Sonntag, 12. Mai 2024

Archiv


Gabriel Fauré - Das gesamte Werk

Verglichen mit den Großmeistern Beethoven und Franck war Gabriel Fauré, wenn er für das Cello schrieb, zunächst eher ein Maître de Plaisir, der mit kleinen Stücken entzückte. Doch Peter Bruns und Roglit Ishay spielen auf einer neuen CD der Firma Opus 111 das gesamte Werk Faurés für Cello und Klavier, also auch die beiden Sonaten op. 109 und op. 117, und da wendet sich Fauré entschieden der Zukunft zu, mit op. 117 sogar der Moderne. Die letztere Sonate wurde 1922 uraufgeführt. Das konventionelle Material wird doch schon nachhaltig zerbröselt. Das ist Musik für Peter Bruns. Der war jahrelang Solocellist der Sächsischen Staatskapelle, und wer ihn etwa als Continuo-Cellisten in den Rezitativen des "Don Giovanni" auf seinem Instrument quasi reden hören konnte, der weiß um die rhetorische Begabung dieses Musikers. Die Fauré-Sonaten werden zu einem geistvollen Dialog mit der aus Israel stammenden jungen Pianisten Roglit Ishay. Da gibt es überraschende Couleurs, samtene und rauhe Töne, elegantes Parlando, und über alledem die Durchsichtigkeit des vollendeten clair-obscure. Bruns spielt ein venezianisches Tononi-Cello von 1730, das einmal Pablo Casals gehört hat; es wirkt nicht unbedingt explosiv, aber es ist von einer nachhaltigen Sonorität. Roglit Ishay wiederum hat sich zu diesen Aufnahmen, die in Paris stattfanden, an einen betagten Érard-Flügel gesetzt; es handelt sich dabei keineswegs um einen sogenannten Hammerflügel, sondern bereits um eine moderne massive Konstruktion, die freilich einen ganz anderen Zauber entwickelt als der heutige Konzertflügel. Irgendwie spürt man diesem Klang noch an, daß die französische Musik aus der Prosodie geboren wurde, aus der Sprache. Und man versteht auch, warum Fauré, aber auch Debussy, für die Érards schwärmte. Diesen Instrumenten eignen gleichermaßen weiche Ansprache und Distinktion. Natürlich kann man damit keine Schlacht gegen ein großes Orchester gewinnen. Aber mit dem Partner reden kann man. Roglit Ishay geht dabei äußerst sparsam mit dem Pedal um und legt die Struktur des Fauré'schen Satzes mit einer Mischung aus trockenem Charme und Diskretion dar, daß man den Zwiegesprächen dieser Musiker mit Vergnügen lauscht. Nur manchmal buchstabieren sich die Vorstöße des Gabriel Fauré in die neue Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ein bißchen langatmig; dann sollte man ruhig gelegentlich zu Petits Fours greifen, was ja auch sonst das Zuhören in bester Gesellschaft versüßen kann, wenn zufällig jemand vergißt, rechtzeitig einen Punkt zu machen. Der erste Satz - Allegro - aus der Cellosonate Nr.1 op.109 von Gabriel Fauré aus dem Jahr 1917: * Musikbeispiel: G. Fauré - aus: Cellosonate Nr. 1 op. 109, Allegro Peter Bruns und Roglit Ishay mit dem ersten Satz der ersten Cellosonate von Gabriel Fauré, aufgenommen für das Label Opus 111. Der Meister der kleinen Form, der Fauré ja vor allem war, zeigt sich vollendet in der bezaubernden Serenade op. 98, die Fauré Pablo Casals widmete - Peter Bruns spielt, wie gesagt, ein Tononi-Cello, auf dem Casals in den 20er Jahren seine Konzerte gab. * Musikbeispiel: G. Fauré - Sérénade op. 98 für Violoncello und Klavier Das war "Die neue Platte" im Deutschlandfunk, heute mit einem Live-Mitschnitt eines Duo-Abends, den Itzhak Perlman und Martha Argerich in den USA gaben und der bei EMI erschien, sowie einer neuen CD das Labels Opus 111 mit dem gesamten Werk für Violoncello und Klavier von Gabriel Fauré. Zum Schluß hörten Sie Peter Bruns und Roglit Ishay mit der Serenade op. 98 von Gabriel Fauré. Am Mikrofon bedankt sich Norbert Ely für Ihre Aufmerksamkeit.

Norbert Ely | 02.01.2000