Freitag, 10. Mai 2024

Nach Übernahme
Galeria Kaufhof schrumpft weiter - Handelsexperten und Gewerkschaft Verdi skeptisch

Deutschlands letzter Warenhauskonzern macht erneut zahlreiche Filialen und seine Zentrale dicht. 16 der aktuell noch 92 Filialen sollen Ende August schließen. Viele Stellen werden gestrichen. Handelsexperten und die Gewerkschaft vermissen ein Zukunftskonzept.

28.04.2024
    Der Schriftzug "Galeria Kaufhof" auf dem Dach der Filiale der Warenhauskette Galerie Karstadt Kaufhof in Köln.
    Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus gab bekannt, dass Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bayern von den Schließungen besonders betroffen sind. Von den rund 12.800 Menschen, die das Unternehmen noch beschäftigt, sollen 11.400 ihren Job behalten. 1.400 werden laut Insolvenzverwalter gehen müssen, knapp ein Drittel davon sind Mitarbeiter in der Konzernzentrale in Essen. Der Unternehmenssitz soll in die Filiale Düsseldorf Schadowstraße umziehen.

    Diese Filialen schließen

    In Berlin werden die Filialen Ringcenter, Spandau und Tempelhof geschlossen, in Nordrhein-Westfalen Essen, Köln Breite Straße und Wesel - und in Bayern Augsburg, Regensburg Neupfarrplatz und Würzburg. Weitere Standorte die wegfallen sind in Chemnitz, Leonberg, Mainz, Mannheim, Oldenburg, Potsdam und Trier in der Fleischstraße.

    Sozialplan und Transfergesellschaft für Betroffene 

    Nach Angaben des Handelskonzerns wurden mit dem Gesamtbetriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart. Es sei unter anderem festgelegt worden, dass alle Betroffenen für acht Monate in eine Transfergesellschaft wechseln könnten, um sich auf dem Arbeitsmarkt zu orientieren. "Vor ein paar Wochen war die Angst vor dem Szenario einer Abwicklung von Galeria noch groß. Doch jetzt gibt es nochmal eine Chance für das Warenhaus", sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ettl. Dennoch sei die Betroffenheit der gesamten Belegschaft groß.

    Gute Jobchancen für Betroffene

    Nach Einschätzung des Online-Stellenportals Indeed sind die Jobaussichten für gekündigte Beschäftigte nicht schlecht. "Die betroffenen Angestellten aus dem Einzelhandel dürften voraussichtlich schnell einen neuen Job finden, denn die Nachfrage nach Arbeitskräften aus dieser Berufsgruppe ist aktuell trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage Deutschlands vergleichsweise hoch", sagte Arbeitsmarktexpertin Annina Hering von Indeed. Auf die rund 450 Mitarbeiter, die ihren Job in der Konzernzentrale verlieren würden, werde allerdings eine schwierigere Jobsuche zukommen. Der Markt für Bürojobs sei zuletzt zurückgegangen. 

    Städtetag zufrieden mit Erhalt der Standorte

    Der Deutsche Städtetag sieht den Erhalt von 76 Filialen als gute Nachricht für die Kommunen und die Mitarbeiter der Häuser. "Wir haben den Eindruck, dass mit diesem Neustart außerhalb der Signa-Gruppe jetzt wirklich eine Zeit nachhaltiger Konzepte für die Standorte beginnt", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Trotzdem seien es "bittere Nachrichten" für die Standorte, die nicht gerettet werden könnten.

    Handelsexperten und Gewerkschaft Verdi skeptisch

    Experte Johannes Berentzen von der Handelsberatungsfirma BBE zeigte sich skeptisch. Mit der Schließung der 16 Häuser seien die großen Herausforderungen der verbleibenden Häuser und des Galeria-Geschäftsmodells nicht gelöst. Es gehe um mehr Unternehmertum vor Ort, Investitionen in die Fläche, in Personal und in die Verknüpfung von Online- und Offlinewelt. 
    Handelsexperte Carsten Kortum sieht in der Schließung weiterer Häuser noch keinen "Befreiungsschlag" für den Handelskonzern. Bei Galeria gebe es einen Investitionsstau, da durch überhöhte Mieten Finanzmittel entzogen wurden. Bisher sehe es insgesamt eher nach einer Fortführung bisheriger Konzepte aus. Die Wende könne aber nur geschafft werden mit Investitionen in die Filialen und einem langfristig ausgerichteten Engagement, aber nicht mit kurzfristigem Renditedenken.
    Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte die erneuten Schließungspläne bei Galeria Karstadt Kaufhof scharf. "Jeder Standort, der geschlossen wird, führt zu einer weiteren Verödung unserer Innenstädte", sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer.

    Gläubiger entscheiden Ende Mai

    Der Warenhauskonzern hatte Anfang Januar einen Insolvenzantrag gestellt. Es ist die dritte Insolvenz innerhalb von dreieinhalb Jahren. Als Grund für die schwierige Lage nannte Galeria-Chef Olivier Van den Bossche damals unter anderem die Insolvenzen der Signa-Gruppe des bisherigen Eigentümers René Benko. Deren Schieflage hatte unmittelbare Auswirkungen: Finanzmittel für die Sanierung der Warenhauskette, die Benko im Zuge der vorherigen Insolvenz zugesagt hatte, flossen nicht mehr. 
    Seit Anfang April ist bekannt, dass ein Konsortium aus der US-Investmentgesellschaft NRDC und der Gesellschaft BB Kapital SA des Unternehmers Bernd Beetz die Kaufhauskette übernehmen will. Die zwischen Investoren und Galeria geschlossene Vereinbarung kommt nur zustande, wenn die Gläubiger zustimmen. 
    Diese Nachricht wurde am 27.04.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.