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Ganz heiß

Bücher zum Thema Klimawandel füllen inzwischen in den Buchhandlungen ganze Regalbretter. Man könnte denken, dass eigentlich alles gesagt ist, aber immer wieder gibt es neue Versuche, sich dem Thema zu nähern. Die freie Wissenschaftsjournalistin Gabrielle Walker und der Chemiker David King, der zwischen 2001 und 2007 oberster wissenschaftlicher Berater der britischen Regierung war, haben nun ein in Teilen nützliches, in Teilen zu stark vereinfachendes und zu gewollt optimistisches Buch vorgelegt.

Von Dagmar Röhrlich | 15.06.2008
    In drei leicht verständlich geschriebenen Abschnitten stellen sie die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimaproblems vor, technische Lösungen und politische Maßnahmen. Vor allem mit letzterem widmen sich die beiden Autoren einer sehr verzwickten und komplexen Materie. Im Kampf gegen die Erwärmung setzen die Autoren vor allem auf das Energiesparen, und wenn es um die Energieerzeugung geht, dann ist es der Ausbau der Erneuerbaren und die Kernenergie. Sie soll für eine Übergangszeit helfen, schnell unsere Emissionen zurückzufahren. Von Anpassungsstrategien an den Klimawandel hält das Duo anscheinend nicht viel. Sie müssten, da ohnehin unvermeidlich, nicht extra gefördert werden.

    Im politischen Teil erklären sie, dass kleine Maßnahmen jetzt in der Zukunft große Früchte tragen werden. Es ist billiger, heute in den Klimaschutz zu investieren, als später die Schäden zu bezahlen. Das ist ganz im Sinne des von ihnen hoch geschätzten "Stern Reports" aus dem Jahr 2006, den die britische Regierung in Auftrag gegeben hatte. Mit der heftigen fachlichen Kritik anderer Ökonomen, die Nicholas Stern wegen verfehlter wirtschaftlicher Grundannahmen und übertriebener Schadensprognosen angegriffen haben, setzen sich die Autoren nicht ernsthaft auseinander: Sie wollen den Leser auf ihre Seite zu ziehen.

    Das geht, wie bei jeder Streitschrift, auf Kosten einer fairen Abwägung. Die Autoren scheuen die Auseinandersetzung Emissionsminderung kontra Anpassungsstrategien und fordern stattdessen, dass die Industrieländer ohne Rücksicht auf die Kosten ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 senken müssten.

    Obwohl auch ihrer Meinung nach das Kyoto-Protokoll kein optimales Instrumentarium zur Bekämpfung des Klimawandels ist, setzen sie sich doch für eine unkritische Umsetzung ein. Die Kohlendioxid-Minderung hat für Walker und King absolute Priorität. Mit ein paar Grafiken zeigen sie, dass es mit ein bisschen gutem Willen, ein paar Windturbinen und Erdgas statt Kohle einfach ist, die Emissionen in den Griff zu bekommen – ein Kinderspiel. So muss es natürlich auch erscheinen, damit Menschen ihnen glauben und für ihre Sache kämpfen.

    Dadurch wirkt ihr Überzeugungsbuch oft gezwungen optimistisch, manchmal fast naiv in seinem Machbarkeitsglauben. Auf jeden Fall wird es die Herren in der Chefetage von Westinghouse freuen. Ihr noch nie gebauter Reaktor AP1000 wird hier als Teil der Lösung unserer Klimaprobleme angeführt.

    Der interessanteste und nützlichste Teil des Buches ist der Überblick über die vielfältigen Strategien, die von den Nationen in den vergangenen Jahren entwickelt worden sind, um ihre Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Diese Übersicht macht klar, wie schwer der Kampf um ein erträgliches Klima in der Zukunft werden wird, und wie weit die politischen Positionen der einzelnen Länder noch auseinandergehen. Der UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen verspricht unendliche Diskussionen.

    Gabrielle Walker und David King: Ganz heiß. Die Herausforderungen des Klimawandels
    ISBN 978-3-8270-0766-7
    Berlin Verlag, 319 Seiten, 22,90 Euro