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Ganzer Körper als Auge

Biologie. - Die Natur ist dem menschlichen Erfindungsgeist in den meisten Fällen haushoch überlegen. Das haben jetzt auch Nanotechnologen der Bell Laboratories im US-amerikanischen Murray Hills erfahren und in der aktuellen Ausgabe von "Nature" dokumentiert. Sie fanden bei urtümlichen Schlangensternen perfekt angeordnete optische Linsensysteme, die alle Instrumente der Telekommunikationsindustrie alt aussehen lassen.

    Schlangensterne gehören zu den eher urtümlichen Bewohner der Meere. Doch die Tiere haben ihr aus Calciumcarbonat bestehendes Außenskelett in ein perfektes Ganzkörperauge umgewandelt. "Wir waren sehr überrascht dass die Oberfläche des Skeletts mit einzelnen halbkugeligen Elementen bedeckt war, die wirklich so aussahen wie einzelne fotografische Linsen", berichtet Joanna Aizenberg von der Abteilung für Nanotechnologie der Bell Labs. Was die Wissenschaftler des auf Kommunikationstechnologie spezialisierten Forschungszentrums noch mehr frappierte, war die Größe dieser Linsen. Sie waren gerade einmal 20 Tausendstel Millimeter groß. Aizenberg: "Die moderne Industrie träumt davon, Linsen dieser Größe herzustellen." In einfachen Belichtungsexperimenten entdeckte Aizenberg, dass die Linsen das Licht auf einen Punkt fünf Mikrometer unterhalb der Linse fokussierten. Dort sitzt beim lebenden Schlangenstern ein Bündel Nervenfasern, das auf Lichtänderungen reagiert.

    Die Schlangensterne haben darüber hinaus noch ein perfekt auf Helligkeitsänderungen reagierendes Filtersystem. Farbstofftragende Zellen schützen die Linsen vor zu starker Lichteinstrahlung während des Tages. In der Nacht wird der Farbstoff zurückgezogen, die Lichtbündelungsfähigkeit der Linsen verstärkt sich dadurch. "Die Sterne haben also ein perfekte Anordnung optischer Linsen, die ein Filtersystem besitzen, dessen Blenden genau auf die richtigen Positionen ausgerichtet sind, und die auch noch so ausgerichtet sind, dass sie sich nicht gegenseitig stören und abnutzen", erklärt Aizenberg bewundernd. Die Telekommunikationsforscher hoffen, von den Schlangensternen lernen zu können, effizientere Bauteile für die optische Datenkommunikation zu entwickeln. Eine einfache Übertragung der Schlangenstern-Linsensysteme in die Bauteile ist leider nicht möglich.

    [Quelle: Klaus Herbst]