Es ist schon der zweite Architektenwettbewerb um die Berliner Staatsoper mit demselben Ergebnis. Und dieses lautet: Wenn Bühne und Zuschauerraum der Linden-Oper auf ein internationales künstlerisches Niveau gehoben werden sollen, dann muss die Bühne saniert und der Zuschauerraum des DDR-Architekten Paulick einem neuen Entwurf weichen. Denn, im Paulicksaal, der in den 50ern in Nachahmung des Rokoko gebaut wurde, sind die Akustik und die Sichtverhältnisse unverbesserbar schlecht.
Den ersten Wettbewerb, der dies schon im Jahr 2000 klarmachte, hat die Berliner Politik vor der Öffentlichkeit verheimlicht. Dem siegreichen Architekten Spangenberg wurde bedeutet zu schweigen - und er schwieg. Heute nach dem zweiten Wettbewerb mit demselben Ergebnis ist das nicht mehr möglich, denn die Sanierung ist ausgemacht.
Der Bund zahlt. In der Sommerpause soll es losgehen. Die Zeit drängt. Doch alles ist unklar, außer die Fronten in einem großen Hauen und Stechen. Es steht die Partei der Künstler auf der einen Seite mit Daniel Barenboim, seinen Sängern, Musikkritikern, Architekten und dem Chef der Opernstiftung, Stefan Rosinski. Sie wollen einen neuen Saal:
"Staatsoper heißt für mich vor allem Spitzenqualität, des Musizierens, des Singens. Und in erster Linie absolut erstklassige Qualität des Saals, der musikalischen Leistung und der akustischen Qualitäten, weil das ist etwas, was die mittleren und kleinen Opernhäuser nicht bieten können, was Paulick meiner Ansicht nach auch nicht bieten kann."
Ihnen gegenüber hören wir lautstark die Berliner Lokalpolitiker, im Verein mit den sogenannten "Freunden der Staatsoper” um Unternehmer Peter Dussmann und Vizeparlamentspräsident Wolfgang Thierse.
"Die Staatsoper, das ist der Auftrag, soll saniert werden, sie soll nicht zerstört werden. Und man kann wie man in vielen großen Opernhäusern der Welt sehen, auch historischen, großartige Musik machen, so wie das Daniel Barenboim mit der Staatsoper im alten Theatersaal im alten Staatsoperngebäude ja auch getan hat."
Es ist aber unmöglich, Akustik und Sichtverbesserungen mit dem alten Saal zu realisieren, wie führende internationale Bühnenakustiker und der siegreiche Architekt Klaus Roth nachweisen:
"Wir haben das probiert und gesehen, dass, wenn wir wirklich entscheidende Veränderungen vornehmen, die Ränge sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden, das heißt, wir werden sie ausbauen müssen und umbauen müssen. Das übermächtige Portal ist auch viel zu niedrig, sodass auch hier der Klang nicht richtig den Zuschauerraum erreichen kann."
Statt den jetzigen Raum halb zu demontieren, entschied sich Roth daher für eine moderne Raumstruktur, die alle künstlerischen Anforderungen erfüllt. Alle Sänger hören sich zukünftig selbst sehr gut, da der Raumklang und Nachhall durch die Konstruktion optimiert wird. Auch alle Zuhörer erhalten einen differenzierten Raumklang, bisher konnte man die Instrumentengruppen im Klangteppich nicht orten.
Als nächstes werden künftig auch alle Zuschauer die Bühne sehen: Bisher konnte man auf 25 Prozent der Plätze nur ein Drittel bis die Hälfte davon überblicken. Schließlich stellt der Entwurf von Klaus Roth die ursprüngliche Ordnung von Foyer, Parkett und Bühne aus dem 18. Jahrhundert wieder her. Das heißt, in Zukunft drückt man sich in der Pause nicht mehr im niedrigen Keller der Oper herum, sondern im großartigen Apollosaal, der jetzt als V.I.P.-Bereich schwer zugänglich ist. Der Clou des Zuschauerraums aber ist seine Decke. In ihr sind drei raumgreifende Ringe angelegt, die bewegt werden können. Klaus Roth:
"Das heißt, die Lichtinszenierung wird sehr wichtig sein. Je nachdem kann sie auch eingestellt werden. Die Decke wird dreikonzentrisch gesetzt. Es sind Schlingen vorgesehen, die sich auch in der Vertikalen bewegen können, unterschiedlich gesetzt werden können. Das heißt die können dann Klang steuern, aber auch den Formeindruck verändern. Das soll auch ein metaphysischer Raum werden, der sich ins unendliche fortsetzen kann, mit Lichtwirkung."
All diese Features und Verbesserungen weisen weder der in den 50er Jahren ausgeführte jetzige Paulick-Entwurf, noch die anderen Entwürfe auf. Nur Roth bietet für Sänger und Publikum die besten Bedingungen, um sich auf die kommenden Inszenierungen konzentrieren zu können.
