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Fußball
Wie kurdische Fans unterdrückt werden

In der Türkei hat wohl keine Volksgruppe mit so vielen Problemen zu kämpfen wie die Kurden. Immer wieder werden sie von Staatsorganen mit der Untergrundorganisation PKK gleichgesetzt. Dieser Hass entlädt sich auch im Fußball, zum Beispiel beim kurdischen Verein Amedspor. Doch seine Fans wehren sich.

Von Ronny Blaschke |
Fan des kurdischen Fußballvereins Amed SK (Amedspor) aus Diyarbakır
Amedspor ist ein Fußballclub aus der kurdischen Stadt Diyarbakır. Bei Auswärtsspielen werden der Mannschaft Verpflegung, Hotels und der Handschlag verweigert. (AFP)
Direniş – Widerstand. So nennt sich die Fangruppe von Amedspor. Dieser Name ist keine Übertreibung, das beweisen ihre Mitglieder in kurzen Filmen im Stadion des SV Babelsberg, bei einer ihrer sechs Veranstaltungen in Deutschland. Die Clips zeigen Polizisten, die kurdische Spieler und Fans drangsalieren. Gegnerische Anhänger schwenken demonstrativ türkische Fahnen. Sie werfen Flaschen auf den Rasen, drohen Gewalt an, bezeichnen Amedspor als "Terroristenklub" und "Vaterlandsverräter". Dieser Hass werde staatlich gefördert, sagt Rızgar, ein prägender Kopf der Gruppe Direniş.
"Die Regierung möchte die kurdische Identität unterdrücken. Parteien, Medien, auch unsere Sprache: alles wird kriminalisiert. Amedspor ist eine Bastion gegen diesen Rassismus, aber das hat Folgen. Bei Checkpoints werden unsere Fahnen beschlagnahmt. Einmal wurde unser Vereinsvorstand auf der VIP-Tribüne verprügelt. Wir werden wie ein feindlich gesinntes Land behandelt."
Potenzielle Sponsoren werden eingeschüchtert
Der Drittligist Amedspor ist im Südosten der Türkei verwurzelt, in Diyarbakır, der heimlichen Hauptstadt Kurdistans. Der Verein trägt seinen kurdischen Namen seit 2015. Damals befand sich der Jahrzehnte alte Konflikt in einer Entspannungsphase. Die Regierung und die kurdische Freiheitsbewegung gingen aufeinander zu. Diyarbakır wurde von linksgerichteten und prokurdischen Parteien verwaltet.
So erhielt Amedspor eine bessere Förderung. Doch die Lage eskalierte, spätestens mit dem Putschversuch 2016 und dem folgenden Ausnahmezustand. In etlichen Städten wie Diyarbakır wurden Bürgermeister verhaftet und durch regimetreue Statthalter ersetzt. Das Alltagsleben veränderte sich, auch im Fußball, erzählt Rızgar.
"Die neue Regionalregierung grenzt Amedspor aus. Die finanzielle Förderung ging zurück und potenzielle Sponsoren wurden eingeschüchtert. Bei Auswärtsspielen wurden unserem Team Hotelzimmer verweigert. Mitarbeiter des Klubs verloren ihre Arbeitsplätze. Wir Fans durften keine Zaunfahnen mehr auf Kurdisch zeigen. Inzwischen werden unsere Spiele von 1.500 Polizisten begleitet."
Antiterroreinheit untersuchte Vereinsräume
Die Lage spitzte sich 2016 zu, als die türkische Armee mit Panzern gegen die PKK vorrückte. Bei Gefechten in kurdischen Städten wie Cizre, Silopi und Diyarbakir starben hunderte Menschen. In jener Zeit machte Amedspor sportlich auf sich aufmerksam, drang als erster Drittligist ins Viertelfinale des türkischen Pokals vor. Damals widmete der aus Deutschland stammende Spieler Deniz Naki diesen Erfolg kurdischen Kriegsopfern. Wegen "ideologischer Propaganda" wurde er zwölf Spiele gesperrt, später dann lebenslang. Der Staat verschärfte die Repression gegen Kurden, auch gegen die Fangruppe Direniş, erzählt deren Mitglied Vedat.
"Es gab Sperrgebiete, Ausgangssperren und willkürliche Festnahmen. Wir wollten damals mit Fangesängen und Transparenten auf die Opfer hinweisen, zum Beispiel mit dem Slogan: ,Die Kinder sollen nicht sterben, sondern ins Stadion‘. Danach wurden einige Leute von uns verhaftet. Die Antiterrorpolizei untersuchte unsere Vereinsräume. Und der Besuch von Auswärtsspielen wird uns seitdem in der Regel verweigert."
epa05622067 Amedspor FC player Deniz Naki (C) speaks to the press after the case against him was dropped, in Diyarbakir, Turkey, 08 November 2016. The trial against Naki was discontinued after public prosecutor dropped the case. German-born Deniz Naki, of Alevi-Kurdish background, was on trial charged with spreading terrorist propaganda, social media misconduct, and supporting banned PKK. EPA/STR (zu dpa-Meldung: «Verfahren gegen Fußballer Deniz Naki in Türkei eingestellt» vom 08.11.2016) |
Deniz Naki nach seinem Freispruch im November 2016. (dpa/Picture Alliance/Str)
Fans sammelten in Deutschland Geld für Frauenabteilung
Teile der Altstadt von Diyarbakır wurden zerstört. Zehntausende Menschen sind geflohen, auch nach Deutschland, so wie Direniş-Mitglied Vedat. Doch selbst dort müssen sie aufpassen. Anfang 2018 wurde auf das fahrende Auto des Spielers Deniz Naki geschossen, immer wieder erhält er Drohungen. Doch gerade in Deutschland erfahren kurdische Spieler und Fans Solidarität. Durch Spenden, Stadiontransparente und Petitionen im Internet. Vedat und seine Freunde sind motiviert, weiter zu machen.
"Am Anfang waren wir bei Direniş 25 Leute, schnell sind wir auf hundert angewachsen, mit überdurchschnittlich vielen weiblichen Mitgliedern. Bei Amedspor sind die Grenzen zwischen Verein, Mannschaft und Fans fließend. Wir verstehen uns als Volksverein. Projekte spielen eine wichtige Rolle, zum Beispiel Hausaufgabenhilfe. Amedspor hat viele Anhänger in kurdischen Gebieten anderer Länder, im Iran, im Irak, auch in Syrien. Wir geben nicht auf."
Die Vorbereitung für die Deutschland-Tour von Direniş dauerte ein Jahr. Mehr als 600 Gäste haben ihre Diskussionen besucht. Die kurdischen Fans sammelten Geld für ihre Frauenabteilung, sie möchten für viele gesellschaftliche Gruppen offen sein. Direniş nutzt den Fußball, um über die 15 Millionen Kurden in der Türkei aufzuklären. Und knüpft ein Netzwerk, das lange Bestand haben soll.