Donnerstag, 28. März 2024

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G7-Energieministertreffen
"Endlich Energieeinsparung ins Zentrum rücken"

Beim Treffen der Energieminister aus den G7-Staaten gehe es vor allem um die Frage, wie Staaten im Energiebereich unabhängiger werden, sagte Dennis Tänzler vom Thinktank "adelphi" im DLF. Um das Klima zu schützen müsse aber auch darüber gesprochen werden, wie der Energieverbrauch sinken könne – und das auch auf Ebene der G20-Staaten.

Dennis Tänzler im Gespräch mit Jule Reimer | 12.05.2015
    Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel (SPD, M) spricht am 11.05.2015 auf der Konverterplattform HelWin alpha in der Nordsee 30 km vor Helgoland (Schleswig-Holstein) nach der Einweihung des RWE Offshore-Windparks Nordsee Ost und der TenneT Konverterplattform HelWin alpha im Rahmen des G7-Energieministertreffens mit Journalisten.
    Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) auf der Konverterplattform HelWin alpha in der Nordsee 30 km vor Helgoland. (picture alliance / dpa / Christian Charisius)
    Jule Reimer: Stellt euch vor, es ist Energiewende und keiner geht hin. So muss es gestern Bundeswirtschafts- und Energieminister Gabriel ergangen sein, der eigentlich seinen Amtskollegen von den G7-Staaten einen neuen Offshore-Windpark von RWE vorführen wollte. Doch die Kollegen kamen nicht mit auf hohe See, sondern schickten Stellvertreter. Dabei soll doch heute unter anderem bei dem Treffen in Hamburg auch noch über Klimaschutz geredet werden. Beim Treffen der G7-Außenminister vor wenigen Wochen war das noch anders. Da sprachen die Minister ausdrücklich über die Frage, wo die Außenpolitik in Sachen Klimaschutz Handlungsbedarf hat. Angereichert wurde das Treffen durch eine Studie der Berliner Denkfabrik "adelphi". Dennis Tänzler ist Direktor für Klimapolitik bei "adelphi". Erinnern Sie uns doch bitte noch mal kurz daran: Was haben Sie den Außenministern ins Stammbuch geschrieben?
    Dennis Tänzler: Ja, schönen guten Tag! - Wir sind von den Außenministern in 2013 gewissermaßen gefragt worden, was Klimawandel mit Frieden und Stabilität zu tun hat, insbesondere mit der Stabilität in fragilen Staaten, und was wir in unserer Studie mit einem internationalen Partner herausgefunden haben ist, dass es eine ganze Reihe von Risikokomplexen gibt, die die Herausforderung der Resilienz als neuer Kompass der Außenpolitik in den Mittelpunkt stellt.
    Reimer: Was heißt Resilienz?
    Tänzler: Resilienz bedeutet, die Widerstandsfähigkeit von Staaten systematisch zu stärken. Das ist insbesondere für die Staaten relevant, die ohnehin schon instabil sind, oder sich in Phasen der Nach-Konflikt-Zeit befinden, dass man dort systematisch unterstützt, und zwar wesentlich mit einem Fokus auf der Frage von Anpassung, aber ebenso auch der Entwicklung und der Friedenskonsolidierung. Das war für die Außenpolitiker an sich, als Klimathema das so explizit aufzunehmen, erst mal neu. Dass wir insgesamt auf ein fruchtbares Feld dort gestoßen sind, zeigt sich auch daran, dass in dem Kommuniqué von Lübeck sehr prominent auf diese Studie Bezug genommen worden ist und dass sich zumindest die Außenminister stärker diesem Thema in Zukunft annehmen wollen.
    Reimer: Was im Kommuniqué der Energieminister stehen wird, das erfahren wir erst heute Nachmittag. Haben die denn wirklich ein Interesse an Klimaschutz? Bisher hatte man ja nicht den Eindruck, dass das auf dem G7-Treffen der Energieminister eine so große Rolle spielte. Im Grunde genommen geht es ganz viel um Gaslieferungen, Ukraine, Sicherheit.
    Tänzler: Ja es geht auch, glaube ich, um die Frage von Energieunabhängigkeit, und da kommen wir ganz stark die Schnittstelle auch zu Klimaschutz, sei es, indem wir erneuerbare Energien ausbauen, sei es, so wie es eigentlich auch vorgesehen ist, dass endlich einmal die Energieeinsparung wesentlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit auch dieser Staaten rückt. Wenn Sie aber wie geschildert feststellen, dass Gabriel bei der Präsentation seiner öffentlichen Anlage eher im engsten Familienkreis bleibt, dann stellt sich schon die Frage, wie es bestellt ist um die Rolle von nachhaltigen Energiestrukturen mit Blick auf den Gipfel der G7, aber auch mit der wichtigen Klimaschutzkonferenz am Ende des Jahres. Ich glaube, wie auch Ihr vorhergehender Beitrag gezeigt hat, da gibt es sicherlich in den einzelnen auch G7-Staaten lohnenswerte Ansätze, auf die man aufbauen kann. Wenn wir uns aber die Entwicklung im Energieverbrauch sowie bei den Treibhausgas-Emissionen anschauen, ist der Minderungsbereich ohnehin eine Frage, wo sehr viel stärker zum Beispiel mit den G20-Staaten zusammengearbeitet werden muss. Da muss man sich die Entwicklung in Indien anschauen, in China, auch Staaten wie Mexiko und Südafrika. Und wenn man sich das anschaut wird man feststellen, dass da eine ganz neue Dynamik entstanden ist in den letzten Jahren, was den Ausbau von zum Beispiel erneuerbaren Energien angeht.
    Reimer: Obwohl zum Beispiel in Indien die Regierung jetzt Greenpeace beispielsweise wegen der Proteste gegen den weiteren Ausbau der Kohlekraft in die Zange genommen hat, und zwar erheblich.
    Tänzler: Ja, das ist korrekt. Das führt auch zu einer deutlichen Verunsicherung, denke ich, innerhalb der zivilgesellschaftlichen Gruppierungen. Auf der anderen Seite ist es gerade die Regierungsspitze um Modi, die deutlich gemacht hat, dass sie an sich hier neue Pfade in der Klimaschutzpolitik betreten will, beschreiten will, dass dazu insbesondere der Rahmen einer sauberen Energieversorgung eine große Rolle spielt, (das in der indischen Lesart durchaus die Frage von sauberen Kohletechnologien, aber auch Nuklearenergie umfasst). Das ist auch ein ganz gutes Beispiel dafür, was es vielleicht ein Stück weit anders als unsere Studie für den Anpassungsbereich und die Notwendigkeit von Resilienz gezeigt hat, dass es bei den Fragen von wie gestalte ich eine langfristige ambitionierte Minderungspolitik durchaus noch viel Spielraum auch für die Bundesregierung gibt.
    Reimer: Und ob der genutzt werden kann, werden wir sehen. - Danke an Dennis Tänzler von der Denkfabrik "adelphi".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.