Dass Roth dennoch derart wütend bekämpft wird - der Verein der Freunde der Staatsoper hat gerade angekündigt, im Fall seiner Verwirklichung 30 Millionen Spendengelder zurückzuhalten -, dass der Entwurf dennoch derart wütend bekämpft wird, hat letztlich mit einem einzigen Mangel zu tun: Der berührt jedoch einen wunden Punkt im Berliner kulturellen Selbstverständnis, wie Daniel Barenboim sagt.
Es fehlen bei Roth - die Putten! Es ist so: Putten - diese vergoldeten kleinen Gipsengel, vertragen sich nicht mit moderner Bühnenarchitektur. Und sie bedeuten für den Berliner doch sehr viel, denn er findet sie so selten in seiner von Reformation, Industrialisierung, Krieg, zwei Diktaturen, Besatzung, Teilung oftmals zerstörten, mehrmals total umgebildeten, zerrissenen und immer noch zusammengewürfelt wirkenden, zentrumslosen Hauptstadt.
Der Berliner leidet unter Putten- wie der Araber unter Regenmangel. Nur so ist es zu erklären, dass er für den kurzen Moment des Glücks - einmal in einem mit Putten gefüllten Opernzuschauerraum treten zu dürfen, in dem gleich darauf das Licht ausgehen wird -, in Kauf nimmt, nicht richtig zu hören, nicht richtig zu sehen, was auf der Bühne passiert, und sich in der Pause im umgebauten Keller des Hauses herumdrücken zu müssen.
Der Verlust dieser scheinbar letzten Putten der Hauptstadt, die ja in Wirklichkeit nur ein Replikat aus den 50er Jahren der DDR sind, führt dem Berliner vor Augen, dass nahezu alle alt wirkenden Gebäude der Innenstadt Humboldt Uni, Zeughaus, Alte Wache, Kommandantur und bald das Schloss nur Fassaden mit unechtem Innenleben sind.
Das ist auch bei der Staatsoper so, deren Innenräume aus den 50ern stammen. Nur an diese hatte man sich hier gewöhnt - wegen der Putten. Der nun folgende Streit hat viele argumentative Ebenen: Wessis schießen gegen Ossis, Moderne gegen Postmoderne, Künstler gegen Kunstsponsoren. Das Hauen und Stechen ist unübersichtlich und macht nur klar, was Berlin fehlt: ein Gefühl und ein Wille für die Gestaltung seiner künftigen kulturellen Mitte.
Darin liegt eine historische Chance, sagt Barenboim, doch es ist unwahrscheinlich, dass der Wille zur Gestaltung aus rotem Rathaus oder Kanzleramt in der zur Verfügung stehenden Zeit erkennbar werden wird. Wahrscheinlicher ist, dass die Staatsoper wegen Entscheidungslosigkeit der Politik weit länger als geplant in ihrem vorgesehenen Provisorium im Schiller Theater verweilen wird. Das wäre immerhin berlinisch. "Kulturelle Provisorien" hat die Stadt an jeder Ecke.
Den ersten Wettbewerb, der dies schon im Jahr 2000 klarmachte, hat die Berliner Politik vor der Öffentlichkeit verheimlicht. Dem siegreichen Architekten Spangenberg wurde bedeutet zu schweigen - und er schwieg. Heute nach dem zweiten Wettbewerb mit demselben Ergebnis ist das nicht mehr möglich, denn die Sanierung ist ausgemacht.
Der Bund zahlt. In der Sommerpause soll es losgehen. Die Zeit drängt. Doch alles ist unklar, außer die Fronten in einem großen Hauen und Stechen. Es steht die Partei der Künstler auf der einen Seite mit Daniel Barenboim, seinen Sängern, Musikkritikern, Architekten und dem Chef der Opernstiftung, Stefan Rosinski. Sie wollen einen neuen Saal:
"Staatsoper heißt für mich vor allem Spitzenqualität, des Musizierens, des Singens. Und in erster Linie absolut erstklassige Qualität des Saals, der musikalischen Leistung und der akustischen Qualitäten, weil das ist etwas, was die mittleren und kleinen Opernhäuser nicht bieten können, was Paulick meiner Ansicht nach auch nicht bieten kann."
Ihnen gegenüber hören wir lautstark die Berliner Lokalpolitiker, im Verein mit den sogenannten "Freunden der Staatsoper” um Unternehmer Peter Dussmann und Vizeparlamentspräsident Wolfgang Thierse.
"Die Staatsoper, das ist der Auftrag, soll saniert werden, sie soll nicht zerstört werden. Und man kann wie man in vielen großen Opernhäusern der Welt sehen, auch historischen, großartige Musik machen, so wie das Daniel Barenboim mit der Staatsoper im alten Theatersaal im alten Staatsoperngebäude ja auch getan hat."
Es ist aber unmöglich, Akustik und Sichtverbesserungen mit dem alten Saal zu realisieren, wie führende internationale Bühnenakustiker und der siegreiche Architekt Klaus Roth nachweisen:
"Wir haben das probiert und gesehen, dass, wenn wir wirklich entscheidende Veränderungen vornehmen, die Ränge sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden, das heißt, wir werden sie ausbauen müssen und umbauen müssen. Das übermächtige Portal ist auch viel zu niedrig, sodass auch hier der Klang nicht richtig den Zuschauerraum erreichen kann."
