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Ganz neue Töne für PC-Anwender

Goldgräberstimmung herrscht derzeit offenbar auf dem derzeit eher von Schwarzkopierern beherrschten Online-Musikmarkt. So kündigte Apple Anfang vergangener Woche einen eigenen Musikdienst an und wenig später zog der Streaming-Spezialist Realnetworks mit einem ähnlichen Angebot nach. Im Gegensatz zu Onlinetauschbörsen haben diese Vorhaben allerdings bessere Aussichten, von der Musikindustrie wohlwollend betrachtet zu werden.

    Wie viele inzwischen verblühte Startups lernen mussten, ist es nicht leicht, mit Inhalten für das Internet harte Währung zu verdienen. Aussichtsreiches Betätigungsfeld wäre dagegen die Vermarktung von Schlagern über das World Wide Web, wie die Geschichte der Musiktauschbörsen a la Napster eindrucksvoll belegt. Jetzt aber gehen nicht virtuelle Nobodies, sondern gestandene IT-Profis die Herausforderung an: Apple kündigte in der vergangenen Woche einen entsprechenden Internetdienst an und RealNetworks reagierte darauf mit massiven Preissenkungen sowie Verbesserungen der eigenen Dienstleistungen, wie etwa das direkte Brennen von Musik-CDs am heimischen PC sowie die Übertragung von MP3-Titeln auf entsprechende Abspielgeräte. Aus gutem Grund, lockt doch ein lukratives Geschäft, meint auch RealNetworks-Gründer Rob Glaser: "Die sofortige Verfügbarkeit von Musiktiteln ist eine wichtige Neuerung, die unser Medium in einzigartiger Weise vorantreibt. Vergangenes Jahr haben wir gesehen, dass die Auslieferung von digitalen Inhalten rasant wächst. Über eine Milliarde Songs wurden für unsere Real Jukebox heruntergeladen und abgespielt." Erst im April übernahm RealNetworks mit Rhapsody eine eigene Vertriebsplattform und passte sodann seine Real-Technologie den Erfordernissen von Online-Musik entsprechend an. Beispielsweise wurde mit der Einbindung des File Transfer Protocol (FTP) eine sehr schnelle Verbindung in das Real-Paket integriert.

    Mit Spannung erwarten Experten, wie die Musikindustrie auf solche Engagements reagiert. Bislang attackierte sie etwa Onlinetauschbörsen mit rechtlichen Maßnahmen sowie harten Blockadeangriffen. Dazu unterstrich Glaser, dass im Gegensatz zu Napster über Rhapsody Musiktitel nicht getauscht werden könnten. Vielmehr zahlten die Benutzer ein Abonnement sowie einige Cent pro Schlager. Auch würde mit der neuen Plattform ein echtes Urheberrechte-Mangement auf den heimischen PCs Einzug halten. Daher scheint eine Absage seitens der Musikbranche eher unwahrscheinlich. Diese Aussichten wiederum beflügeln die Absichten weiterer Unternehmen, in die Boombranche einzusteigen. So übernahm auch die pikanterweise mit CD-Brennprogrammen groß gewordene Firma Roxio nach Napster jetzt auch mit dem ehemaligen Sony-Angebot "Pressplay" eine bekannte Vertriebsplattform und kündigte die baldige Wiederauferstehung des Dienstes an. Auch hierin sehen Insider ein zunehmendes Zusammenspiel von Musik- und Internetbranche, das Streitigkeiten unwahrscheinlich machen dürfte.

    Dabei stehen nicht allein die Gassenhauer der Top-Ten im Visier der Musikhändler. Auch von Hörbüchern und -spielen versprechen sie sich reißenden Absatz. So betrug ihr Anteil am Audiomarkt immerhin rund 30 Prozent in den vergangenen zwei Jahren. Selbst der Zweig der Independent- und Homeproducer wird nicht außer Acht gelassen. So sicherte sich Adobe, bekannt durch sein proprietäres Dokumentensystem, jetzt die weit verbreitete Audio-Technologie "Cool Edit Pro" von Syntrillium. Inwiefern der populäre Mehrspureditor in der Adobe-Familie seine eigene Identität wahren kann und seine Anhänger weiterhin bindet, ist allerdings noch offen.

    [Quelle: Peter Welchering]