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Fussballklub-TV-Sender
Vereine steuern Berichterstattung

Immer mehr Fußball-Vereine bauen eigene große Medienabteilungen auf: Sie interviewen ihre Spieler selbst, drehen kurze Beiträge und stellen ihre Arbeit Journalisten zur Verfügung. Keine unkritische Entwicklung: Denn dadurch bekommen Sportjournalisten immer weniger unmittelbaren Zugang zu den Akteuren.

Von Wolf-Sören Treusch | 07.03.2015
    Sportdirektor Matthias Sammer nimmt am 16.12.2013 vor dem Teamhotel des Fußball-Bundesligisten FC Bayern München in Agadir (Marokko) Stellung zur Champions League-Auslosung.
    Exklusive Bilder von Fußball-Vereinen stellen diese immer häufiger selbst her. (picture alliance / dpa - David Ebener)
    "Ein neuer Tag in Orlando. Ein Tag ganz nach dem Motto: erst die Arbeit, dann das Vergnügen."
    Ein harmloser Bericht über die Freizeitgestaltung der Bundesligamannschaft von Bayer 04 Leverkusen im Wintertrainingslager in Florida. Auf der vereinseigenen Homepage werden Beiträge wie diese bis zu 50.000 Mal im Monat angeklickt, sagt Mediendirektor Meinolf Sprink.
    "Wir leben in einer Branche, die nennt sich Sport, ich würde aber sagen: es ist Sport-Unterhaltung. Oder Sport-Entertainment. Das heißt: ganz bestimmte Dinge werden als Bewegt-Bild verlangt, insofern versuchen wir, mit dem Bewegt-Bild die Geschichten zu erzählen, die man vielleicht vor 15 Jahren geschrieben hätte."
    Wer es besonders exklusiv haben will – zum Beispiel mit kurzen aktuellen Spielberichten der Mannschaft – zahlt 36 Euro pro Saison. Ansonsten ist das Bild-Angebot auf der Homepage von Bayer 04 kostenlos. Wie bei vielen anderen Bundesligaklubs auch. Mittlerweile betreibt fast jeder der 36 Vereine in der Ersten und Zweiten Liga Klub-TV. Von unterschiedlicher Qualität. Journalistik-Professor Matthias Degen von der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen nennt drei Kategorien.
    "Diejenigen, die sich viel Mühe geben, die tatsächlich investieren und Beiträge anbieten, gestalten, das sind die sogenannten Programmsender, und dann gibt es diejenigen, die einfach nur Content bereit stellen, die einfach nur Inhalte zum Beispiel kürzen oder das, was passiert, etwas einordnen, und schlicht diejenigen, die es ganz simpel machen, das sind die so genannten Ereignissender, die nehmen sich die Pressekonferenz, nehmen 60 Minuten auf und stellen die 60 Minuten ungefiltert in ihr Online-Portal, und das ist dann das Klub-TV-Angebot. Das ist dann die simpelste Variante."
    Was man mit der Macht der eigenen Bilder erreichen kann, demonstrierte vor kurzem der Deutsche Fußball-Bund. Seine 90-minütige Dokumentation über den WM-Sieg in Brasilien landete im Kino.
    "Auch wenn viele Leute nachher gesagt haben: war ein Imagefilm und so weiter und so fort, im Endeffekt war es so. Es war 'ne Klassenfahrt: drei Tage Strand, wegfahren, gewinnen, drei Tage Strand.
    Große deutsche Vereine vermarkten ihre Fernsehbilder selbst
    Uli Voigt ist einer der Macher des Films. Viele Szenen, sagt er, waren ursprünglich für den hauseigenen TV-Sender gedreht worden. Genau das ist das Problem, kritisiert Sportkorrespondent Michael Horeni von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er findet, der Film ist zu einseitig, es fehlt der Blick von außen, der DFB schottet sich immer weiter ab.
    "Wenn es mal einen aktuellen Fall gibt, der wichtig wäre aus sportlicher Sicht: zum Beispiel Mesut Özil muss von Real Madrid weg gehen, weil er dort weg geschickt wird und geht zu Arsenal London, und kommt dann gerade zur Nationalmannschaft und steht dann für die Medien nicht mehr zur Verfügung, kommt nicht auf eine Pressekonferenz, äußert sich bei niemandem mehr, sondern macht das dann eben über DFB-TV. Und das ist sozusagen so ein typischer Fall: Wenn Dinge vielleicht ein bisschen schwieriger sind, wenn es ein bisschen unangenehmer werden kann, dann werden die eigenen Kanäle benutzt, wo man das unter Kontrolle hat, und wo man es eben steuern kann."
    "Die Zeiten sind einfach anders geworden. Heute hat jeder Verein eine eigene Website. Jeder Verein will sich selber bedienen, jeder Verein will sich selber darstellen. Die ausländischen Vereine machen es noch viel restriktiver, deswegen machen wir es zugänglich für alle. Es hat noch nie einer ein Interview nicht gekriegt, weil DFB-TV da ist."
    Die Entwicklung ist eindeutig: es herrscht das Prinzip Verknappung vor. Europäische Top-Klubs, darunter aus Deutschland auch der FC Bayern München und Borussia Dortmund, vermarkten exklusive Fernsehbilder immer häufiger selbst. Medienexperte Mathias Degen sieht darin eine Gefahr für die Zukunft des Sportjournalismus.
    "Sehr spannend wird sein, in wie weit tatsächlich Journalisten noch selbst Fragen stellen dürfen, in wie weit sie mit eigenen Kamerateams für eigene Perspektiven noch drehen dürfen, oder in wie weit ihnen etwas fertig zur Verfügung gestellt wird. Das wird eine entscheidende Frage sein: sind Journalisten am Ende nur diejenigen, die Informationen, die vorgegeben sind, sortieren oder dürfen sie noch selber an die Quelle heran?"