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Gamma Ray Bursts und die Supernova-Connection

Astronomie. - So genannte Gamma Ray Bursts sind intensive Ausbrüche von Gammastrahlen irgendwo im Kosmos - sie dauern bestenfalls wenige Minuten und sind die energiereichsten Explosionen im Weltall. Fast drei Jahrzehnte hatten die Astronomen keine Ahnung, was bei einem Gamma Ray Burst passiert. Nun sehen die Forscher etwas klarer, wie dieses gigantische kosmische Feuerwerk abläuft - und berichten darüber in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.

    Von Dirk Lorenzen

    Um Gamma Ray Bursts zu entdecken, sind die Astronomen auf die Hilfe von Satelliten angewiesen; denn unsere Erdatmosphäre blockiert die energiereichen Gammastrahlen. Derzeit hält der kleine Satellit HETE nach den enormen Explosionen Ausschau. Am 29. März hatte HETE wieder einmal einen Gamma Ray Burst erwischt - und der hatte es wahrlich in sich, erklärt Don Lamb, Chefwissenschaftler des Satelliten von der Universität von Chicago:

    Dieser Burst gehört zu den hellsten, die jemals beobachtet wurden! Die Gammastrahlen sieht nur HETE in der Umlaufbahn - aber nach so einem Burst gibt es ein langes Nachleuchten im "normalen" Licht, sozusagen das Verlöschen der Explosionswolke. Das haben wir und Kollegen in aller Welt wochenlang mit Großteleskopen beobachtet. Dabei haben wir bald klare Spuren einer Supernova entdeckt, also einer bestimmten Sternexplosion. Wir wissen jetzt, dass zumindest manche Bursts einfach enorme Sternexplosionen sind.

    Extrem massereiche Sterne explodieren am Ende ihres Lebens als Supernovae - für Astronomen etwas All-Tägliches, aber erst jetzt ist klar, dass Gamma Ray Bursts und Supernovae zwei Seiten derselben Medaille sind. Dieser Durchbruch gelang, weil der am 29. März entdeckte Burst so nah wie kein anderer war - was die Astronomen eben nah nennen...: Der Burst war gut zwei Milliarden Lichtjahre entfernt explodiert. Doch das war nah genug, um das Nachleuchten der Explosion besonders gut zu beobachten. Don Lamb verdeutlicht den Erfolg seines Satelliten mit einem Baseball-Vergleich:

    I would say, HETE hit a home run.

    Ein Home-run ist der bestmögliche Schlag - und dank HETEs Home-run haben die Astronomen nun eine recht klare Vorstellung davon, was bei einem Gamma Ray Burst passiert:

    Zunächst stürzt der extrem massereiche Stern in sich zusammen - dabei wird der Kern des Sterns zu einem Schwarzen Loch. Sobald das Schwarze Loch entstanden ist, bildet das weiter ins Innere stürzende Material eine sich rasend schnell drehende Scheibe - aus dieser Scheibe schießen senkrecht nach oben und unten riesige Materiefontänen heraus, so genannte Jets. Und diese Jets leuchten mit Gammastrahlung. Ein Gamma Ray Burst ist also der Geburtsschrei eines Schwarzen Lochs.

    Dies alles spielt sich innerhalb von nur wenigen Minuten ab. Das restliche Material des Sterns explodiert dann noch als Supernova, sozusagen als "normale" Explosion eines massereichen Sterns.

    Wie die Forscher jetzt wissen, leuchten Gamma Ray Bursts nicht wie eine nackte Glühbirne in alle Richtungen. Die Jets aus Materie und Strahlung sind wie Leuchtkegel. Zeigt einer dieser Kegel zufällig Richtung Erde, sehen die Astronomen, wenn das Licht Milliarden Jahre später endlich ankommt, einen Gamma Ray Burst.

    Gamma Ray Bursts passieren möglicherweise viel häufiger als wir es sehen. Wir registrieren etwa einen Burst pro Tag. Aber diese Lichtkegel scheinen nur ganz schmal zu sein. Zeigt so ein Lichtkegel nicht genau in unsere Richtung, sehen wir den Burst nicht. Mit den neuen Ergebnissen von HETE zeichnet sich nun ab, dass wir nur einen von etwa 100.000 Gamma Ray Bursts wirklich sehen.

    Das ist fast schon tragisch für die Astronomen: Offenbar zündet ständig irgendwo im All ein Gamma Ray Burst, aber nur ganz selten bekommen die Forscher davon etwas mit. Einziger Trost: Der nächste Burst kommt bestimmt - wer weiß, vielleicht sieht der HETE-Satellit gerade jetzt wieder einen Gamma-Blitz und wird so Zeuge, wie in den Tiefen des Weltalls ein Schwarzes Loch entsteht.