Abdulatif, einer der lokalen Mitarbeiter von Handicap International, testet die Funkverbindung. Mit insgesamt vier Fahrzeugen ist das Team von Ian Ford, einem ehemaligen Soldaten der britischen Armee und Sprengstoffexperten, nach Dafnya, einem kleinen Vorort von Misrata, unterwegs:
"In Dafnya gab es heftige Gefechte zwischen Gaddafis Truppen und den Revolutionären. Speziell hier in der Region, erzählt Ian Ford, haben wir sehr, sehr viel zu tun. Von zehn Berichten über gefundene Blindgänger rund um Misrata sind mindestens sechs aus der Gegend um Dafnya…Noch immer will ich wissen. Ja, noch immer, sagt der 43 jährige Brite. Viele Raketen wurden hier von beiden Seiten abgefeuert. Wenn wir uns hier beispielsweise die Pfosten der Straßenlampen ansehen, die sind übersät mit Einschusslöchern. Das zeigt, wie verbissen hier gekämpft wurde …"
Nach rund 15 Minuten Fahrt, vorbei an durchlöcherten Straßenlaternen und Hinweisschildern biegt Abdulatif links ab. Es geht von der Hauptstraße runter auf einen Feldweg. Ian Ford hat ständig sein GPS-Gerät im Blick. Es zeigt ihm an, wie weit es noch bis zum Fundort des Blindgängers ist. Was ihn dort erwartet, kennt er nur von Fotos:
"Ich habe mir die Bilder und Informationen über den Blindgänger angesehen. Soweit ich das beurteilen kann, könnte es eine Panzerfaustgranate sei, die irgendwo abgefeuert wurde und dann auf einem Feld gelandet ist. Noch zweihundert Meter, dann dürften wir da sein, da, über den Hügel noch und dann an dem schwarzen Bewässerungsrohr vorbei, erklärt Ian Ford seinem Fahrer."
"In Dafnya gab es heftige Gefechte zwischen Gaddafis Truppen und den Revolutionären. Speziell hier in der Region, erzählt Ian Ford, haben wir sehr, sehr viel zu tun. Von zehn Berichten über gefundene Blindgänger rund um Misrata sind mindestens sechs aus der Gegend um Dafnya…Noch immer will ich wissen. Ja, noch immer, sagt der 43 jährige Brite. Viele Raketen wurden hier von beiden Seiten abgefeuert. Wenn wir uns hier beispielsweise die Pfosten der Straßenlampen ansehen, die sind übersät mit Einschusslöchern. Das zeigt, wie verbissen hier gekämpft wurde …"
Nach rund 15 Minuten Fahrt, vorbei an durchlöcherten Straßenlaternen und Hinweisschildern biegt Abdulatif links ab. Es geht von der Hauptstraße runter auf einen Feldweg. Ian Ford hat ständig sein GPS-Gerät im Blick. Es zeigt ihm an, wie weit es noch bis zum Fundort des Blindgängers ist. Was ihn dort erwartet, kennt er nur von Fotos:
"Ich habe mir die Bilder und Informationen über den Blindgänger angesehen. Soweit ich das beurteilen kann, könnte es eine Panzerfaustgranate sei, die irgendwo abgefeuert wurde und dann auf einem Feld gelandet ist. Noch zweihundert Meter, dann dürften wir da sein, da, über den Hügel noch und dann an dem schwarzen Bewässerungsrohr vorbei, erklärt Ian Ford seinem Fahrer."
Minen im Acker
Den Fund des Blindgängers hat ein Bauer gemeldet, die Informationen, wo sich genau die Stelle befindet, an die Experten von Handicap International weiter gegeben. Bevor allerdings die Sprengstoffspezialisten losfahren, um den Blindgänger unschädlich zu machen, geht ein Erkundungsteam raus. Es werden weitere Informationen gesammelt, Fotos von der Fundstelle gemacht und das nicht explodierte Geschoss markiert. Dann sind die Waffenexperten an der Reihe:
"Hier jetzt noch 160 Meter. Ich denke, wir stellen den Wagen ab und dann schauen wir uns das Teil mal näher an."
