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Gammelfleisch auf dem Dönerspieß

Im bayerischen Wertingen flog vor vier Jahren eine Firma wegen Gammelfleisch-Verkaufs auf. Heute findet der Prozess gegen die drei Hauptangeklagten statt. Für zwei von ihnen werden Bewährungsstrafen bis zu zwei Jahren erwartet.

Michael Watzke im Gespräch mit Britta Fecke | 18.05.2011
    Britta Fecke: Es ist schon fast vier Jahre her, als ein Lastwagenfahrer die Behörden alarmierte, weil er sah, wie in einer Fleischfabrik Schlachtabfälle umetikettiert wurden. In dieser Fabrik in Wertingen sollen so tonnenweise Schlachtabfälle fälschlich als genusstaugliches Fleisch deklariert worden sein, das dann an einen Berliner Döner-Hersteller geliefert wurde. Erst heute wird der Prozess gegen den Fleisch- und Wurstfabrikanten aus Wertingen und zwei seiner Geschäftspartner fortgesetzt. - Mein Kollege Michael Watzke war heute Früh im Augsburger Landgericht. Herr Watzke, was wird den drei Männern denn konkret vorgeworfen?

    Michael Watzke: Sie sollen 150 Tonnen Fleisch in den Umlauf gebracht haben, das nicht für den Verzehr geeignet war. So lautet die Anklage. Das war K3-Fleisch, also größtenteils Schlachtabfälle. Die drei Männer sollen die Etiketten entfernt haben und Dokumente gefälscht haben, um zu verschleiern, woher das Fleisch kam. Sie haben das Fleisch für rund 50 Cent pro Kilo gekauft und es dann für 1,10 Euro verkauft, also mit mehr als 100 Prozent Gewinnspanne. Abnehmer waren vor allem Berliner Fleischverarbeiter, die Döner-Spieße herstellen, die aber wohl - so haben jedenfalls die Ermittlungen der Polizei festgestellt - davon meistens nichts wussten.

    Auf einen der drei Männer kommen noch weitere Vorwürfe zu. Er soll gegen gewerberechtliche Bestimmungen verstoßen haben. Da erwartet ihn noch ein weiterer Prozess und das bedeutet, er hat eine schlechte Sozialprognose und deshalb könnte ihn dort eine längere Haftstrafe erwarten, denn das ist ein bisschen das Problem der Justiz in diesem Verfahren: die Strafen in Ekelfleisch- oder Gammelfleisch-Verfahren sind eher gering.

    Fecke: Wann wird denn überhaupt ein Urteil erwartet?

    Watzke: Für zwei der Angeklagten möglicherweise noch heute. Sie erwarten Bewährungsstrafen bis zu zwei Jahren. Im Fall des Wertinger Fleischhändlers Wolfgang L., des dritten im Bunde und eigentlich des Kopfes der ganzen Sache, da wird es länger dauern, denn der hat am Wochenende - so sagt es jedenfalls sein Anwalt - einen leichten Herzinfarkt erlitten, konnte deshalb heute nicht am Gerichtsprozess teilnehmen. Das Gericht hat das Verfahren heute abgetrennt und ausgesetzt, es soll im Juni fortgesetzt werden, wenn Wolfgang L. wieder gesund ist.

    Fecke: War das Fleisch, um das es damals vor vier Jahren ging, nur ungenießbar, oder war es eine tatsächliche Gesundheitsgefährdung?

    Watzke: Das ist gar nicht so einfach zu klären. Es gibt unterschiedliche Aussagen. Der Anwalt von Fleischhändler Wolfgang L. sagt, das Fleisch sei juristisch kein Gammelfleisch, sondern Ekelfleisch gewesen. Juristen machen da wirklich einen Unterschied. Das Fleisch sei also absolut genussfähig gewesen, unabhängig davon, wie es roch oder aussah. Es sei nämlich lediglich in einem Kühlhaus gelagert worden, das kein Zertifikat der EU hatte. Das sei also ein bürokratisches Problem und kein gesundheitliches.

    In der Anklageschrift steht ein bisschen was anderes. Da steht, die 150 Tonnen Fleisch, die die Polizei beschlagnahmt und untersucht hat, die stammten teilweise von kranken Tieren, die Kühlkette war teilweise unterbrochen, das Fleisch war verkeimt, es roch "muffig und stinkig". So jedenfalls hat ein Abnehmer in Berlin das gesagt. Der hat dann auch den Geschäftskontakt zur Firma Wertfleisch in Bayern abgebrochen.

    Eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung für den Verbraucher, die bestand wohl tatsächlich nicht. Das behauptet auch die Staatsanwaltschaft nicht. Jedenfalls ist sie nicht feststellbar gewesen.

    Fecke: Wurden seit diesem sogenannten Döner-Skandal die Lebensmittelkontrollen verschärft?

    Watzke: Ja! Es ist einiges passiert. Ich kann natürlich jetzt nur in erster Linie für Bayern sprechen, und Lebensmittelkontrollen sind Ländersache. Das ist in jedem Bundesland sicherlich anders gehandhabt worden. In Bayern hat es tatsächlich einige Konsequenzen gegeben. Es hat auf der normalen Ebene der Lebensmittelüberwacher eigentlich wenig mehr Personal gegeben, auch wenn der bayerische Gesundheitsminister das behauptet. Da gab es Fluktuationen, aber keine besonders großen Neueinstellungen. Aber es gibt eine Spezialeinheit Lebensmittel, die ist angesiedelt am Landesamt für Lebensmittelsicherheit in Nürnberg, 30 Menschen, die wirklich durch Bayern ziehen und ganz gezielt bei Verdacht und manchmal aber auch so schwerpunktmäßig Überprüfungen machen, und die haben wohl tatsächlich dazu geführt, dass da auch eine gewisse Angst herrscht in der Branche und man sehr, sehr vorsichtig ist. Das hat tatsächlich was gebracht. Hessen hat wohl eine ähnliche Einrichtung und ansonsten ist es weiterhin so: ein Kontrolleur in Deutschland ist zuständig für 700 bis 2.000 Betriebe, und da können die Kontrollen natürlich teilweise nicht sehr eng sein.

    Fecke: Nun gab es ja eine Kontrolle, eine persönliche Kontrolle durch diesen LKW-Fahrer. Was ist aus dem geworden?

    Watzke: Der hat heute Morgen am Gericht ausgesagt, und es ist fast eine ein bisschen traurige Geschichte. Heute ist er arbeitslos. Er ist im Jahr 2009 von seiner Firma, einer Spedition, entlassen worden, ohne Angabe von Gründen, wie er sagt. Er hat zwar eine Geldsumme als Abfindung bekommen, aber man hat ihn wohl deshalb entlassen, weil er einen unausgesprochenen Code in der Branche gebrochen hatte, nämlich auszupacken, und das hat ihm niemand verziehen. Er hat bis heute keinen neuen Arbeitgeber gefunden.

    Fecke: Vielen Dank für diese Details an Michael Watzke. Er berichtete vom Döner-Skandal im Augsburger Landgericht.

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