Donnerstag, 28. März 2024

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Gaza-Jericho-Abkommen
Der gescheiterte Friedensprozess in Nahost

25 Jahre nach dem Gaza-Jericho-Abkommen scheint ein möglicher Frieden im Nahen Osten in weite Ferne gerückt. Der Friedensprozess scheiterte auch an den Geburtsfehlern des Vertrages. Die angestrebte Zwei-Staaten-Lösung ist aktuell nicht in Sicht.

Von Ina Rottscheidt | 03.05.2019
PLO-Chef Jassir Arafat und Israels Ministerpräsident Jitzchak Rabin reichen sich nach der Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens am 4. Mai 1994
PLO-Chef Arafat und Israels Ministerpräsident Rabin nach der Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens im Jahr 1994 (PATRICK BAZ / AFP)
"Guten Abend, meine Damen und Herren! Der Weg zur Selbstverwaltung der Palästinenser im Gazastreifen und in Jericho ist frei. Israels Ministerpräsident Rabin und PLO-Chef Arafat besiegelten heute mit ihren Unterschriften das Autonomieabkommen."
Es sollte ein historischer Augenblick werden: Der 4. Mai 1994. Über 2000 Gäste aus aller Welt waren nach Kairo gereist, darunter die Außenminister Russlands und der USA. Monatelang hatte man um die Inhalte des Abkommens gerungen.
Dann: Unruhe im Saal. Jassir Arafat, Vorsitzender der palästinensischen Befreiungsorganisation und Verhandlungsführer für die Palästinenser, zögert. Er weigert sich, die Landkarten zu unterzeichnet, die zu dem Abkommen gehören.
40 Minuten ziehen sich alle noch mal zurück. Am Ende unterschreibt Arafat dann doch, allerdings mit einer Reihe handschriftlicher Anmerkungen und verkündet:
"Nach vielen Jahren der Gewalt müssen wir nun den Mut zum Frieden finden. Nur mit einem gerechten Frieden können wir es schaffen, zusammenzuleben und gemeinsam etwas Neues aufzubauen."
Für Israel setzt Premierminister Jitzchak Rabin seine Unterschrift unter das Abkommen. Der erste von vielen Schritten auf dem Weg zum Frieden, verkündet er:
"Das, von dem Sie alle hier Zeuge geworden sind, ist nur die Spitze des Eisbergs der Probleme, die wir überwinden müssen, um die Absichtserklärung umzusetzen. 100 Jahre Feindseligkeit, Misstrauen und Blutvergießen zu überwinden, ist nicht so einfach. Und es gibt viele, die das, was wie hier heute machen, verurteilen. Es verlangt beiden Seiten viel ab, dass wir irgendwann ein friedliches Miteinander erreichen."
Hoffnung auf Frieden in Nahost
Damit war das Gaza-Jericho-Abkommen - auch Kairoer Abkommen genannt - besiegelt: 27 Jahre, nachdem Israel im Sechs-Tage-Krieg das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem erobert hatte, schien erstmals eine Lösung des Konfliktes in Sicht: Israel sollte sein Militär aus Gaza und der Region um die Stadt Jericho abziehen, die Palästinenser sollten in den folgenden Jahren eine Autonomiebehörde aufbauen und schrittweise mehr Verantwortung für Verwaltung und Sicherheit übertragen bekommen. Erstmals bekamen die Palästinenser damit ein selbst zu verwaltendes Gebiet zugesprochen. Frieden und ein eigener palästinensischer Staat schienen in greifbarer Nähe.
Jitzchak Rabin (li.) und Jassir Arafat (re.) reichen sich in Washington die Hand anlässlich der Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens, in der Mitte US-Präsident Bill Clinton
Jitzchak Rabin und Jassir Arafat mit US-Präsident Bill Clinton in Washington (imago images / UPI / Leighton Mark)
Das Gaza-Jericho-Abkommen ist Teil des Osloer Friedensprozesses, der ein halbes Jahr zuvor angestoßen wurde: Am 13. September 1993 verkündete US-Präsident Bill Clinton in Washington einen "Durchbruch" in den Nahost-Friedensverhandlungen. Ein Bild ging um die Welt: Im Rosengarten des Weißen Hauses reichen sich Israels Ministerpräsident Jitzchak Rabin und Palästinenserführer Jassir Arafat die Hände. Außenminister Shimon Peres, der damals die Verträge für die israelische Seite unterzeichnet, sagt:
"Das ist eine Revolution: Gestern ein Traum - heute eine Verpflichtung. Die Israelis und die Palästinenser, die sich seit fast einem Jahrhundert bekämpft haben, besitzen jetzt die Größe, entschlossen den Weg von Dialog, Verständnis und Kooperation zu beschreiten."