Zu Fuß geht’s zu einer riesigen Pfütze. Der Blindgänger, tatsächlich die Granate einer Panzerfaust, ist kaum zu erkennen. Sie liegt im Wasser, am Rand eines Ackers. An entschärfen und abtransportieren des knapp 20 Zentimeter langen Geschosses ist nicht zu denken, es wäre zu gefährlich. Ian Ford entscheidet sich, die Granate vor Ort zu sprengen. Rund um den Blindgänger herum werden Sandsäcke platziert. Danach schöpft der 43 jährige Brite aus dem so entstandenen Trichter mit einer Schüssel das Wasser ab, bis die Granate freiliegt. Vorsichtig befestigt er dann Semtex, einen Plastiksprengstoff, an dem Geschoss. In der Zwischenzeit haben die Anderen von Ian Fords Team sich aufgemacht, die Umgebung abzusichern. Eine Straße, die in unmittelbarer Nähe des Fundortes der Granate vorbei führt, muss gesperrt werden. Per Funk bekommen sie Anweisungen:
"Abdulatif, ihr könnt die Straße sperren. Wenn ihr soweit seid, meldet euch …Ja machen wir, da ist noch ein Wagen unterwegs …"
Währenddessen steckt der Sprengstoffexperte von Handicap International noch eine Zündpatrone in den Plastiksprengstoff und befestigt daran einen Zünddraht. In rund 100 Metern Entfernung testet Ian Ford dann den Zündmechanismus:
"Hier, wenn die grüne Lampe leuchtet, das bedeutet, alles ist in Ordnung. Siehst Du, sie brennt. Dann wird noch Spannung aufgebaut, über diesen Knopf hier löse ich die Explosion aus und jage das Geschoss in die Luft."
Dann ist es soweit. Per Funk kommt die Meldung: – die Straße ist frei und abgesperrt:
"Alles klar. Fertig für die Sprengung … Alle bleiben auf ihrer Position, ich schau mir das mal an."
Von der Panzerfaustgranate ist nichts mehr übrig, es kann keine Gefahr mehr von ihr ausgehen. Wäre der Blindgänger normal hochgegangen, niemand im Umkreis von mehreren Metern hätte die Explosion überlebt. Auch der Bauer, der die Granate auf seinem Grundstück entdeckt hatte, schaut sich den Ort der Sprengung an:
"Ich habe neulich beim Pflügen schon mal so einen Blindgänger gefunden und die Experten hier angerufen, die das Teil dann mitgenommen haben. Na klar sorge ich mich um meine Kinder, wenn Sie so eine Granate finden und damit spielen würden, keine Frage, auch für andere Kinder ist das gefährlich, erzählt der 29-Jährige."
Dann stellt sich allerdings heraus, dass er die gesprengte Panzerfaustgranate ursprünglich auf einem seiner Felder gefunden, einfach aufgehoben und dann Richtung Pfütze geworfen hat, wo sie glücklicherweise nicht explodiert ist. Für den Missionschef von Handicap International in Misrata, Paul Mc Coullough ist dieses gefährliche Verhalten nicht neu:
"Wenn die Leute ihre Felder bestellen und etwas finden, dann bewegen sie den Blindgänger meist an den Rand und machen danach weiter. Das beunruhigt uns sehr, zumal wir immer wieder darauf hinweisen, genau das nicht zu tun. Unglücklicherweise machen sie, was sie meinen, machen zu müssen, damit ihr Leben weiter geht."
"Hier jetzt noch 160 Meter. Ich denke, wir stellen den Wagen ab und dann schauen wir uns das Teil mal näher an."
