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Fußball-WM 2018
"Anfang der Reise"

Am Finaltag der Fußball-WM, richten sich auch bereits die ersten Blicke nach Russland. Dort müssen für die WM 2018 fast alle der elf Stadien neu gebaut werden. So auch in Rostow am Don, einer Großstadt im Süden Russlands.

Von Gesine Dornblüth |
    Das Stadtpanorama von Rostow am Don
    Rostow am Don (dpa/RIA Nowosti/Aleksandr Pogotov)
    Es gibt viele Sportbars in Rostow am Don. Diese hat vier große Säle. Die rustikalen Tische sind voll besetzt. Bier gibt es aus Litergläsern. Von zahlreichen Bildschirmen flackert Fußball aus Brasilien. Gerade verliert Russland gegen Belgien. Eduard und Karen sitzen an einem Zweiertisch. "Wir können zwar nicht spielen, aber wir mögen Fußball. Die Menschen hier freuen sich sehr auf die WM. Es ist die erste in Russland. Die soll natürlich ganz besonders werden. Ich glaube, das wird eine Riesenstimmung."
    Die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 ist nach den Olympischen Winterspielen in Sotschi das wohl wichtigste sportliche Großereignis, das Präsident Putin ins Land geholt hat. Er will mithilfe des Sports Russlands Image in der Welt verbessern. Den Fans hat Russland einen besonderen Service versprochen. Sie sollen kostenlos mit Bussen und Zügen zwischen den elf Spielorten reisen können. Für Ausländer entfällt sogar die Visapflicht. Im Nachbarraum sitzt Andrej, er trägt gleich zwei Fußballschals: Den der russischen Nationalmannschaft, und den des örtlichen Fußballvereins, des FK Rostow. Der spielt in der ersten Liga und holte dies Jahr erstmals den russischen Fußballpokal. Andrej nimmt noch einen Schluck Bier.
    "Für die WM wird hier jetzt eine Menge Geld investiert. Solange sie die Stadt damit nicht verschandeln, finde ich das gut." Bisher hat Rostow den Charme einer etwas verschlafenen sowjetischen Provinzstadt. Im Zentrum rumpelt die Straßenbahn über zerfurchten Asphalt. Plattenbauten, Villen aus der Gründerzeit und traditionelle Holzhäuser wechseln einander ab.
    An der Uferpromenade jedoch zeigt die Stadt bereits ein neues Gesicht. Eingezäunte Rasenflächen, Buchsbaumhecken, Sitzbänke zum Ausruhen. Kostenloses Internet, Spender mit Tüten für Hundehaufen, öffentliche Steckdosen, um das Handy aufzuladen. Eine Lautsprecherstimme lädt zu Ausflugsfahrten auf dem Don ein. Die Promenade wurde vor wenigen Wochen eröffnet. Am Ufer gegenüber ist ein Schilfgürtel zu sehen, Wald, dahinter Baukräne. Dort entsteht das WM-Stadion. Zunächst mal mussten sechs Meter Sand aufgefahren werden, erzählt der Sportminister der Region, Igor Potapow. Hochwasserschutz. "Wir werden die WM als Motor nutzen, um das linke Don-Ufer wirtschaftlich zu erschließen. Es liegt nur 1,5 km vom Stadtzentrum entfernt, und wir werden dort einen ganzen Sportpark errichten. Wir legen großen Wert auf die Nachnutzung. Die Sportstätten sollen später auch für Kulturveranstaltungen genutzt werden."
    Im Rahmen der WM bekommt Rostow außerdem eine neue Brücke über den Don, einen neuen Flughafen, diverse Straßen. Selbst eine Schwebebahn ist im Gespräch. Auch die Energieversorgung muss erneuert werden, erläutert Sportminister Potapow. "Objektiv gesehen, stehen wir am Anfang der Reise. Aber wir haben einen Vorteil gegenüber Brasilien: Die Menschen hier in Rostow sind wirklich für die WM."
    Zumindest sind bisher keine kritischen Stimmen laut geworden. Und das, obwohl sich schon jetzt abzeichnet, dass die Kosten für die Fußball-Weltmeisterschaft explodieren werden, genau wie zuvor die Kosten für die Olympischen Winterspiele. So haben Wissenschaftler der Universität Zürich herausgefunden, dass russische Stadien im Schnitt mehr als doppelt so teuer sind wie Stadien in Brasilien. Potapow möchte sich zu den Finanzen nicht äußern. Lieber spricht er über Impulse der WM für den Breitensport in Russland. "Uns geht es darum, mehr Menschen dazu zu bringen, Sport zu treiben. Mit Sport kann man verhindern, dass Kinder in die Hände von Drogendealern fallen."
    Die Fußballwelt diskutiert derzeit vor allem über den Austragungsort 2022, Katar. Doch auch gegenüber Russland herrscht Skepsis. Zunächst aus politischen Gründen, wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. Zudem herrschen in vielen russischen Fußballclubs Fremdenfeindlichkeit und Homophobie. Vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi gab es Boykottaufrufe. Zur WM könnte sich das wiederholen. Potapow versucht, das Thema zu verdrängen. "Wir denken lieber gar nicht daran. Freddy Mercury hat gesagt: Die Show muss weitergehen. Meine Tochter ist vier, sie freut sich schon auf die WM. Und ich denke, niemand hat das Recht, ihr dieses Fest zu nehmen."
    Nach Angaben der FIFA liegt Russland mit den WM-Vorbereitungen im Zeitrahmen. Kopfzerbrechen bereitet Potapow vor allem eines: Was tun, damit Russland sportlich besser abschneidet als in Brasilien? "Ich würde die russische Mannschaft verjüngen. Ich wäre schon nach Brasilien mit jüngeren Spielern gefahren, die dann auch 2018 hätten dabei sein können."
    Karen, der Fußballfan in der Sportbar von Rostow, ist radikaler: Ein neuer Trainer müsse her. Der Italiener Fabio Capello habe für seine Millionengage nichts geleistet. "Und wir brauchen Erfahrung. Wenn wir die haben, werden im Fußball so gut sein wie im Eishockey."