Statt den jetzigen Raum halb zu demontieren, entschied sich Roth daher für eine moderne Raumstruktur, die alle künstlerischen Anforderungen erfüllt. Alle Sänger hören sich zukünftig selbst sehr gut, da der Raumklang und Nachhall durch die Konstruktion optimiert wird. Auch alle Zuhörer erhalten einen differenzierten Raumklang, bisher konnte man die Instrumentengruppen im Klangteppich nicht orten.
Als nächstes werden künftig auch alle Zuschauer die Bühne sehen: Bisher konnte man auf 25 Prozent der Plätze nur ein Drittel bis die Hälfte davon überblicken. Schließlich stellt der Entwurf von Klaus Roth die ursprüngliche Ordnung von Foyer, Parkett und Bühne aus dem 18. Jahrhundert wieder her. Das heißt, in Zukunft drückt man sich in der Pause nicht mehr im niedrigen Keller der Oper herum, sondern im großartigen Apollosaal, der jetzt als V.I.P.-Bereich schwer zugänglich ist. Der Clou des Zuschauerraums aber ist seine Decke. In ihr sind drei raumgreifende Ringe angelegt, die bewegt werden können. Klaus Roth:
"Das heißt, die Lichtinszenierung wird sehr wichtig sein. Je nachdem kann sie auch eingestellt werden. Die Decke wird dreikonzentrisch gesetzt. Es sind Schlingen vorgesehen, die sich auch in der Vertikalen bewegen können, unterschiedlich gesetzt werden können. Das heißt die können dann Klang steuern, aber auch den Formeindruck verändern. Das soll auch ein metaphysischer Raum werden, der sich ins unendliche fortsetzen kann, mit Lichtwirkung."
All diese Features und Verbesserungen weisen weder der in den 50er Jahren ausgeführte jetzige Paulick-Entwurf, noch die anderen Entwürfe auf. Nur Roth bietet für Sänger und Publikum die besten Bedingungen, um sich auf die kommenden Inszenierungen konzentrieren zu können.
Dass Roth dennoch derart wütend bekämpft wird - der Verein der Freunde der Staatsoper hat gerade angekündigt, im Fall seiner Verwirklichung 30 Millionen Spendengelder zurückzuhalten -, dass der Entwurf dennoch derart wütend bekämpft wird, hat letztlich mit einem einzigen Mangel zu tun: Der berührt jedoch einen wunden Punkt im Berliner kulturellen Selbstverständnis, wie Daniel Barenboim sagt.
Es fehlen bei Roth - die Putten! Es ist so: Putten - diese vergoldeten kleinen Gipsengel, vertragen sich nicht mit moderner Bühnenarchitektur. Und sie bedeuten für den Berliner doch sehr viel, denn er findet sie so selten in seiner von Reformation, Industrialisierung, Krieg, zwei Diktaturen, Besatzung, Teilung oftmals zerstörten, mehrmals total umgebildeten, zerrissenen und immer noch zusammengewürfelt wirkenden, zentrumslosen Hauptstadt.
Der Berliner leidet unter Putten- wie der Araber unter Regenmangel. Nur so ist es zu erklären, dass er für den kurzen Moment des Glücks - einmal in einem mit Putten gefüllten Opernzuschauerraum treten zu dürfen, in dem gleich darauf das Licht ausgehen wird -, in Kauf nimmt, nicht richtig zu hören, nicht richtig zu sehen, was auf der Bühne passiert, und sich in der Pause im umgebauten Keller des Hauses herumdrücken zu müssen.
Der Verlust dieser scheinbar letzten Putten der Hauptstadt, die ja in Wirklichkeit nur ein Replikat aus den 50er Jahren der DDR sind, führt dem Berliner vor Augen, dass nahezu alle alt wirkenden Gebäude der Innenstadt Humboldt Uni, Zeughaus, Alte Wache, Kommandantur und bald das Schloss nur Fassaden mit unechtem Innenleben sind.
Das ist auch bei der Staatsoper so, deren Innenräume aus den 50ern stammen. Nur an diese hatte man sich hier gewöhnt - wegen der Putten. Der nun folgende Streit hat viele argumentative Ebenen: Wessis schießen gegen Ossis, Moderne gegen Postmoderne, Künstler gegen Kunstsponsoren. Das Hauen und Stechen ist unübersichtlich und macht nur klar, was Berlin fehlt: ein Gefühl und ein Wille für die Gestaltung seiner künftigen kulturellen Mitte.
Darin liegt eine historische Chance, sagt Barenboim, doch es ist unwahrscheinlich, dass der Wille zur Gestaltung aus rotem Rathaus oder Kanzleramt in der zur Verfügung stehenden Zeit erkennbar werden wird. Wahrscheinlicher ist, dass die Staatsoper wegen Entscheidungslosigkeit der Politik weit länger als geplant in ihrem vorgesehenen Provisorium im Schiller Theater verweilen wird. Das wäre immerhin berlinisch. "Kulturelle Provisorien" hat die Stadt an jeder Ecke.