Zu Fuß geht’s zu einer riesigen Pfütze. Der Blindgänger, tatsächlich die Granate einer Panzerfaust, ist kaum zu erkennen. Sie liegt im Wasser, am Rand eines Ackers. An entschärfen und abtransportieren des knapp 20 Zentimeter langen Geschosses ist nicht zu denken, es wäre zu gefährlich. Ian Ford entscheidet sich, die Granate vor Ort zu sprengen. Rund um den Blindgänger herum werden Sandsäcke platziert. Danach schöpft der 43 jährige Brite aus dem so entstandenen Trichter mit einer Schüssel das Wasser ab, bis die Granate freiliegt. Vorsichtig befestigt er dann Semtex, einen Plastiksprengstoff, an dem Geschoss. In der Zwischenzeit haben die Anderen von Ian Fords Team sich aufgemacht, die Umgebung abzusichern. Eine Straße, die in unmittelbarer Nähe des Fundortes der Granate vorbei führt, muss gesperrt werden. Per Funk bekommen sie Anweisungen:
"Abdulatif, ihr könnt die Straße sperren. Wenn ihr soweit seid, meldet euch …Ja machen wir, da ist noch ein Wagen unterwegs …"
Währenddessen steckt der Sprengstoffexperte von Handicap International noch eine Zündpatrone in den Plastiksprengstoff und befestigt daran einen Zünddraht. In rund 100 Metern Entfernung testet Ian Ford dann den Zündmechanismus:
"Hier, wenn die grüne Lampe leuchtet, das bedeutet, alles ist in Ordnung. Siehst Du, sie brennt. Dann wird noch Spannung aufgebaut, über diesen Knopf hier löse ich die Explosion aus und jage das Geschoss in die Luft."
Dann ist es soweit. Per Funk kommt die Meldung: – die Straße ist frei und abgesperrt:
"Alles klar. Fertig für die Sprengung … Alle bleiben auf ihrer Position, ich schau mir das mal an."
Von der Panzerfaustgranate ist nichts mehr übrig, es kann keine Gefahr mehr von ihr ausgehen. Wäre der Blindgänger normal hochgegangen, niemand im Umkreis von mehreren Metern hätte die Explosion überlebt. Auch der Bauer, der die Granate auf seinem Grundstück entdeckt hatte, schaut sich den Ort der Sprengung an:
"Ich habe neulich beim Pflügen schon mal so einen Blindgänger gefunden und die Experten hier angerufen, die das Teil dann mitgenommen haben. Na klar sorge ich mich um meine Kinder, wenn Sie so eine Granate finden und damit spielen würden, keine Frage, auch für andere Kinder ist das gefährlich, erzählt der 29-Jährige."
Dann stellt sich allerdings heraus, dass er die gesprengte Panzerfaustgranate ursprünglich auf einem seiner Felder gefunden, einfach aufgehoben und dann Richtung Pfütze geworfen hat, wo sie glücklicherweise nicht explodiert ist. Für den Missionschef von Handicap International in Misrata, Paul Mc Coullough ist dieses gefährliche Verhalten nicht neu:
"Wenn die Leute ihre Felder bestellen und etwas finden, dann bewegen sie den Blindgänger meist an den Rand und machen danach weiter. Das beunruhigt uns sehr, zumal wir immer wieder darauf hinweisen, genau das nicht zu tun. Unglücklicherweise machen sie, was sie meinen, machen zu müssen, damit ihr Leben weiter geht."
Die Beseitigung der scharfen Munition dürfte Jahre dauern
Wie viele Blindgänger im Großraum Misrata noch auf Feldern, Wiesen und entlang von Wegen verstreut herumliegen, weiß niemand so genau. Es dürften Tausende sein. Munition, die von den Kriegsparteien 2011 verschossen wurde, aber nicht explodiert ist. Diese gefährlichen Überreste der Revolte gegen Gaddafi zu bergen und unschädlich zu machen wird wohl noch Jahre dauern. Ob man sie restlos beseitigen können wird ist fraglich. Das bedeutet allerdings höchste Lebensgefahr, vor allem für Kinder. Sie können nicht unterscheiden zwischen ungefährlichem Kriegsschrott und scharfer Munition. So erging es dem 11- jährigen Ibrahim. Der kleine Junge steht am Stadtrand von Misrata im Hof seines Vaters und zeigt mir die Stelle, wo im Mai 2011 eine Granate, abgeschossen von Gaddafis Truppen, eingeschlagen ist. Direkt im Hühnerstall. Er hat damals draußen gespielt, erzählt Ibrahims Vater:
"Wir waren zu Hause, haben draußen das Granatfeuer gehört. Wann mein Sohn hier in den Hof gekommen ist, weiß ich nicht mehr. Wir haben dann was laut explodieren hören. Plötzlich kommt er ins Haus, er blutete fürchterlich und schrie nach seiner Mutter."
