fußball ist adidas – adidas ist Fußball."
    Auf diese einfache Formel kann man es bringen, wenn man Herbert Hainer heißt und Vorstandsvorsitzender der adidas AG ist. Dem größten Fußballsponsor der Welt und fast ein ganzes Menschenleben lang Ausrüster der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft.
    "Schon im November 1950 im ersten Länderspiel nach dem Zweiten Weltkrieg lief die DFB-Elf komplett in adidas-Schuhen auf."
    Doch nach mehr als 65 Jahren könnte die Liaison zwischen DFB und adidas bald in Rente gehen. Der aktuelle Ausrüstervertrag läuft 2018 aus. Und der designierte DFB-Präsident Reinhard Grindel hat eine Abkehr des bisherigen Geschäftsgebarens angekündigt.
    "Ich glaube, wir brauchen in Zukunft mehr Transparenz auf allen Ebenen im DFB. Zum Beispiel auch wenn sie an unsere Verträge denken, die wir abschließen, wenn sie etwa an den jetzt anstehenden Vertrag mit unseren Generalausrüster denken, dass wir hier einen fairen, einen offenen, einen nachvollziehbaren Wettbewerb haben."
    Verträge per Handschlag
    Das wäre ein Novum in der über 100-jährigen Geschichte des Verbandes. In der Vergangenheit wurden die Verträge meist per Handschlag und in Hinterzimmern abgeschlossen.
    Der aktuelle hatte deshalb zu einem heftigen Streit geführt. Die Bundesliga, die mit 18 Prozent an den Vermarktungserlösen des DFB beteiligt ist, war vor ein Schiedsgericht gezogen. Sie sah sich finanziell benachteiligt, da der DFB trotz eines finanziell besseren Angebots des amerikanischen Sportartikelherstellers Nike weiter adidas die Treue hielt. Statt der 62,5 Millionen Euro von Nike erhält der Verband seitdem 26,2 Millionen Euro pro Jahr von adidas – also quasi weniger als die Hälfte. Auch im Vergleich mit anderen Top-Verbänden, wie England oder Frankreich ein geringer Betrag.
    Das wird sich nun mit großer Sicherheit ändern. "Der Markt hat sich drastisch verändert", sagt Oliver Kaiser, Präsident des Fachverbandes Sponsoring. Es stehen Summen von bis zu 100 Millionen Euro jährlich im Raum.
    "Die globale Reichweite einer deutschen Nationalmannschaft ist heute deutlich höher als es noch vor fünf oder zehn Jahren war. Insofern merken wir überall Preissteigerungen. Wenn man jetzt die Vergabe vom letzten Mal sieht, gibt es noch einen Unterschied. Es geht manchmal nicht nur ums Geld. Gerade in diesem Geschäft geht es auch viel ums Image, und es geht auch viel um die Langfristigkeit von Beziehungen."
    Vorkaufsrecht für adidas
    Insofern hätte adidas auch dieses Mal wieder die Nase vorn. Mittlerweile hat der DFB aber auch Nike zu einer Präsentation in die Verbandszentrale in Frankfurt eingeladen. Allerdings: Wie es heißt, soll adidas über ein sogenanntes "Matching Offer Right" verfügen. Nach dieser nicht unüblichen Art Vorkaufsrecht würde der Konzern die Gelegenheit bekommen, Nikes höchste Offerte zu überbieten.
    Soviel Transparenz wäre neu beim DFB. Eine Folge der WM-2006-Vergabe-Affäre. Darin war die enge Verquickung zwischen adidas und dem DFB schon zu beobachten. Der damalige Konzernboss Robert-Louis Dreyfus stand bereitwillig für mysteriöse Darlehen zu Verfügung. Wäre es vielleicht auch aus diesen Gründen ein guter Zeitpunkt, um die alten Bande zu lösen?
    Sportpolitik-Professor Jürgen Mittag von der Sporthochschule Köln.
    "Sicherlich spricht einiges dafür, immer mal wieder grundsätzlich einen Wechsel zu vorzunehmen, um auch gewisse Veränderungen in den Strukturen nach sich zu ziehen, aber das würde ich trotz allem nicht als einen Grundsatzforderung erheben. Viel wichtiger ist in der Tat, dass die Dinge transparenter geschehen. Das Problem war ja, das viele Sachen im organisierten Fußball hinter verschlossenen Türen stattgefunden haben, dass Sachen nicht bekannt waren oder nur im Sinne einer Salami-Taktik an die Öffentlichkeit gebracht worden sind."
    Zweikampf der Ausrüster
    Wie es aussieht wird es auf einen Zweikampf zwischen adidas und Nike hinauslaufen. Puma und Under Armour haben sich offenbar aus dem Bieterverfahren zurückgezogen. Gerade bei dem jungen amerikanischen Unternehmen Under Armour, übersetzt "unter Rüstung", ist das etwas überraschend. Der mittlerweile drittgrößte Sportartikelhersteller der Welt hatte den DFB mal als "großartiges Anlageobjekt" bezeichnet. Dessen Chef Kevin Plank hatte jüngst eine Kampfansage an die beiden Platzhirsche ausgegeben.
    "Wir wollen eine globale Firma sein, was bedeutet, dass irgendwann die Hälfte unseres Umsatzes von außerhalb kommt."
    Noch erwirtschaftet er nur 9 Prozent des Umsatzes im Ausland. Deshalb sucht das Unternehmen offensiv nach neuen Werbepartnern außerhalb der USA. In Deutschland wird Fußball-Zweitligist FC St. Pauli ab nächster Saison in den Trikots von Under Armour auflaufen. Das hatte wegen des martialischen Images der Marke für einigen Unmut unter den Fans gesorgt.
    Und so wäre es eigentlich auch undenkbar, dass eine deutsche Nationalmannschaft nicht mehr in Trikots, sondern "unter Rüstung" aufläuft.