Donnerstag, 18. April 2024

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Gabacho Maroc
Die Fusion lebt!

Mit ihrer energiegeladenen Spielfreude riss die Band "Gabacho Maroc" um Perkussionist Vincent Thomas beim Rudolstadtfestival alle Aufmerksamkeit des Publikums an sich. Rhythmische Vielfalt, ausdrucksstarker Wechselgesang und markige Bläsersätze bestimmten das Konzert der achtköpfigen Formation.

Am Mikrofon: Jan Tengeler | 10.02.2017
    Die Musiker der Formation Gabacho Maroc stehen zusammen teilweise mit Instrumenten in der Hand
    Zwischen Rock, Jazz und marrokanischer Musiktradition: Gabacho Maroc (Victor Hugo Espejo)
    Die Musiker von Gabacho Maroc stammen aus dem Norden Afrikas und dem Süden Europas. Grenzen lassen sie nicht gelten, Fusion wird gelebt. Und so treffen Rock und Flamenco aufeinander, Jazz und marokkanische Musiktraditionen - von den Berbern bis zu den Gnawa.
    Der Franzose Vincent Thomas, Schlagzeuger und Bandleader von Gabacho Maroc, erzählte nach seinem Auftritt in Rudolstadt:
    "Es ist das erste Mal für mich und die Band in Deutschland. Es ist sehr grün hier. Und es ist auch ein bisschen so, wie man sich die Deutschen vorstellt. Alles ist sauber, nett und quadratisch. Und es ist gut organisiert hier auf dem Festival. Also, alles ganz beeindruckend."
    Die achtköpfige Formation Gabacho Maroc verknüpft auf druckvoll-perkussive Art die Musik der Gnawa, die ihren Ursprung in den rituellen Praktiken ehemaliger Sklaven aus dem Gebiet der Sahara hat, mit anderen afrikanischen Rhythmen und dem harmonischen Reichtum des Jazz.
    Gegründet in San Sebastian
    2013 wurde die Band im spanischen San Sebastian gegründet und hat sich schnell vor allem mit ihren Livekonzerten einen guten Ruf erspielt, nicht nur in Spanien, Frankreich und Marokko, sondern auch in Süd-und Mittelamerika, wo die Band regelmäßig tourt.
    Die Musiker von Gabacho Maroc stehen zusammen in einer Reihe auf der Bühne in Rudolstadt
    Gabacho Maroc beim Rudolstadtfestival 2016 (Jan Tengeler)
    Die ungewöhnliche Instrumentierung der Gruppe ermöglicht eine große Klangvielfalt. Die beiden Saxofonisten sowie der Keyboarder sorgen für die harmonische Abwechslung. Die drei marokkanischen Musiker um den Meistergnawasänger Hamid Moumen stehen mit ihren traditionellen Instrumenten für rhythmische Finesse. Dazu kommen ein elektrischer Bass und das Schlagzeug von Vincent Thomas, die das Ganze zusammenhalten. Über die Ursprünge von Gabacho Maroc sagt er:
    "Wir hatten eine Jazzband, aber es hat mir nicht so gut gefallen. Ich wollte etwas, das festlicher ist, nicht so introvertiert, nicht so viele Soli. Mir gefällt Musik, bei der die Leute mitgehen können, so wie bei der marokkanischen Musik, die kommt wirklich von Herzen. Dann haben wir es eben probiert und es hat geklappt. Jeder bringt seine Einflüsse mit, in der Band sind Musiker aus Algerien, Spanien und natürlich aus Marokko. Jetzt sind wir keine Jazzband mehr, sondern machen Weltmusik mit ein bisschen Jazz."
    Die Musik der Gnawa aus Marokko
    Eine ihrer wichtigsten Einflüsse ist die Gnawa-Musik. Die Gnawa leben heute vor allem in Marokko. Sie sind die Nachfahren afrikanischer Sklaven aus dem Gebiet der Sahara. In ihrer Musikkultur vermischen sich rhythmische Elemente mit den Gesängen und Tänzen vorislamischer, spiritueller Praktiken. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Musik auch im Westen bekannt geworden und hat insbesondere Jazzmusiker in ihren Bann gezogen. Für den Schlagzeuger Vincent Thomas liegt das vor allem an der rhythmischen Vielfalt, die von drei Hauptinstrumenten getragen wird. Das ist eine Fasstrommel, die mit einem Stöckchen geschlagen wird, T’bal genannt; dann die Gimbri, eine dreisaitige Langhalslaute mit einem rechteckigem Resonanzkörper aus Holz und schließlich die metallene Gefäßklappern der Qarqaba.
    "Wie so oft bei afrikanischer Musik ist nicht so klar, wo die Eins ist. Wenn du mit den Füssen auf dem Boden stehst und versuchst, Dich im Rhythmus zu bewegen, dann merkst du, wie schwierig das ist. Das ist anders als bei uns, die Rhythmen verschieben sich gegeneinander. Ich war 20-mal in Marokko und habe mir sehr viele verschiedene CDs gekauft, die angehört, immer mit dem Versuch, den Rhythmus zu begreifen. Wo ist die Eins, die Zwei, die Drei, und wie kann man das verstehen? Das hat mir geholfen."
    Demokratische Arbeitsweise
    Bei einem seiner Besuche hat Vincent Thomas seine Band mitgenommen und sich mit marokkanischen Musikern zusammengetan. Seitdem feilen die acht Künstler an einer Fusion, die im besten Fall mehr ist, als nur ein Nebeneinander der verschiedenen Stile. Dass das tatsächlich gelingt, führt Vincent Thomas auch auf die demokratische Arbeitsweise innerhalb der Band zurück.
    "Ich arbeite nicht allein für die Gruppe, jeder der Komponieren kann, komponiert auch für die Band. Es ist wirkliche eine kollektive Arbeit, es ist demokratisch. Jeder bringt ein Stück mit und zusammen arrangieren wir dann die Musik, so kann man es ausdrücken."
    Dass sich die Musiker als Kollektiv verstehen, merkte man beim Konzert in Rudolstadt auch daran, dass alle europäischen Musiker auch mitsangen beim für die Gnawamusik typischen Wechselgesang. Und bei den jazzigeren Passagen stellten sich die marokkanischen Musiker wiederum ganz in den Dienst als Begleiter. So ergab sich ein abwechslungsreicher, aber doch kompakter Gesamtklang, der nicht zuletzt durch seine rhythmische Komplexität überzeugte.
    Aufnahme vom 8.7.16 beim Weltmusikfestival Rudolstadt
    Diese Sendung können Sie nach Ausstrahlung sechs Monate nachhören.