Ibrahim stand offenbar nur zwei Meter von der explodierenden Granate entfernt. Er wird lebensgefährlich verletzt, kommt mit schwersten Splitter- und Brandwunden ins Krankenhaus. Durch die Explosion hat der 11- Jährige einen Teil seines Fußes verloren. In der Hand hält der kleine Junge ein Plastikdöschen, darin einige Granatsplitter, die ihm die Ärzte damals bei Operationen entfernt haben. Noch viel mehr dieser kleinen Metallteile stecken nach wie vor in seinem Körper. Ibrahim ist traumatisiert. Das Erlebte von damals hat sich in seine Seele gebrannt. Er redet nicht viel, mit Fremden schon gar nicht. Um zu vermeiden, dass noch mehr Kinder durch solche Granaten verletzt werden, setzt Handicap International in Misrata auf Aufklärung. Das Programm nennt sich Risk-Education.
"Wir waren zu Hause, haben draußen das Granatfeuer gehört. Wann mein Sohn hier in den Hof gekommen ist, weiß ich nicht mehr. Wir haben dann was laut explodieren hören. Plötzlich kommt er ins Haus, er blutete fürchterlich und schrie nach seiner Mutter."
Ibrahim stand offenbar nur zwei Meter von der explodierenden Granate entfernt. Er wird lebensgefährlich verletzt, kommt mit schwersten Splitter- und Brandwunden ins Krankenhaus. Durch die Explosion hat der 11- Jährige einen Teil seines Fußes verloren. In der Hand hält der kleine Junge ein Plastikdöschen, darin einige Granatsplitter, die ihm die Ärzte damals bei Operationen entfernt haben. Noch viel mehr dieser kleinen Metallteile stecken nach wie vor in seinem Körper. Ibrahim ist traumatisiert. Das Erlebte von damals hat sich in seine Seele gebrannt. Er redet nicht viel, mit Fremden schon gar nicht. Um zu vermeiden, dass noch mehr Kinder durch solche Granaten verletzt werden, setzt Handicap International in Misrata auf Aufklärung. Das Programm nennt sich Risk-Education.
Bombenkunde in der Schule
Neun Uhr, Unterrichtsbeginn in einer Grundschule. Neun- bis dreizehnjährige Jungs sitzen oder stehen dicht gedrängt im Chemiesaal. Khaled von Handicap International hat seinen Laptop aufgeklappt und präsentiert per Videobeamer alle Arten von Waffen, die von den Truppen Gaddafis, aber auch den Revolutionsmilizen während der mehrmonatigen Belagerung Misratas im Gefecht verwendet wurden. In einer Multimedia Show zeigt Khaled den Schülern auch Munition, die von den Kriegsparteien verschossen wurde. Seine Warnung an die Schüler: Nichts aufheben, nichts anfassen, auch wenn ihr neugierig seid und wissen wollt, was für ein Gegenstand das ist, sagt er. Im Frage-Antwort-Spiel will Kahled von den Jungs wissen: Ist das hier gefährlich oder nicht gefährlich?
"Gefährlich", rufen die Schüler im Chor:
Nach rund 45 Minuten ist der Unterricht vorbei, die Schüler erzählen, was sie gelernt haben:
"Ich habe heute gelernt, von solchen Waffen die Finger wegzulassen."
"Ich werde das meinen Geschwistern und Eltern weiter sagen. Wenn ich was finde, dann rufen wir die Leute von Handicap International an."
"Das Zeug ist gefährlich, das nehme ich heute mit."
"Ich habe in der Wohnung von meinem Bruder eine Panzerfaustgranate gefunden. Wir haben eine Miliz angerufen. Die hat dann die Granate abgeholt."
"Ich wusste schon einiges von dem, was er uns erzählt hat. Wenn ich mal eine Granate oder so finde, dann werde ich sofort meine Eltern verständigen und die werden dann diese Organisation anrufen."
