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Gastprofessorinnen
Aus der Wirtschaft in die Wissenschaft

Wie soll in Zukunft gelernt, wie gearbeitet werden? Die TU Berlin beschäftigt weibliche Führungskräfte aus der Wirtschaft als Gastprofessorinnen, um das herauszufinden. Das Programm soll nicht nur der TU, sondern auch den Frauen neue Impulse geben.

Von Anja Nehls | 30.09.2019
Dr. Kornelia Freitag, Professorin für Amerikanistik, hält am Montag (17.10.2011) in einem Hörsaal der Ruhr-Universität in Bochum eine Vorlesung der Amerikanistik. Foto: Fabian Stratenschulte dpa/lnw | Verwendung weltweit
Der Anteil von Professorinnen an der Uni soll durch Gastprofessuren von weiblichen Führungskräften aus der Wirtschaft erhöht werden. (picture alliance/dpa)
Studentin Julia Schlütsmeier-Hage sortiert gelbe Klebezettel mit Stichpunkten auf einem großen Din A3 Blatt. Dass dabei am Ende ein – zumindest theoretisch – völlig neu gestalteter Campus herauskommen könnte, ist nicht auf den ersten Blick zu sehen:
"Das Projekt zielt ja eigentlich darauf ab, zu überlegen, wie man den Campus als Lernort besser gestalten kann. Und wenn wir wissen, wer auf dem Campus wie agiert und welche Bedürfnisse hat, dann können wir uns überlegen, was muss man eigentlich anbieten."
Das Projekt ist Thema eines Blockseminars an der Technischen Universität Berlin, das sich an Studierende aller Fachrichtungen wendet. Katja Ninnemann hat sich das Thema ausgedacht. Für ein Jahr ist die studierte Architektin Gastprofessorin an der TU. Eigentlich arbeitet sie für die Stiftung Rehabilitation Heidelberg:
"Das heißt, ich gucke dort, wie sollen wir in Zukunft lernen, wie wollen wir in Zukunft arbeiten, welche Arbeitsumgebung brauchen wir. Mich interessiert, wie verändern sich Lernräume durch neue Arbeitsbedingungen, neue Technologien oder neue Erkenntnisse in der Lernforschung."
Programm holt Frauen aus der Wirtschaft an die Uni
Und darum will sie sich jetzt zusammen mit den Studierenden der TU kümmern. Mit dem Programm "Joint Programmes" holt die TU seit zwei Jahren weibliche Führungskräfte aus der Wirtschaft für bis zu ein Jahr an die Uni. Neue Impulse soll es dabei für die Uni und die Frauen gleichermaßen geben. Katja Ninnemann hat ihr Thema, das sie auch in der Stiftung beschäftigt, gleich mitgebracht und es bereits jetzt geschafft, ihre Seminarteilnehmer für "Corporate Learning Architecture" und den Lernort Campus zu begeistern, das hänge auch mit dem Praxisbezug zusammen, sagt Julia Schlütsmeier-Hage :
"Zum Beispiel, wenn man als Student in der Gruppe arbeiten möchte, im Moment ist es auf dem Campus schwierig, eine Sitzgelegenheit zu finden, wo man sich gegenüber sitzt oder wo man z.B. seinen Laptop mit einer Steckdose verbinden kann. Und wenn man sowas rausfindet, kann man überlegen, wo müssten die sein, sind die eher bei den Instituten oder mitten auf der Rasenfläche, oder braucht man vielleicht einen Wetterschutz mit einer Überdachung?"
Anderer Lehransatz wird positiv aufgenommen
Am Blockseminar von Katja Ninnemann nehmen Studierende der Fachrichtungen Urban Design, Landschaftsarchitektur oder Lehramt teil. Das Interdisziplinäre ist der Professorin auf Zeit wichtig. Da die Zahl der Teilnehmer nicht so hoch ist, ist die Betreuung sehr intensiv. Und dass ihr Ansatz sich von dem andere Lehrender unterscheidet, findet Studentin Nora Sulbach eher positiv:
"In meiner Masterarbeit setze ich mich halt mit Schulen auseinander, und immer wieder ist die Frage auch von der Stadt, wie so ein Bildungs- oder Lernort aussieht. Und was sie macht, ist eben nicht, vorzugeben, wie er auszusehen hat, sondern an einem Ort erstmal zu analysieren, was dem überhaupt fehlt und dann sich fragen, was der Ort denn braucht."
Katja Ninnemann bereitet bereits jetzt eine große Konferenz an der TU vor, in der es um organisatorische Strukturen gehen soll, die die Campusentwicklung unterstützen können. Der Austausch mit Wissenschaftlern und Studierenden aus anderen Ländern und aus anderen Fachrichtungen reizt sie dabei besonders:
"Es ist eine Chance, nochmal rauszukommen aus der Praxis, aus der Wirtschaft. Also ich bin total dankbar, denn für mich ist es eine unheimliche Chance, mich auszuprobieren, nochmal eine andere Perspektive einzunehmen, das Thema Lehre mitzunehmen, weil Forschung und Praxis kenne ich und das in die Lehre nochmal einzubringen. Die Sache direkt mit Studierenden nochmal diskutieren zu können ist einfach extrem wertvoll."
Neue Wege bei der Suche nach Gastprofessorinnen
Der Technischen Universität Berlin geht es mit dem Programm auch darum, neue Wege bei der Rekrutierung von Gastprofessorinnen zu beschreiten, und mal zu beobachten, ob dieser Weg auch geeignet sein könnte, irgendwann mehr Frauen für reguläre Professuren zu gewinnen. Für Katja Ninnemann geht es nach ihrem Jahr an der Uni allerdings erstmal wieder zurück in die Wirtschaft.