Kein Friedensvertrag, aber eine Erklärung von Absichten und Prinzipien, die zuvor monatelang in der norwegischen Stadt Oslo im Geheimen ausgehandelt worden waren: Erstmals erkennen die Palästinenser das Existenzrecht Israels an und schwören der Gewalt ab, der jüdische Staat auf der anderen Seite erkennt die PLO als Vertreterin des palästinensischen Volkes an und verspricht, sich schrittweise aus den 1967 besetzten Gebieten zurückziehen. "Land gegen Frieden" lautete die Formel. Zeitgleich sollen die Palästinenser eine Selbstverwaltung aufbauen. Am Ende sollen zwei eigenständige Staaten stehen, das ist die Vision.
Ein Jahr später bekommen Arafat, Rabin und Peres dafür den Friedensnobelpreis. Das Gaza-Jericho-Abkommen vom 4. Mai 1994 war die erste konkrete Umsetzung dieser Osloer Prinzipienerklärung. Als Jassir Arafat dann einige Monate später - am 1. Juli 1994 - erstmals nach jahrzehntelangem Exil nach Gaza reiste, war dort der Jubel groß. Bei seiner Ankunft küsste der Palästinenserführer den Boden, die Menschen feierten ihn wie einen Helden.
Von Anfang an gab es aber auch erbitterte Kritiker auf beiden Seiten: Bei den Palästinensern war von "Schmach" und "Erniedrigung" die Rede. Vom Verrat an der palästinensischen Sache. Auf israelischer Seite protestierten Siedler, die sich schon längst in den besetzten Gebieten niedergelassen hatten, und Nationalreligiöse, die den Anspruch auf die Gebiete aus der Bibel ableiten. Auf den Straßen Israels wurden Rabin-Puppen verbrannt, und Plakate zeigten den Ministerpräsidenten in Nazi-Uniform. Ein Likud-Abgeordneter stellte sich damals an die Spitze der Bewegung: Benjamin Netanjahu. Tausende Gegner trommelte er zu Demonstrationen zusammen:
"Die Menschen in Israel wollen echten Frieden und das bedeutet Sicherheit und ein Frieden, auf den sie vertrauen können mit einem Partner, dem sie vertrauen können. Sie glauben den Versprechen nicht. Das ist kein richtiger Frieden, sondern ein vorgetäuschter."
Dann der Tag, der das ganze Land erschüttern sollte. Und den Friedensprozess grundsätzlich veränderte: Es ist der 4. November 1995. Mehrere hunderttausend Israelis haben sich im Zentrum Tel Avivs versammelt, es ist eine der bislang größten Friedensdemonstrationen des Landes. Rabin und Peres stehen mit Musikern auf der Bühne. Die Stimmung ist euphorisch; gemeinsam singen sie die Hymne der Friedensbewegung. Dann der Schock: Schüsse auf Minsterpräsident Jitzchak Rabin.
Einige Stunden später vermelden die Nachrichten: Rabin ist seinen Verletzungen im Krankenhaus erlegen. Der Täter: Ein orthodoxer Jude.
Ein weinender Araber vor dem Porträt von Jitzchak Rabin am 6. November 1995, dem Tag des Begräbnisses des ermordeten israelischen Ministerpräsidenten
Trauer um die Ermordung von Rabin - der Anfang vom Ende des Oslo-Prozesses (MANOOCHER DEGHATI / AFP)
Mit Rabins Tod schwinden auch die Hoffnungen auf Frieden im Land. Niemand hatte bis dahin so glaubwürdig für das Prinzip "Land gegen Frieden" gestanden wie er. Sein Nachfolger Shimon Peres vermag die Stimmung im Land nicht mehr zu drehen. Ein halbes Jahr später gewinnt Benjamin Netanjahu die Wahlen und wird erstmals Ministerpräsident.
Zeitgleich nimmt die Gewalt zu. Israel weitet den Bau von jüdischen Siedlungen im Westjordanland aus. Im Jahr 2000 bricht die Zweite Intifada aus, wöchentlich gehen fortan Busse in die Luft, palästinensische Selbstmordattentäter reißen Hunderte von Menschen mit sich in den Tod. Mit dem Thema "Sicherheit" lassen sich jetzt Wahlen gewinnen - und niemand profitiert davon so sehr wie Benjamin Netanjahu.