Der Direktor der Schule, der auch den Unterricht über Waffen und Blindgänger verfolgt hat, sieht diese Aufklärungsarbeit inzwischen als einen wichtigen Baustein der Schulerziehung:
"Wir wissen, die Kinder haben nach dem Krieg eine schlimme Zeit gehabt. Sie träumen teilweise noch immer von dem Erlebten. Wir sind dankbar, dass sich Handicap International um diese Kinder kümmert. Die Jungs und Mädchen nehmen diese Informationen aus dem Unterricht mit nach Hause und erzählen es ihren Familien. Eines ist klar, hier geht es ja um Leben oder Tod."
Chris Woodburne von Handicap International leitet das Projekt "Risk-Education" in Misrata. Der Südafrikaner ist hinsichtlich der Akzeptanz des Projekts in der Bevölkerung überrascht:
"Wir haben hier nur positive Rückmeldungen von den Menschen hier, wir gehen raus mit unseren Teams, sind direkt vor Ort, haben eine Hotline, die angerufen werden kann, wenn ein Blindgänger gefunden wird. Unsere Sprengstoffexperten kümmern sich dann darum. Man unterstützt uns hier schon sehr bei unserer Arbeit."
"Gefährlich", rufen die Schüler im Chor:
Nach rund 45 Minuten ist der Unterricht vorbei, die Schüler erzählen, was sie gelernt haben:
"Ich habe heute gelernt, von solchen Waffen die Finger wegzulassen."
"Ich werde das meinen Geschwistern und Eltern weiter sagen. Wenn ich was finde, dann rufen wir die Leute von Handicap International an."
"Das Zeug ist gefährlich, das nehme ich heute mit."
"Ich habe in der Wohnung von meinem Bruder eine Panzerfaustgranate gefunden. Wir haben eine Miliz angerufen. Die hat dann die Granate abgeholt."
"Ich wusste schon einiges von dem, was er uns erzählt hat. Wenn ich mal eine Granate oder so finde, dann werde ich sofort meine Eltern verständigen und die werden dann diese Organisation anrufen."
Der Direktor der Schule, der auch den Unterricht über Waffen und Blindgänger verfolgt hat, sieht diese Aufklärungsarbeit inzwischen als einen wichtigen Baustein der Schulerziehung:
"Wir wissen, die Kinder haben nach dem Krieg eine schlimme Zeit gehabt. Sie träumen teilweise noch immer von dem Erlebten. Wir sind dankbar, dass sich Handicap International um diese Kinder kümmert. Die Jungs und Mädchen nehmen diese Informationen aus dem Unterricht mit nach Hause und erzählen es ihren Familien. Eines ist klar, hier geht es ja um Leben oder Tod."
Chris Woodburne von Handicap International leitet das Projekt "Risk-Education" in Misrata. Der Südafrikaner ist hinsichtlich der Akzeptanz des Projekts in der Bevölkerung überrascht:
"Wir haben hier nur positive Rückmeldungen von den Menschen hier, wir gehen raus mit unseren Teams, sind direkt vor Ort, haben eine Hotline, die angerufen werden kann, wenn ein Blindgänger gefunden wird. Unsere Sprengstoffexperten kümmern sich dann darum. Man unterstützt uns hier schon sehr bei unserer Arbeit."
Ungezählte Schusswaffen
Ein weiteres Gefahrenpotenzial in Libyen sind Schusswaffen. Wie viele im ganzen Land, seit Ende des Aufstandes gegen Gaddafi, noch immer im Umlauf sind, ist unklar. Internationale Schätzungen gehen von bis zu einer Million aus. Obwohl die libysche Regierung seit Ende des Konflikts, im Herbst 2011, versucht, diese Waffen aus dem Verkehr zu ziehen, um so die Sicherheit für die Bevölkerung zu verbessern, ist die Gefahr nach wie vor immens hoch. In Abu Selim, einem der Stadtviertel der libyschen Hauptstadt Tripolis, befindet sich eines von zwei Notfallkrankenhäusern. In dem 500 Betten Hospital werden Patienten mit Schussverletzungen behandelt. In der Inneren Abteilung liegt Hussein Hassan. Ein 24- jähriger Libyer, der Ende Dezember rund 20 Kilometer südlich von Tripolis am frühen Abend angeschossen und schwer verletzt wurde:
"Es war draußen vor der Stadt. Zwei maskierte Typen mit Maschinenpistolen haben uns angehalten, sie wollten offenbar unseren Wagen klauen. Mein Kumpel ist abgehauen, dann haben sie angefangen auf uns zu schießen. Mich haben mehrere Kugeln getroffen – eine in den Bauch, zwei ins Bein. Wir hatten nichts mit denen zu tun. Wir kannten die nicht."
