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Gábor Boldoczki
Vivaldis venizianische Trompete

Bei Vivaldi denkt man nicht zuerst an Trompetenmusik. Doch genau das hat den ungarischen Trompetenvirtuosen Gábor Boldoczki inspiriert, unter anderem Vivaldis Konzert für Violine, Streicher und Basso Continuo in D-Dur passgenau für das Blasinstrument arrangieren zu lassen. Das Ergebnis wurde nun unter dem Titel "Vivaldi-Tromba Veneziana" veröffentlicht.

Von Georg Waßmuth | 25.12.2013
    Nicht viel mehr als ein einziges Doppelkonzert für Trompete hat der Venezianer Antonio Vivaldi unter seinen fast 500 Werken hinterlassen. Das ist zu wenig, dachte sich Gábor Boldoczki und engagierte ein paar fingerfertige Arrangeure. Die kopierten dem Trompeten-Virtuosen unter anderem Vivaldis Konzert für Violine, Streicher und Basso Continuo in D-Dur passgenau auf die Lippe. Das Ergebnis hat nun das Label Sony Classical unter dem Titel "Vivaldi - Tromba Veneziana" veröffentlicht.
    Antonio Vivaldi, 1. Satz, Allegro aus: Concerto for Violin, String & Basso Continuo
    Die Cappella Gabetta umspielte den Trompetenvirtuosen Gábor Boldoczki bei dieser sehr gelungenen Adaption eines Violinkonzertes von Antonio Vivaldi. Virtuosen suchen immer nach Stoff um ihr außergewöhnliches Können zur Geltung zu bringen. Der im Jahr 1976 in Ungarn geborene Gábor Boldoczki gehört in seinem Metier zur absoluten Überflieger-Klasse. Er ist kein Kraftmeier und Töne-Stemmer sondern ein tief musikalischer Kopf, der selbst allerhöchste technische Anforderungen mit einer gewissen Nonchalance serviert. Hier ist es der dritte Satz aus dem Concerto für Violine, Streicher und Basso Continuo, den der Trompeter auf die grüne Wiese ausführt.
    Antonio Vivaldi, 3. Satz, Allegro aus: Concerto for Violin, String & Basso Continuo
    Gábor Boldoczki mit dem dritten Satz aus dem Concerto für Violine, Streicher und Basso Continuo von Antonio Vivaldi. Der Trompeten-Virtuose hat für seine Veröffentlichung Rat und Unterstützung in der Heimatstadt des Komponisten gesucht. In Venedig gibt es viele profunde Kenner, die ihm bei der Auswahl der Werke zur Seite standen. Schon zu Lebzeiten wurde Vivaldi in unzähligen Varianten "gecovert". Selbst Johann Sebastian Bach arrangierte die lebensfrohe-strahlende Musik Vivaldis und begeisterte sich für dessen Stil. Doch die Fallhöhe der Bearbeiter ist im Lauf der Jahre mehr und mehr gesunken und Vivaldi in die Hände der Klassik-Entertainer geraten. Geiger mit Föhnfrisur und schmachtendem Blick dampfen den großen Komponisten auf Bonsai-Format ein, es gibt weichgespülten und Wohlfühl-Vivaldi in jedem Farbton.
    Gábor Boldoczki zeigt mit seiner Produktion, dass es auch anders geht.
    Antonio Vivaldi, 2. Satz Larghetto e spiritoso aus: Concerto for 2 Violins, String & Basso Continuo
    Gábor Boldoczki wurde bei diesem Larghetto aus einem Violinkonzert von Antonio Vivaldi von der Cappella Gabetta begleitet. Das Ensemble agierte dabei sehr durchlüftet und mit feinsten agogischen Abstufungen.
    Die gemeinsame "Klangrede" mit dem Solisten ist nahezu perfekt abgestimmt. Als Begleitensemble hat Boldoczki ganz bewusst die Cappella Gabetta ausgewählt. Die Solocellistin Sol Gabetta hat gemeinsam mit ihrem Bruder Andres ein Dutzend Spezialisten versammelt. Es wird zwar nicht auf Instrumenten aus der Epoche gespielt aber alle Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis umgesetzt. So findet Boldoczki mit seiner modernen Trompete und ihrem immensen Ausdrucksregister immer Anspielpartner, die seine Impulse aufnehmen, spiegeln oder weiterdenken. Für die höheren Register greift er zu sogenannten "Piccolo-Trompete", deren Klang bei ihm allerdings nie an Gesanglichkeit verliert. Mit seiner ungemein flexiblen Tongebung braucht sich Boldoczki natürlich vor keiner Klippe zu fürchten.
    Antonio Vivaldi, 1. Satz, Allegro aus: Concerto for Lute, Violin, Viola & Basso Continuo
    Gábor Boldoczki mit einem für Piccolo-Trompete arrangierten Allegro aus dem Concerto für Laute, Violine, Viola und Basso Continuo von Antonio Vivaldi.
    Ein ganz besonderes Instrument setzt der Virtuose zurzeit wohl wie kein Zweiter ein: das Flügelhorn. Es sieht in etwa so aus wie eine Trompete, die im Dampfbackofen etwas zu sehr aufgegangen ist. Dicke, konische Rohre geben dem Instrument seinen weichen, runden Klang. Das Flügelhorn hat nie einen regulären Stammplatz im Orchester erhalten. Im Jahr 1832 mit einem bayrischen Patent versehen wurde es vorwiegend dazu genutzt, die Flügel einer ausschweifenden Jagdgesellschaft mit Signalrufen zusammenzuhalten. Gestandene Trompeter behaupten, das Flügelhorn könne man mit der Nase spielen, so leicht sei die Tonansprache. Wenn dem so ist, muss Boldoczki geradezu eine goldene Nase haben.
    Antonio Vivaldi, 'Vedrò con mio diletto'. Arie aus der Oper "Il Giustino"
    Gábor Boldoczki spielte auf seinem Flügelhorn eine Arie aus der Oper "Il Giustino" von Antonio Vivaldi. Die Cappella Gabetta begleitete unter der Leitung von Andres Gabetta, dem sicher ein ebenso großer Anteil am künstlerischen Erfolg dieser CD-Produktion zukommt. Das Ensemble spielt stets auf Augenhöhe mit dem Solisten, es wird gemeinsam musiziert und niemand überhöht auf einem Silbertablett präsentiert.
    Wie man die Musik des Venezianers Vivaldi im 21. Jahrhundert sehr individuell lesen und interpretieren kann, löst die Veröffentlichung "Vivaldi -Tromba Veneziana" mit höchstem Anspruch ein. Die exzellente Aufnahmetechnik präsentiert ein sehr räumliches Stereobild. Die Interpreten scheinen im Halbrund vor den Lautsprechern zu stehen.
    Ein informatives Booklet rundet die CD ab. Schade nur, dass nicht auch die namenlosen Arrangeure der kleinen Meisterwerke vorgestellt werden. "Vivaldi - Tromba Veneziana" ist beim Label Sony Classical erschienen.
    Antonio Vivaldi, 3. Satz, Allegro aus: Concerto for Oboe, Violin, String & Basso Continuo