Warum ist das, was so hoffnungsvoll mit einem Handschlag zwischen Erzfeinden in Washington begann, gescheitert? Die Antwort darauf ist nicht einfach:
"Die Idee von Oslo war die einer vertrauensbildenden Maßnahme über mehrere Jahre hinweg", erklärt Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
"Die Idee scheint ja auch ganz vernünftig zu sein. Was sich aber gezeigt hat, dass in dieser Übergangsphase der Prozess anfällig für die Feinde des Oslo-Abkommens ist. Es gab auf beiden Seiten starke Gegner der Idee einer Kompromisslösung, einer Teilung in ein palästinensisches und ein israelisches Gebiet, und diese Gegner gewannen während dieser fünfjährigen Übergangsphase Auftrieb."
Geburtsfehler des Oslo-Prozesses
Das Vertrauen, das während der Verhandlungen mühsam aufgebaut worden war, bröckelte nun mit jedem neuen Siedlungsbau und mit jedem Terroranschlag.
Zudem waren in Oslo die zentralen Streitpunkte nicht angefasst worden: Soll Jerusalem geteilt werden? Wo soll die Grenze zwischen den beiden künftigen Staaten verlaufen? Haben die palästinensischen Flüchtlinge ein Rückkehrrecht? Und was passiert mit den jüdischen Siedlungen? Das Aufschieben dieser Fragen sei der große Mangel des Abkommens gewesen, sagt der Politikwissenschaftler Lintl:
"Diese wurden ausgeklammert auf eine Zeit nach Oslo und schwebten damit quasi immer über den Dingen, und die Gegner konnten sie instrumentalisieren und sagen: Das wollen wir alles nicht!"
Zugleich spielten beide Seiten nicht mit offenen Karten: Niemals hat etwa die PLO das Abkommen von Oslo ratifiziert. Israel seinerseits überwies Gelder nicht und zog sich nicht zu verabredeten Terminen aus Gebieten zurück. Arafat wiederum ließ Zweifel daran, dass er es wirklich ernst meinte: Das Osloer Friedensabkommen sei nicht mehr wert als der Vertrag, den der Prophet Mohammed einst mit den Juden geschlossen habe, erklärte der Palästinenserführer 1994 bei einem Besuch in Johannesburg. Mohammed brach den Vertrag später. Peter Lintl mit einem Erklärungsversuch:
"Beide Seiten standen unter massivem innenpolitischen Druck. Nach außen hin mussten sie immer den guten Willen zeigen und auf der anderen Seite mussten sie die Gegner beruhigen. Auf der israelischen Seite war man zum Teil in Koalitionen mit Gegnern des Friedensprozesses, und auf der palästinensischen Seite hat Arafat auch ein Stück weit um sein Überleben gekämpft."
Zwei-Staaten-Lösung von den Akteuren nicht gewollt
25 Jahre und zahlreiche Verhandlungsrunden, Friedensinitiativen, eine Intifada und mehrere Gaza-Kriege später gibt es weder einen unabhängigen palästinensischen Staat, noch ist ein Ende der Gewalt absehbar.
"Es sind zurzeit an der Macht, sowohl in Israel, als auch in der palästinensischen Autonomie, Kräfte, die die Zwei-Staaten-Lösung nicht wollen."
So lautet die Bilanz von Rudolph Dressler. Der SPD-Politiker war von 2000 bis 2005 deutscher Botschafter in Israel. Einen eigenen palästinensischen Staat kann er sich unter den aktuellen Bedingungen nicht vorstellen. Nicht nur, weil die Palästinenser seit der Machtergreifung der radikal-islamischen Hamas 2007 im Gazastreifen gespalten sind und der Raketenbeschuss von dort seither Alltag im israelischen Grenzgebiet ist. Sondern auch, weil Israel - vor allem unter Benjamin Netanjahu - niemals aufgehört hat, weiter Siedlungen zu bauen:
"Er hat die Westbank mit Siedlungen so zugeklascht, dass man wissen muss, dass dieses Gebiet überhaupt nicht staatlich regierbar ist, weil nicht lebensfähig."
Mittlerweile gibt es über 130 jüdische Siedlungen im Westjordanland und zwischen 90 und 100 Außenposten, die selbst nach israelischem Recht mehrheitlich illegal sind.
Nirgendwo ist die Fragmentierung des Westjordanlandes so offensichtlich wie in Hebron, mit 200.000 Einwohnern eine der größten Städte im Westjordanland, rund 30 Kilometer südlich von Jerusalem.