Hussein und sein Freund hatten vor, nur etwas einzukaufen. Wir wollten Spielzeug für meine Neffen besorgen, erzählt er, dann fielen wie aus dem Nichts die Schüsse. Zwei Operationen und mehrere Wochen Krankenhausaufenthalt hat der 24- Jährige bereits hinter sich. In einigen Wochen muss er sich erneut operieren lassen, am Magen. Obwohl die Polizei ihn und seinen Freund befragt hat, von den Tätern gibt es bislang keine Spur.
"Nein, die Polizei hat mit uns gesprochen, aber gefasst haben sie niemand."
"Es war draußen vor der Stadt. Zwei maskierte Typen mit Maschinenpistolen haben uns angehalten, sie wollten offenbar unseren Wagen klauen. Mein Kumpel ist abgehauen, dann haben sie angefangen auf uns zu schießen. Mich haben mehrere Kugeln getroffen – eine in den Bauch, zwei ins Bein. Wir hatten nichts mit denen zu tun. Wir kannten die nicht."
Hussein und sein Freund hatten vor, nur etwas einzukaufen. Wir wollten Spielzeug für meine Neffen besorgen, erzählt er, dann fielen wie aus dem Nichts die Schüsse. Zwei Operationen und mehrere Wochen Krankenhausaufenthalt hat der 24- Jährige bereits hinter sich. In einigen Wochen muss er sich erneut operieren lassen, am Magen. Obwohl die Polizei ihn und seinen Freund befragt hat, von den Tätern gibt es bislang keine Spur.
"Nein, die Polizei hat mit uns gesprochen, aber gefasst haben sie niemand."
"Wir brauchen noch viel mehr Sicherheit"
Einen Stock tiefer, in der Abteilung für Brustverletzungen wird ebenfalls ein junger Mann medizinisch versorgt. Auch auf ihn wurde geschossen, mitten in Tripolis:
"Wir sind zu einem Streit gerufen worden, haben uns darum gekümmert. Nachdem das Problem gelöst war, bin ich zu meinem Wagen zurück. Dann fielen Schüsse; eine Kugel hat mich im Rücken getroffen"
Milad Areby ist Mitglied einer Miliz, die in der libyschen Hauptstadt ihren postrevolutionären Dienst an Checkpoints versieht, für Ruhe und Ordnung sorgt. Der 19-Jährige wird künstlich beatmet. Eine Operation stehe ihm allerdings noch bevor, sagt er. Er hatte offenbar Glück im Unglück: gleich bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus konnten ihm die Ärzte Teile der Kugel entfernen und Entwarnung geben. Aus neurologischer Sicht werden wohl keine Einschränkungen zurückbleiben. Was ihn allerdings wütend macht, sagt Milad, ist die mangelnde Sicherheit. Noch immer sind zu viele Waffen im Umlauf, obwohl das Tragen in der Öffentlichkeit inzwischen verboten ist:
"Wir brauchen noch viel, viel mehr Sicherheit. Es ist einfach nicht genug. Erst wenn die Waffen von der Straße sind, kann es keine Probleme mehr geben. Mit der jetzigen Sicherheit bin ich nicht einverstanden."
Abdul Hany Turky ist leitender Internist und Spezialist für Thoraxverletzungen im Abu Selim-Krankenhaus. Immer wieder, so erklärt er, werden Menschen mit schwersten Schussverletzungen eingeliefert, die auch von unsachgemäßem Umgang mit Waffen herrühren:
"Eines der Opfer im Januar war eine junge Frau, die sich selbst angeschossen hat. Sie hat mit der Waffe herumgespielt oder wollte sie einfach nur reinigen, keine Ahnung. Zwei Kugeln haben ihre Leber und ihre Lunge getroffen. Sie kam erst sehr spät ins Krankenhaus. Unglücklicherweise konnten wir ihr nicht mehr helfen."
