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Gar nicht so umweltfreundlich

Umwelt. – Die Betreiber von Windkraftanlagen treffen an Land auf zunehmenden Gegenwind. Immer weniger Betroffene wollen die Propellerwälder in ihrer Nähe dulden. Doch der Ausweg aufs offene Meer ist zumindest in der flachen und ohnehin schon angeschlagenen Ostsee ebenfalls problematisch. Geschickt platziert könnten die Windparks die Wasserzirkulation des fast völlig von den Weltmeeren abgeschotteten Meeres beeinträchtigen.

    Von Volker Mrasek

    30 Anträge für Wind-Kraftwerke in der deutschen Nord- und Ostsee liegen bis heute vor. Die Planer konkurrieren um die letzten freien Flächen in Küstennähe. Erneuerbare Energie hin oder her - eine Existenz-Chance haben die flügelschlagenden Offshore-Anlagen längst nicht überall.

    Beispielsweise gab es 'mal Pläne für die Ostsee, wo auf der Oderbank so 'was errichtet werden sollte. Da dies aber - allseits anerkannt - ein mittelschwerer maritimer Garten Eden für die Ostsee ist, haben wir den Antragstellern gesagt: Also bitte, dort scheint es uns doch sehr aussichtslos zu sein, ein Projekt weiterzuverfolgen. Und dem ist man / auch nachgekommen.

    Christian Dahlke leitet das Rechtsreferat im Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie in Hamburg. Das BSH muss die Offshore-Windparks genehmigen. Dahlke erlebt deshalb wie kein anderer die vielen widerstrebenden Interessen: Naturschützer wollen die Propeller aus Schutzgebieten 'raushalten; Tourismus-Manager dulden sie nur weit hinterm Horizont, Fischer nur außerhalb ihrer Fanggründe und die Marine nur abseits ihrer Übungsgebiete.

    Jetzt melden auch noch ostdeutsche Meeresforscher Bedenken gegen die geplanten Rotoren-Wälder an. Manche von ihnen könnten den Wasseraustausch zwischen Nord- und Ostsee beeinträchtigen, glaubt der Ozeanograph und Physiker Hans Ulrich Lass vom Institut für Ostseeforschung in Warnemünde:

    Also, ein Teil der Anlagen ist geplant östlich von Fehmarn. Nächste kritische Stelle ist auf alle Fälle schon im Bereich der Darßer Schwelle. Zwischen Rügen und Bornholm, dort ist dann auch wieder eine Bank, die so genannte Roennebank, von deutscher Seite auch ,Adlergrund' genannt. Und an dessen Nordhang ist auch ein Windpark geplant. Und der steht dann auch voll im Ausbreitungspfad des einströmenden Salzwassers.

    Mehrmals im Winter-Halbjahr erhält die Ostsee eine Infusion. Salz- und sauerstoffreiches Tiefenwasser strömt dann aus der Nordsee in das Binnenmeer ein. An der Oberfläche fließt gleichzeitig salzarmes Brackwasser in Richtung Atlantik ab. Der Austausch vollzieht sich nicht etwa großräumig. Sondern, wie Lass sagt, auf eher schmalen "Verbindungsstraßen", nur wenige Kilometer breit.

    Wenn Windkraft-Anlagen zu Hunderten in den Belüftungsschlitzen platziert werden, dann könnte sich die Zirkulation abschwächen, fürchtet der Forscher. Im Kielwasser jedes einzelnes Mastes komme es nämlich zu Verwirbelungen. Salz- und Brackwasser, normalerweise übereinander geschichtet, vermischten sich dadurch. Lass:

    mit dem Effekt, dass also hinter diesen Hindernissen das einströmende Salzwasser einen geringeren Salzgehalt, ein geringeres Gewicht hat, als wenn diese Hindernisse nicht vorhanden wären. Der Einzelmast hat jetzt also natürlich nur eine minimale Wirkung. Aber die summiert sich zumindest auf, und dann haben wir natürlich eine 100fache Wirkung, wenn man also alle Masten in Rechnung stellt, die geplant werden.

    Die möglichen Folgen aus der Sicht von Lass:

    Das Salzwasser dringt ja weiter in die tiefen Ostseebecken vor, erneuert dort das Tiefenwasser und bringt den Sauerstoff. Und da das Wasser dann durch den Verlust an Salz, durch die künstlichen Hindernisse, leichter geworden ist, wird es sich dann nicht mehr in größere Tiefen einschichten, sondern im Mittel geringere Tiefen nur belüften.

    Das würde bedeuten: Der Sauerstoff-Nachschub aus der Nordsee erreicht die tiefen Ostseebecken nicht mehr. Heute noch gut belüftete Wasserschichten werden plötzlich sauerstofffrei und damit lebensfeindlich. Das bekommen Fischarten wie der Dorsch zu spüren. Denn sein Laich entwickelt sich unter solchen Bedingungen nicht mehr. So weit das mögliche Szenario für die Zukunft.

    Lass spricht von einer Arbeitshypothese, die aber strömungstheoretisch gut begründet sei. Der Genehmigungsbehörde empfiehlt er, sie zu prüfen. Dazu bräuchte es weitere Studien im Computer, auf See oder auch im Strömungskanal.