Laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels sind derzeit rund 6000 Titel auf dem Markt, und der geschätzte Umsatz der Hörbuchproduzenten belief sich 1999 auf 70 bis 120 Millionen Mark. Verglichen mit den 90000 Titel und den 18 Milliarden Mark, die jährlich fürs bewährte Buch über den Ladentisch gehen, sind die Zahlen aus dem Hörbuchgeschäft natürlich wenig beeindruckend. Aber neben jenen des vielbeschworenen Internet-Buchhandels, dessen Gesamtumsatz auf 140 Millionen Mark geschätzt wird, machen sie sich schon ganz gut. So gut jedenfalls, dass sich längst nicht mehr nur idealistische Kleinverleger um die Gunst der wachsenden Hörerschaft bemühen. Die Grossverlage Suhrkamp, Carl Hanser und Kiepenheuer & Witsch beispielsweise taten sich bereits 1993 mit fünf weiteren Verlagshäusern zusammen und gründeten den Münchner HörVerlag. Dank Bestsellern wie "Sofies Welt" und "Der Name der Rose" und dank einem sorgfältig durchdachten Werbekonzept hat sich dieses Gemeinschaftsunternehmen mittlerweile als Marktführer etabliert. Auch Verlage wie Hoffmann und Campe, Heyne oder Eichborn präsentieren seit einigen Monaten ihre eigenen Hörbuchreihen. Sie
Alle vermarkten ihre Audio Books nicht einfach als weitere Buchreihen, sondern betreiben massgeschneiderte Hörbuch-Werbung. Die neue Vermarktungsstrategie ist der eine Grund für den aktuellen Hörbuch-Enthusiasmus, der andere eine Zauberformel aus den USA: "Double your time", zu Deutsch: "Verdopple deine Zeit". Gemeint sind damit Kombinationen wie Bügeln mit Goethe, Kochen mit Montaigne oder Joggen mit Donna Leon. Ein Knopfdruck genügt, und das Hörbuch verleiht selbst der profansten Tätigkeit einen kulturellen Mehrwert.
Wer mit der klassischen Lesung nicht zufrieden ist, findet inzwischen eine Menge Alternativen. Das Angebot reicht von Hörspielen über Features bis hin zu historischen Aufnahmen. Insbesondere der Audio Verlag, eine Kooperation zwischen dem Berliner Aufbau Verlag und verschiedenen Deutschen Rundfunkanstalten, pflegt Formen, zu denen es keine Buchvorlagen gibt. Zurückgegriffen wird hier auf das Originalton-Material, das bislang in den Archiven der Sender brach gelegen hat. Auch der Müncher Hörbuch-Verlag hat unter dem Titel "Zur Sache" eine Subreihe gegründet, die aus diesem Fundus schöpft und so schöne Editionen wie eine eine mehrteilige Originalton-Chronik Deutschlands ermöglicht, basierend auf einer Feature-Reihe des Hessischen Rundfunks.
Einer der originellsten und innovativsten Verlage unter den zahlreichen Neugründungen ist der Kein & Aber Verlag in Zürich. Die Spezialität von Kein & Aber sind Eigenproduktionen mit Pfiff. Während sich die allermeisten Hörbuchverlage auf das kreative Potential im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verlassen, setzt das Kein & Aber-Team auf eigene Ideen. So entstanden etwa die Weltuntergangsgeschichten von T.C. Boyle, untermalt mit speziell für diese CD komponierter Musik. Mit "Harry Rowohlt liest Winnie the Poo" hält Kein & Aber auch den den absoluten Hörbuch-Verkaufsrekord: in über 150'000 Exemplaren hat sich Rowohlts Interpretation des "schönsten Buchs der Welt" verkauft. Rowohlts Rauch- und Guinness-geprägtes Organ ist auch auf "Killoyle" von Roger Boylan zu hören - einer irischen Farce, die kein Klischee ausläß.
Der Kein & Aber Verlag hat auch ein Problem gelöst, mit dem sich andere noch immer plagen: die Sache mit dem Vertrieb. Im Gegensatz zu den meisten deutschen Hörbuch-Verlagen verteibt Kein & Aber seine Produkte nämlich nicht nur über den Buchhandel, sondern zusätzlich über den Tonträgerfachhandel. Das heisst, "Winnie the Poo" und "Killoyle" sind auch in Musikgeschäften zu haben und erreichen damit eine weitere Käuferschicht. Diese Strategie dürfte sich bald herumsprechen. Solange die Vorlage stimmt, kann ein Hörbuchproduzent bei Autoren-oder Schauspielerlesungen eigentlich nicht viel falsch machen. Hörspielbearbeitungen von Literatur sind hingegen heikler, weil kostenträchtiger und größere Regieerfahrung voraussetzend. Hier dürfte auf absehbare Zeit kaum ein freier Produzent mit dem Knowhow des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konkurrieren können. So hat sich der Hörbuchmarkt inzwischen zwar vom Mauerblümchen zum Hätschelkind der kommerziellen Verlage entwickelt, doch wer aufs Impressum achtet, merkt rasch, daß es sich bei den allermeisten Produktionen lediglich um Konserven der vergänglichen Kunst von Radiomachern handelt.
Die Hörbuchhandlung "Buch und Ton" befindet sich am Neumarkt 24, 8001 Zürich, Telefon 01/260 60 50, Fax 01/260 60 52. Informationen und Bestellungen auch über Internet: http://www.buchundton.ch, E-mail: audiobooks@buchundton.ch