Die Zahl der Schießereien sinkt
Dennoch, so der Mediziner, sei die Zahl der Verletzten durch Schießereien oder Unfällen mit Waffen deutlich zurückgegangen. Im vergangenen Jahr habe man 85 Prozent weniger Fälle registriert, betont auch Krankenhausdirektor Ahmed Harram:
"Neulich hatten wir alle Ärzte während des Geburtstages des Propheten in Alarmbereitschaft, weil zu befürchten war, dass viele Verletzte mit Verbrennungen oder Schussverletzungen eingeliefert würden. Passiert ist nichts. Wir haben schon beobachtet, dass besonders die Verletzungen durch Waffen extrem zurückgegangen sind."
Nach Beobachtungen von Handicap International, deren Experten auch in der libyschen Hauptstadt präsent sind, hat sich die Zahl der Verletzten durch Schusswaffen im Großraum Tripolis 2012 keineswegs verringert, so Projektmanagerin Catty Smith:
"Wenn wir auf unsere Erhebungen schauen, müssen wir feststellen, dass allein im Januar 2012 160 Menschen in diesen beiden Krankenhäusern mit Schussverletzungen behandelt wurden. Im Februar war es etwas niedriger. In den darauffolgenden Monaten allerdings ging die Zahl deutlich nach oben und blieb bis zum Jahresende hoch."
"Neulich hatten wir alle Ärzte während des Geburtstages des Propheten in Alarmbereitschaft, weil zu befürchten war, dass viele Verletzte mit Verbrennungen oder Schussverletzungen eingeliefert würden. Passiert ist nichts. Wir haben schon beobachtet, dass besonders die Verletzungen durch Waffen extrem zurückgegangen sind."
Nach Beobachtungen von Handicap International, deren Experten auch in der libyschen Hauptstadt präsent sind, hat sich die Zahl der Verletzten durch Schusswaffen im Großraum Tripolis 2012 keineswegs verringert, so Projektmanagerin Catty Smith:
"Wenn wir auf unsere Erhebungen schauen, müssen wir feststellen, dass allein im Januar 2012 160 Menschen in diesen beiden Krankenhäusern mit Schussverletzungen behandelt wurden. Im Februar war es etwas niedriger. In den darauffolgenden Monaten allerdings ging die Zahl deutlich nach oben und blieb bis zum Jahresende hoch."
Krankenhausärzte behandeln über 1.700 Schussverletzungen
Über 1.700 Menschen mit zum Teil schwersten Schussverletzungen wurden in den beiden Krankenhäusern in Tripolis im vergangenen Jahr behandelt. Die Dunkelziffer derer, die in ganz Libyen angeschossen wurden, dürfte weitaus höher liegen. Nicht immer wurden oder werden die Verletzten gemeldet. Und auch nicht diejenigen, die getroffen wurden, die dann allerdings ihren schweren Verletzungen erlegen sind. Selbst die Vereinten Nationen haben darüber keine verlässlichen Zahlen. Es wird zwar einiges von der libyschen Regierung unternommen; es ist jedoch noch immer nicht genug, so Catty Smith:
"Handicap International hat immer wieder drauf hingewiesen und wir wollten vom libyschen Innenministerium auch wissen, was man gedenkt zu tun. Beispielsweise eine Waffenamnestie, wie im November vergangenen Jahres, als in Banghazi und Tripolis Tausende Waffen eingesammelt wurden. Das war zwar nur ein kleiner Teil der Waffen, die im Umlauf sind, aber es ist ein Anfang, damit sich die Menschen in Libyen wieder sicherer fühlen können."
Im libyschen Nationalkongress suchen Politiker nach einer Lösung. Man diskutiert derzeit über eine Gesetzesinitiative, mit der sich die allgemeine Sicherheitslage verbessert lässt. Geplant ist offenbar die Einführung von einer Art Waffenschein. Mithilfe einer solchen Regelung hofft man, zumindest mittel- und langfristig, einen Großteil der Waffen, die noch immer in Libyen im Umlauf sind, erfassen und deren tödlichen Gebrauch so unterbinden zu können.