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GAL sucht Führungskräfte

Ende Oktober wählen die Grünen in Hamburg einen neuen Parteivorstand. Die Basis ist mit ihren Chefs unzufrieden und fordert eine größere Beteiligung der Mitglieder.

Von Verena Herb |
    Sarrazin könnte helfen. Den Grünen in Hamburg. Es geht nicht darum, ob Deutschland sich abschafft, sondern wie die GAL es schafft, sich neu zu sortieren. Deshalb hoffen viele, dass er ja sagt und sich auf den Weg macht. Zurückkommt aus Berlin. Sarrazin. Aber nicht Thilo, sondern Manuel. Grüner Bundestagabgeordneter. Er könnte antreten gegen die bisherige Landeschefin beim nächsten Landesparteitag am 29. Oktober. Doch die will sich so einfach nicht geschlagen geben:
    Katharina Fegebank will erneut für das höchste Amt ihrer Partei in Hamburg kandidieren.

    "Wo fahren wir Attacke?"

    fragt die 34-Jährige – sie ist bereit für den parteiinternen Wahlkampf. Lange habe sie nachgedacht, ob sie sich noch einmal für das Amt bewerbe. Schließlich hat sie nicht nur einen Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Leuphana in Lüneburg, sondern ist auch Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft. Alles für die Grünen, alles für die Partei – Katharina Fegebank ist engagiert. Wirft deshalb ihren Hut nochmals in den Ring:

    "Ich will mich der Auseinandersetzung stellen. Vor allem will ich die Herausforderung, die jetzt auf die Grünen in der Opposition zu kommen, gerne annehmen. Und die GAL wieder zu einer schlagkräftigen und interessanten Partei in dieser Stadt zu machen."
    Langweilig und durchsetzungsschwach – so kommen die Grünen also derzeit daher, will man der Landesvorsitzenden glauben.

    "Enttäuschung, Wut, Frust…"

    haben sich in den letzten Monaten bei den Mitgliedern der Partei aufgestaut, sagt Katharina Fegebank. Enttäuschung, Wut und Frust nicht über das Aufkündigen des schwarz-grünen Bündnisses, das sei konsequent gewesen - aber darüber, wie sich die Partei in der Opposition aufgestellt hat: Still, zahm, kaum wahrnehmbar. Der Grund, so Katharina Fegebank: Die Partei ist

    "Inhaltlich ausgeblutet."
    Die traditionellen grünen Themen sind entweder mit Pauken und Trompeten gescheitert – so wie einst die Primarschulreform –, oder - wie die Elbvertiefung, der Umweltschutz, Erneuerbare Energien – von den anderen Parteien vor allem der SPD okkupiert.

    "Vor dem Hintergrund müssen wir da jetzt wieder neu ansetzen und gucken wohin wir wollen. Wir brauchen auch eine Fehleranalyse. Es sind ja auch nicht alle Projekte durchgekommen. Aber dafür haben wir jetzt ein bisschen Zeit und das werden wir sehr sorgfältig machen und dann werden wir auch die richtigen Schwerpunkte wieder setzen."
    Ist Anjes Tjarks zuversichtlich: 30 Jahre alt, Vater von drei Kindern, Referendar, Bürgerschaftsabgeordneter und Fegebanks Stellvertreter. Er wird sich nicht erneut zur Wahl stellen für den Landesvorstand. Viele GAL-ier begrüßen, dass das Duo Fegebank/Tjarks nicht mehr gemeinsam antritt. Es gibt einen Wunsch nach Veränderung. Wenn die beiden Jungpolitiker auf ihren Posten blieben, wäre das für viele kein Aufbruchssignal – alles würde wohl beim Alten bleiben. Doch das darf nicht sein.
    Derzeit versucht die Partei zu analysieren, was schief gelaufen ist in den vergangenen Monaten. Ungewohnt technokratisch wird ein "Aufarbeitungsprozess" forciert: Per Debatte in öffentlichen Online-Foren, aber auch in zahlreichen persönlichen Gesprächen. Doch manchem Mitglied reicht das nicht. Knut Edler zum Beispiel. GAL-Urgestein und selbst einst Parteichef hat gemeinsam mit 15 weiteren GAL-iern einen Antrag gestellt, der Ende Oktober beim Landesparteitag diskutiert wird. Die Kritiker prangern an, dass die Funktionäre sich von den Mitgliedern entfernt haben. Knut Edler:

    "Wir brauchen funktionierende Mechanismen, einer breiten Mitgliederbeteiligung an der politischen Gestaltung. Und die gibt es momentan faktisch nicht."

    Parteitage seien zu Inszenierungen für die Medien verkommen, die Basis werde nicht mehr in Entscheidungen eingebunden. Gar von "Führerkult", wie in anderen Parteien ist die Rede. Starker Tobak – gerade für eine Partei, die wie keine andere auf die Beteiligung der Bürger setzt. Anjes Tjarks, noch stellvertretender Parteichef:

    "Dieser Antrag ist nicht mein Antrag. Ich finde, er ist im Duktus überzogen und zum Teil auch in der Wortwahl."
    Klar ist: Der Antrag soll provozieren. Das Ziel ist erfüllt. Doch muss man sich die Frage stellen, warum ausgerechnet Till Steffen, der ehemalige Justizsenator unter Schwarz-Grün diesen Antrag mit unterzeichnet hat. Schließlich war er einst selbst Teil der Führungsriege, hat als Regierungsmitglied ganz oben mitgespielt. Viele vermuten, Till Steffen habe damit einfach seiner Unzufriedenheit Luft machen wollen: Einst Senator, ist er jetzt nur noch verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Hat die Kampfabstimmung zum Fraktionsvorsitz klar verloren: Zwar trauen einige dem Juristen zu, dass er die Partei nach einer Phase der Desorientierung wieder auf Spur bringen könnte – doch er selbst will das gar nicht: und begründet das mit der Trennung von Parteiamt und Mandat in der Bürgerschaft... so mancher vermutet jedoch, Steffen habe Angst vor einer weiteren Abstimmungspleite.
    Fakt ist: Die Grünen in Hamburg müssen sich neu aufstellen. Inhaltlich wie personell. Das weiß die Landesvorsitzende Katharina Fegebank am besten. Deshalb müssen Eitelkeiten einzelner zurück stehen.
    "Was jetzt nicht passieren darf in meinen Augen ist, dass man sich jetzt über Wochen und Monate nur mit sich selbst beschäftigt. Denn dann heißt es irgendwann: Die GAL braucht ihr gar nicht mehr zu fragen. Die sind in ihrem parteipolitischen Aufarbeitungsprozess. Und eigentlich auch gar nicht mehr zugänglich für die Probleme und Entwicklungen in der Gesellschaft."
    Derzeit gibt es wohl nur einen aussichtsreichen Kandidaten, der gegen Katharina Fegebank antreten könnte: Manuel Sarrazin, der vielversprechende grüne Bundestagsabgeordnete, der noch dazu über großes Ansehen im Landesverband verfügt. Er hat sich jedoch noch nicht endgültig entschieden, weiß er doch um seinen gravierenden Nachteil: er ist ein Mann. Zwei Männer an der Spitze von Partei und Fraktion, das wäre in der GAL wohl kaum durchsetzbar.