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Futtern und die globalen Folgen

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Armut in Afrika und Fleischexporten aus der EU? Wie wirkt sich die Massentierhaltung klimatisch aus? Der "Fleischatlas" von BUND und Böll-Stiftung widmet sich diesen Fragen und will die Zusammenhänge des internationalen Agrarhandels verdeutlichen.

Von Dieter Nürnberger | 10.01.2013
    Sagen wir es so: Es ist wie manchmal auch in einem guten Restaurant, das Essen schmeckt, aber vielleicht sollte man doch lieber keinen Blick in die Küche werfen. Im Wesentlichen geht es bei diesem "Fleischatlas" auch nicht so sehr um hygienische Aspekte einer Massentierhaltung, sondern eher um die großen politischen Zusammenhänge. Natürlich felt in dieser Datensammlung nicht der Hinweis, dass die Deutschen einen internationalen Spitzenplatz beim Fleischkonsum innehaben: 60 Kilogramm pro Jahr und Kopf. Das ist natürlich sehr viel mehr als anderswo. Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung:

    "In den ärmsten Ländern wird pro Kopf weit unter zehn Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr verbraucht. Von daher ist der Fleischkonsum mal wieder ein Beweis dafür, wie sehr wir es mit Ungleichheit zu tun haben. Wir essen auch auf Kosten der Menschen in der Dritten Welt, die noch nicht mal ihre Ernährung sichern können. Fleisch ist dort ohnehin ein Luxusgut."

    Zugleich produzieren deutsche Fleischfabriken etwa 17 Prozent mehr Fleisch als hierzulande verzehrt wird. Deutschland ist somit längst ein erfolgreicher Fleischexporteur, dies funktioniere aber nur, weil Deutschland billig produzierte Futtermittel importiere, so die Heinrich-Böll-Stiftung. Überwiegend aus Südamerika, wo die Soja-Futtermittelproduktion einen weltweiten Schwerpunkt hat.

    "Allein in Argentinien wurde in den vergangenen zwei Jahren eine Anbaufläche für Soja um zwei Millionen Hektar ausgeweitet. Auf nunmehr 19,7 Millionen Hektar insgesamt. Somit Argentinien eine Fläche von knapp 20 Millionen Hektar ausschließlich für die Sojaproduktion. Das ist mehr Agrarfläche, als zum Beispiel Deutschland generell hat."

    Und dieser Sojahunger unserer Schlachttiere sorgt vor Ort in vielen Schwellenländern denn auch für erhebliche ökologische und soziale Probleme: Abholzung von Regenwald, Anbau von Monokulturen, Verlust biologischer Vielfalt, Verdrängung von Kleinbauern, Einsatz von Gentechnik und Pflanzenschutzmitteln - all dies habe negative Auswirkungen in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern.

    Der heute veröffentlichte "Fleischatlas" will diese Zusammenhänge des internationalen Agrarhandels verdeutlichen.

    Deutschland wird immer erfolgreicher als Fleischexporteur. Dies heißt gleichzeitig Massentierhaltung und dadurch bedingt auch Umweltprobleme in Deutschland. Beispielsweise zeigt der "Fleischatlas" auch Daten über die steigende Stickstoffbelastung der Meere. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND:

    "Die Stickstoffbelastung der Nordsee kann nur durch eine Änderung der entsprechenden Intensivtierhaltung gelöst werden. Wir haben dadurch ein gewaltiges ökologisches Problem. Das können wir nicht lediglich über eine Vergrößerung von Schutzgebieten lösen – das geht nur durch eine Änderung der agrarpolitischen Rahmenbedingungen."

    Die Botschaft des Umweltverbandes ist somit eindeutig – die Politik dürfe die Massentierhaltung nicht noch weiter subventionieren. Dies müsse bei den Verhandlungen in diesem Jahr über eine Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik eine Rolle spielen.

    Und natürlich gab es heute vormittig hier in Berlin auch den Appell an die Verbraucher, diese Zusammenhänge bei der weltweiten Fleischproduktion mehr zu berücksichtigen. Soll heißen: Künftig durchaus auch mal auf Fleisch zu verzichten.

    Information

    Den "Fleischatlas" finden Sie im Internet zum Download unter: www.bund.net/fleischatlas und www.boell.de/fleischatlas