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Fußball-Weltmeisterschaft in Katar
FIFA erhärtet Manipulations-Verdacht bei WM-Vergabe

Seit der Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar steht der Verdacht im Raum, der Wüstenstaat habe das Turnier mit Schmiergeldzahlungen an Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees erkauft. Der Fußball-Weltverband bestreitet das - doch nun hat er die Bestechungsvorwürfe in gewisser Weise bestätigt.

Von Thomas Kistner | 05.12.2019
Plakat zeigt Hamad ibn Dschasim ibn Dschabir Al Thani, ehemaliger Premierminister von Katar, der den Fußball-WM-Pokal in Händen hält
Ein Urteil des FIFA-Ethikkomitees nährt den Verdacht, dass bei der Vergabe der WM 2022 an Katar Schmiergeld gezahlt wurde (dpa/Andreas Gebert)
Das Urteil des FIFA-Ethikkomitees war eindeutig: Der brasilianische Fußballfunktionär Ricardo Teixeira hat jahrelang Bestechungsgelder angenommen, von Firmen, die dann im Gegenzug die lukrativen Übertragungsrechte für Fußball-Großereignisse in Südamerika erhalten haben. Das FIFA-Ethikkomitee hat Teixeira dafür gerade lebenslang gesperrt - und im Urteil eine juristisch hochbrisante Passage eingebaut.
Kronzeuge berichtet von Schmiergeldzahlungen
Auf Seite acht des Dokuments zitiert das Komitee eine Aussage des argentinischen TV-Rechtehändlers Alejandro Burzaco. Burzaco hatte in den Fußball-Prozessen der US-Justiz als Kronzeuge fungiert. Unter Eid wird Burzaco gefragt, welche südamerikanischen Funktionäre Geld erhalten haben sollen, um bei der Vergabe der WM 2022 für Katar zu stimmen. Burzaco antwortet: "Ricardo Teixeira, Nicolás Leoz und Julio Grondona."
Dieses Trio aus Brasilien, Paraguay und Argentinien zählt während der Vergabe zu den wichtigsten FIFA-Funktionären. Die FIFA-Ethiker halten den Bestechungsverdacht rund um die WM-Vergabe an Katar für so relevant, dass sie die Zeugenaussage in die Urteilsbegründung einbauen. Damit bestätigt die FIFA in einem eigenen Beschluss – wahrscheinlich unabsichtlich – das, was viele vermuten: Dass die WM 2022 in Katar höchstwahrscheinlich gekauft worden sei. Das Emirat hat solche Vorwürfe immer zurückgewiesen.
Und auch die FIFA versucht nun verzweifelt, den Geist in die Flasche zurück zu befördern. Sie weicht Fragen aus, ob sie nun ein Ermittlungsverfahren gegen Katar eröffnen müsse. Dies wäre nach dem FIFA-Ethikcode dringend geboten, sagen Schweizer Juristen. Die FIFA hingegen sagt, das Ethiker-Urteil beinhalte keine Bestätigung für Stimmenkäufe bei der WM-Vergabe an Katar.
Strafrechtsexperte: FIFA muss Verfahren gegen Katar einleiten
Relevant sei allerdings allein, dass die FIFA diesen Verdacht jetzt in ihrem eigenen Verfahren benutzte, sagt der Basler Strafrechtsexperte Mark Pieth. Der Weltverband habe damit "einen hinreichenden Korruptionsverdacht dokumentiert, und das müsste zur Einleitung eines Verfahrens gegen Katar führen".
Das gelte auch für die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA), die im sogenannten FIFA-Komplex ermittelt. Die Behörde wird international stark kritisiert, wegen ihrer schleppenden Arbeitsweise und weil sich Bundesanwalt Michael Lauber wiederholt geheim mit FIFA-Boss Gianni Infantino getroffen hat. Nun aber antwortet das Amt in Bern auf die von der FIFA erhärtete Verdachtslage: Strafverfahren seien "dynamische Prozesse, die nicht von der BA alleine beeinflusst werden". Dies könnte heißen, dass nun auch in der Schweiz ernsthafter ermittelt wird.