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Gaswäsche für Dampfer-Schwaden

Technik. - Von Flugzeugen und Satelliten aus sind sie deutlich auszumachen: Abgasfahnen entlang der Schifffahrtsrouten, oft hunderte von Kilometern lang. Denn Schiffe blasen ihre Abgase ungefiltert in die Luft. Abhilfe verspricht ein neues Verfahren aus England – ein Abgasreiniger für Schiffe, der mit Meerwasser funktioniert.

Von Frank Grotelüschen |
    Möwen kreischen, sanft plätschern Wellen gegen die Kaimauer. Die Fähre hat gerade abgelegt und verschwindet allmählich am Horizont. An sich eine Szene, die Fernweh weckt und Seefahrer-Romantik verströmt. Aber:

    "Eine Autofähre, wie sie über den Ärmelkanal fährt, stößt genauso viel Schwefeldioxid aus wie eine halbe Million Lastwagen","

    sagt Chris Leigh-Jones, Geschäftsführer von Krystallon, einem Schiffszulieferer aus Littlehampton in England. Aus zwei Gründen sind Schiffe ausgesprochene Umweltsünder: Zum einen fahren sie mit billigem, schwefelhaltigem Schweröl, einem Abfallprodukt der Raffinerien. Wird es in den Schiffsmotoren verbrannt, entsteht schädliches Schwefeldioxid. Zum anderen hat – im Gegensatz zu Autos und Kraftwerken – kaum ein Dampfer einen Abgasfilter an Bord. Auf unseren Weltmeeren ist das gesetzlich einfach noch nicht vorgeschrieben. Eine Entwicklung, die Chris Leigh-Jones gar nicht behagt. Also hat er sich vorgenommen, das Abgas aus den Schiffsschloten zu reinigen – und hat eine Technik weiterentwickelt, wie sie in küstennahen Fabriken und Kraftwerken angewendet wird: die Gaswäsche mit Hilfe von Meerwasser.

    ""Wir haben diese Technologie so modifiziert, dass sie auf ein Schiff passt. Sie filtert die Abgase von der Hauptmaschine, aber auch von den Hilfsaggregaten. Damit können wir fast das gesamte Schwefeldioxid beseitigen und etwa 80 Prozent des Feinstaubs."

    Das Prinzip: Die Schiffsabgase werden mit frischem Seewasser in Kontakt gebracht. Dieses Seewasser enthält Calciumsalze, und die können das Schwefeldioxid im Abgas regelrecht neutralisieren. Der Schwefel wird dabei als Calciumsulfat gebunden – im Prinzip nichts anderes als Gips. Nach Passieren einer Reinigungsstufe kann das gipshaltige Abwasser getrost zurück ins Meer geleitet werden, sagt Leigh-Jones. Denn Meerwasser enthalte sowieso Calciumsulfat, und dieser natürlichen Konzentration würde der neue Abgasreiniger kaum etwas hinzufügen.

    "Wir nehmen nicht etwa die Schadstoffe aus der Luft und pumpen sie einfach ins Meer. Nein, wir wandeln diese Schadstoffe erst in harmlose Substanzen um und leiten sie dann erst ins Meer. Dass unsere Methode umweltfreundlich ist, hat eine Studie gezeigt: Demnach richten weder das Abwasser noch das gereinigten Abgas ökologische Schäden an."

    Aus dem Schornstein kommen statt dicker Rußschwaden nur noch feine Rauchfähnchen. Bislang hat Krystallon zwei Schiffe mit Prototypen des Gaswäsche-Verfahrens ausgerüstet. Vor kurzem hat die Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO das Verfahren zugelassen, noch in diesem Jahr soll es zu Preisen von zwei bis drei Millionen Dollar auf den Markt kommen. Ab 2020 aber, so will es die IMO, sollen Schiffe nur noch mit schwefelarmem Treibstoff fahren dürfen, mit Diesel. Ist damit das Gaswäsche-Verfahren überflüssig? Nein, meint Leigh-Jones.

    "Diesel ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, um Schadstoff-Emissionen zu mindern. Aber es ist nicht die endgültige Antwort."

    Denn sollten alle Schiffe auf Diesel umsteigen, dürften die Raffinerie-Kapazitäten knapp und der Diesel für Pkw und Lkw teuer werden. Da sei es doch wirtschaftlicher, auch künftig mit Schweröl zu fahren, sagt Chris Leigh-Jones – allerdings nur mit effektiver Abgasreinigung.