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Fußball
Wie "Team Assad" für Syrien siegen soll

Die syrische Nationalmannschaft könnte sich zum ersten Mal für eine Fußball-WM qualifizieren. Im Land tobt noch immer heftiger Krieg. Die Mannschaft soll den Menschen etwas Ablenkung bereiten bieten. Doch Diktator Assad nutzt das Team für seine Propaganda und geht auch rabiat gegen abtrünnige Sportler vor.

Von Carsten Kühntopp | 04.10.2017
    Fußball: WM-Qualifikation, Iran - Syrien, Gruppenphase am 05.09.2017 im Azadi Stadium in Teheran (Iran). Fans der syrischen Nationalmannschaft jubeln über das 2:2 gegen den Iran.
    Fans der syrischen Nationalmannschaft jubeln in der WM-Qualifikation. (picture alliance/dpa - Keyvan Taher)
    Am Abend des 5. September brach der Verkehr auf den Straßen von Damaskus zusammen.
    Mit Autokorsos zogen Fußball-Fans durch die Straßen. Soeben hatte die syrische Nationalmannschaft in Teheran ein 2:2 gegen Iran rausgeholt - und damit die Chance auf die erste Teilnahme an einer WM-Endrunde gewahrt.
    "Was heute geschehen ist, ist ein Sieg, ein Wunder, ein historisches Wunder!"
    Kurz vor dem Abpfiff hatte Stürmerstar Omar al-Soma das Ausgleichstor geschossen - ausgerechnet er: Fünf Jahre zuvor hatte er Syrien verlassen, im Widerstand gegen die Regierung von Baschar al-Assad. Im vergangenen August kehrte er zurück - und bedankte sich nach dem Unentschieden in Teheran sogar noch brav beim syrischen Präsidenten für die Unterstützung. Der Grund für Somas Sinneswandel ist nicht bekannt.
    Die Stadien in Syrien sind mittlerweie Garnisonen
    Seit Jahren hat die syrische Elf nicht mehr zuhause gespielt - aus Sicht der FIFA zu gefährlich. Zudem hat Assad große Stadien im Land zu Garnisonen umfunktioniert, zu Militärstützpunkten für seinen Kampf gegen Aufständische jeder Couleur, für den Kampf gegen die eigene Bevölkerung. Wegen der westlichen Sanktionen schießt die FIFA dem syrischen Verband nichts mehr zu, Spenden müssen reichen. Trainiert wird im fernen Malaysia.
    Etwas Licht bringen in den dunklen Kriegsalltag der Menschen - darum geht es der Mannschaft, so zwei der Spieler am Flughafen von Damaskus bei der Rückkehr aus Teheran: "Alles, was wir tun, tun wir mit dem Ziel, dem syrischen Volk eine Freude zu machen. Damit die Syrer ihre Trauer vergessen."
    "Möge Gott ganz Syrien Freude bereiten! Damit wir die sechs schwierigen Jahre vergessen können."
    Die Spieler der syrischen Nationalmannschaft jubeln über ein Tor in der WM-Qualifikation. Foto: Zhong Zhenbin/Imaginechina/dpa
    Spieler der syrischen Nationalmannschaft jubeln über ein Tor in der WM-Qualifikation. (dpa / picture alliance / Zhong Zhenbin)
    Aus "Team Syrien" ist "Team Assad" geworden
    Doch viele syrische Fans, die der Opposition nahestehen, tun sich schwer mit dem Feiern. Denn Präsident Assad nutzt die Nationalelf für Propaganda, aus dem "Team Syrien" ist ein "Team Assad" geworden: Auch vor der Presse im Ausland singen Verbandsfunktionäre ungefragt Hohelieder auf den Diktator, Spieler treten in T-Shirts mit Assads Konterfei auf, müssen bei Solidaritätsdemos mitmarschieren.
    So, wie der Präsident den Fußball für seine Zwecke mißbraucht, geht er gleichzeitig hart gegen abtrünnige Sportler vor. Anas Ammo, ein aus Aleppo geflohener Sportjournalist, hat dokumentiert, dass Regierungskräfte mindestens 38 Profi-Spieler getötet haben, dazu - so Ammo - kämen Dutzende mehr aus unteren Ligen; die Sportler seien erschossen oder zu Tode gefoltert worden oder bei Luftangriffen ums Leben gekommen.
    Spieler spielen nur noch aus Angst
    Ammo kennt mindestens zwei Spieler der aktuellen Elf, die nur noch aus Angst spielen würden, wie er sagt - aus Angst um das Wohlergehen von Angehörigen, die in der Hand der Regierung seien. Andere Spieler stünden hingegen loyal zu Assad.
    Wie sie muss sich auch Firas al-Khatib den Vorwurf gefallen lassen, Bannerträger für ein Regime zu sein, dem ungeheuerliche Kriegsverbrechen vorgeworfen werden. Khatib, einer der bekanntesten Sportler seines Landes, verließ Syrien 2012, aus Protest gegen die Regierungsangriffe auf seine Heimatstadt Homs.
    Vor wenigen Monaten kehrte auch er zurück - und wurde mit offenen Armen von den syrischen Funktionären empfangen. Es gebe jetzt nicht mehr nur einen oder zwei Killer in Syrien, sondern viele, und er hasse sie alle, hatte Khatib kurz vor der Rückkehr einem US-Journalisten gesagt. Ihm gehe es jetzt nur noch darum, den Menschen in Syrien etwas Freude zu machen.