"Wir sind hier in Hebron, neben dem Abrahamsgrab, und wir gehen hier über eine so genannte 'sterilisierte Straße', eine Straße, auf der sich Palästinenser nicht bewegen dürfen. Israelis und Ausländer ja, aber Palästinenser nicht."
Frima Bubis führt durch das Zentrum der alten Stadt. Die ehemalige Soldatin deutet auf Geschäftshäuser, die verriegelt sind. In den Eingängen türmen sich Müllberge. Es ist fast menschenleer, nur ab und zu schiebt sich ein schweres Militärfahrzeug durch die engen Straßen.
"Das Zentrum Hebrons ist eine Geisterstadt geworden. Wir sprechen von über 1.800 Geschäften, die geschlossen wurden oder zu machen mussten, weil keiner mehr kam. 42 Prozent der Gebäude sind verlassen, viele sind weggezogen. Hebron ist heute eine leere Stadt, mit hoher Armut und viel Militär. Und mit Siedlern, die sich verhalten, als würde dieser Ort ihnen gehören."
Verlassene Straße in Hebron an der Stelle des früheren Obst- und Gemüsemarkts
Geisterstadt Hebron an der Stelle des früheren Obst- und Gemüsemarkts (CHRISTINA SCHWAHA / APA / www.picturedesk.com)
In Hebron leben rund 800 Siedler unter 200.000 Palästinensern. Regelmäßig kommt es zu gegenseitigen Attacken. An Hauswänden in der Stadt stehen Schmierereien: "Tod den Arabern" steht da. Und: "Araber ins Gas!". 1994 ermordete ein radikaler Siedler betende Muslime in der Moschee. Der palästinensische Aktivist und Menschenrechtler Issa Amro wurde selbst schon angegriffen:
"Selbst in deinem eigenen Haus greifen sie dich an. Einer der Siedler kam hier rein, hat mich ins Gesicht geschlagen, mich getreten, während ich versucht habe, ihn rauszuschmeißen. ICH wurde dafür verhaftet. Zum Glück haben wir alles gefilmt und ich konnte beweisen, dass ich ihn nicht angegriffen habe, sondern dass er mich angegriffen hat. Aber bestraft wurde er nicht."
Hebron wurde 1997 in zwei Zonen eingeteilt, eine unter palästinensischer Verwaltung, die andere kontrolliert vom israelischen Militär. Doch auch das brachte der Stadt keine Ruhe. Pufferzonen wurden ausgeweitet, heute gibt es Straßen, auf denen Juden fahren und Araber nur zu Fuß gehen dürfen. Manche Gassen sind für Siedler passierbar, für Palästinenser aber komplett gesperrt.
"Das hier ist Apartheid, denn es gibt Straßen, wo du nach deiner Religion gefragt wirst. Und wenn ich ihnen sage, dass ich Muslim bin, dann kann ich nur eine bestimmte Straßenseite benutzen und als Jude könnte ich in der Mitte laufen, wo Palästinenser keinen Zugang haben. Und das, obwohl ich hier geboren bin und das meine Stadt ist."
Hebron ist eine der ältesten Städte der Welt. Der Überlieferung nach liegen hier Abraham, seine Frau Sara sowie Isaak und Jakob begraben. Auch deshalb erheben die Siedler Anspruch auf die Stadt.
Elyakim Haetzni ist Siedler-Aktivist und lebt in der Siedlung Kiryat Arba bei Hebron. Er gibt den Palästinensern die Schuld, dass das Zusammenleben nicht funktioniert. In einem Interview mit einem israelischen Fernsehsender sagt er, sie seien es, die ständig angriffen. In einem palästinensisch verwalteten Staat sehe er für sich keinen Platz mehr:
"Sie sagen doch, dass sie nicht bereit seien, auch nur einen Juden in ihrem künftigen Staat zu akzeptieren. Das sind ihre Vorbedingungen, Mahmud Abbas sagt das bei jeder Gelegenheit. Das sind Nazi-Parolen, dieser Palästinenser-Staat soll - um es mit dem Nazi-Ausdruck zu bezeichnen - 'judenrein' sein."
So stehen sich zwei Weltsichten gegenüber. Unvereinbar.
Netanjahu - Profiteur der Gewalt
Nicht alle Siedler im Westjordanland sind national-religiös motiviert. Viele nutzen einfach günstigen Wohnraum und die von der Regierung subventionierte Infrastruktur. Doch mit jeder Siedlung schrumpft die Chance der Palästinenser, jemals einen eigenen Staat zu haben. Mittlerweile leben mehrere hunderttausend Israelis im Westjordanland. Und diese Siedlungen werden auch nicht aufgegeben, verkündet erst vor wenigen Wochen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu - kurz vor den Parlamentswahlen in Israel - in einem Fernsehinterview:
"Ich werde einer Teilung Jerusalems niemals zustimmen, ich werde keine einzige Siedlung räumen und ich werde dafür sorgen, dass wir die Kontrolle über das Territorium westlich des Jordans behalten. Wir werden israelische Souveränität ausweiten. Und ich unterscheide da nicht zwischen den Siedlungen und den kleinen Außenposten, als israelische Regierung haben wir die Verantwortung für alle."
Damit will er vor allem seine potentiellen Koalitionspartner der nationalistischen und streng-religiösen Parteien mit ins Boot holen - auch, um sich mittels einer weiteren Amtszeit vor Strafverfolgung zu schützen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Korruption. Die Einschätzung des ehemaligen deutschen Botschafters Rudolph Dressler:
"Und dieses wird bedeuten, dass er die Gewalt, die sich daraus ergibt, einkalkuliert und duldet, weil er glaubt, mit dieser Gewalt zurechtzukommen."
Regierungschef Netanjahu begrüßt in der Wahlnacht seine Anhänger
Israels Regierungschef Netanjahu: Profiteur der Gewalt (AFP/Thomas Coex)
Netanjahu hat immer von Gewalt profitiert. Sie gibt ihm die Möglichkeit, sich als Sicherheits-Garant darzustellen. Und die Zwei-Staaten-Lösung habe er niemals ernsthaft gewollt, davon ist Dressler heute überzeugt. Nichts anderes lasse die Bilanz seiner vergangen zehn Jahre als Ministerpräsident zu:
"Muss man ja dann mal rückblickend fragen: Was hat er denn mit den Möglichkeiten des Osloer Abkommens, des Gaza-Jericho-Abkommens gemacht? Mit der Philosophie, die sich dahinter verbarg? Da komme ich zu dem Ergebnis: Das Gegenteil von der Ermöglichung einer Zwei-Staaten-Lösung. Er wollte es in Wirklichkeit auch gar nicht."
2015 hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Verträge in einer Rede vor der UNO als gegenstandslos erklärt. Doch seine Position ist schwach: Seit über zehn Jahren hat der Palästinenserpräsident keine Wahlen mehr zugelassen. Eine demokratische Legitimität hat er damit nicht mehr. Unter ihm wucherten Filz und Vetternwirtschaft in der Autonomiebehörde. Und im Gaza-Streifen hat Abbas gar nichts zu sagen: Dort herrscht seit 2007 die Hamas.
Selbst wenn die Israelis wollten: Mit wem sollten sie verhandeln? Und warum, so fragen sie, sollten sie mit einer radikalen Gruppierung verhandeln, die noch nicht einmal ihr Existenzrecht anerkennt und unter der der Raketenbeschuss aus Gaza alltäglich geworden ist? Israel hält den Küstenstreifen seitdem abgeriegelt.
Oslo-Prozess gilt als gescheitert
Ein Vierteljahrhundert nach dem historischen Händedruck ist kaum noch etwas von der Hoffnung auf Frieden und eine Zweistaatenlösung übrig. Es gibt viele Gründe, warum die Skeptiker des Oslo-Prozesses Recht behielten und dieser heute als gescheitert gelten muss. Dressler ist überzeugt:
"Jedes Mal, wenn ein Licht im Tunnel erschien, dann gab es Kräfte auf beiden Seiten, die genug Knüppel in die Hände genommen haben, um die Lampen wieder auszulöschen."
Niemand der aktuellen politischen Akteure - weder die Hamas, noch Netanjahu, noch Abbas, und auch nicht US-Präsident Donald Trump - sind, so scheint es, derzeit an einer Zwei-Staaten-Lösung interessiert. Wenn man es positiv formulieren wolle, so Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik, dann könne es nur besser werden:
"Ich habe das Gefühl, wir haben derzeit wirklich einen Tiefpunkt erreicht, wesentlich schlechter können die Konstellationen nicht werden, d.h. ich ziehe daraus meine Hoffnung." Und der Diplomat Dressler bringt es auf eine knappe Formel, der wohl derzeit die meisten Beobachter zustimmen würden: "Das ist das Projekt Hoffnungslosigkeit."