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Geangelt, gefahren und geschossen wird getrennt

Gemeinsam sind wir stark - dieses Motto ist oft der Grund, warum sich Vereine und Verbände unter einem Dachverband vereinigen. Auch im Sport ist das der Fall. Nur drei Sportarten gibt es, die auch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung auf ihre Selbstständigkeit beharren.

Von Jens Weinreich |
    Der Deutsche Olympische Sportbund DOSB hat gestern auf einer Feierstunde in Hannover an den Beitritt der ostdeutschen Landessportbünde im Dezember 1990 erinnert. Er betrachtet sich als Dachverband aller Spitzenverbände und aller im Verein Sport treibenden Menschen in Deutschland. Das stimmt nur fast, denn was kaum jemand weiß: Es gibt drei Sportarten und ihre Verbände in Deutschland, die sich bis heute noch nicht vereinigt haben. Das sind die Angler, Motorsportler und Bogenschützen.

    Da wären zunächst die Angler. Geangelt wird in Deutschland noch getrennt. Bisher dominiert der Verband Deutscher Sportfischer (VDSF) im Westen und der Deutsche Anglerverband (DAV) im Osten. Wobei beide Landesverbände in allen Himmelsrichtungen haben. Beide Präsidenten sind übrigens Ostdeutsche: Peter Mohnert aus Naunhof bei Leipzig im VDSF - und Günter Markstein aus Parchim im DAV.

    Eine Arbeitsgruppe hat die Fusion vorbereitet, jetzt handeln die Präsidien Details aus, 2012 soll der gesamtdeutsche Angelfischerverband (DAFV) entstehen. Und die Angler haben längst das große Ganze im Blick, wie Günter Markstein sagt:

    "Wir haben festgestellt, dass die Zeit ran ist, sich doch zusammenzuschließen, um gemeinsam da mit einer Stimme aufzutreten. Wir müssen europaweit agieren. Die Globalisierung schreitet fort. Ich glaube, jeder vernünftige Mensch sieht ein, dass ein Zusammenschluss unter diesen Bedingungen, die wir heute haben, sicherlich sehr sehr sinnvoll ist."

    Die anderen beiden Verbände aus dem Osten, die sich bisher nicht angeschlossen oder fusioniert haben, werden weiter eigenständig bleiben: der Allgemeine Deutsche Motorsport-Verband (ADMV) und der Deutsche Bogensportverband (DBSV).

    Warum der ADMV sich nicht vereinigt hat, erklärt Präsident Hartmut Pfeil aus Basdorf, einem Ortsteil von Wandlitz:

    "Üblicherweise gab es ja immer einen Ost- und einen Westverband als Dachverband, die sich dann vereinigt haben. Im Motorsport war es so, dass dem ADMV mindestens vier andere Verbände gegenüber standen und lediglich die Frage auftauchte, welchen von den vieren er sich anschließen könnte. Die Motorsportler im ADMV waren aber auch froh, dass Restriktionen weggefallen sind mit der Wiedervereinigung, und wollten erst mal was Eigenes machen. Das war sozusagen der Wille unserer Mitglieder, unserer Klubs, und deshalb hat der ADMV auch beschlossen, einen eigenen Weg im gemeinsamen Deutschland zu gehen."

    Diesen Weg geht man bis heute. Im Westen dominiert der Deutsche Motorsportbund (DMSB) mit seinen drei mächtigen Trägerverbänden ADAC, AVD und DMV. Relativ unübersichtlich, das Ganze. Der ostdeutsch geprägte ADMV gehört zwar dem DMSB an, will aber unabhängig bleiben.

    "Wir versuchen immer wieder Zusammenarbeit zu organisieren. Aber die wird ja oft brüsk zurückgewiesen, vom Großen Gelben, sage ich jetzt mal, gibt es da schon ganz böse Geschichten. Aber wir bleiben tapfer und werden auch weiter auf dieser Strecke versuchen, für Breitensport, für bezahlbaren Motorsport uns einzusetzen."

    Bleibt noch der dritte Separatistenverband, auch wenn die Sportfreunde aus dem Deutschen Bogenschützenverband (DBSV) das nicht gern hören. Ihr Verhältnis zum westdeutsch geprägten Deutschen Schützenbund (DSB) ist doch ziemlich angespannt. Präsident Wolfgang Kalkum aus Petershagen bei Berlin sagt:

    "Der Deutschen Bogensportverband ist ein eigenständiger Verband, ein demokratischer Verband. Und die Mitglieder unseres Verbandes möchten auch ihre Eigenständigkeit behalten. Wenn wir uns meinetwegen jetzt dem Schützenbund als Unterabteilung anschließen würden, dann verlieren wir unsere Eigenständigkeit. Wir bleiben der Deutsche Bogensportverband mit der Verpflichtung, laut unserer Satzung, für die Aufnahme in den Deutschen Olympischen Sportbund zu kämpfen und alles zu tun, dass wir auch dahin kommen."

    Dagegen erklärt Josef Ambacher, Präsident des Deutschen Schützenbundes, resolut:

    "Ich kann doch nichts dafür, wenn der DDR-Sportverband eines Tages eingeht. Ich werde mich nicht stark machen, dass er Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund wird, denn da sind wir schon drin. Wenn der DOSB seine Satzung so hoch hält, hat er auch keine Chance, da rein zu kommen."

    Man achte auf Details: Ambacher spricht noch vom "DDR-Verband". Dessen Antrag beim DOSB ruht derzeit. Denn zwei wichtige Bedingungen sind nicht erfüllt: Der DOSB verlangt 10.000 Mitglieder und die Anerkennung von acht Landessportbünden. Der DBSV hat rund 6.000 Mitglieder und ist nur vom Brandenburger LSB anerkannt. Der Bogenschützen-Präsident aus dem Osten argumentiert, dass sein Verband gar nicht mehr so ostdeutsch sei. Man expandiert.

    "Jawohl, wir haben den Landesverband Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, wir haben in Bayern einen, wir haben Hessen. Und sie wollten ja einen reinen Bogensportverband haben, unsere Kameraden aus dem Westen, unsere Mitglieder. Und das haben sie bekommen."

    Ambacher hört die Botschaft, glaubt sie aber nicht. Er behauptet, das seien alles ausgewanderte Ossis.

    "Das ganze hat keinen Wert und damit ist das für mich gestorben und Geschichte. Das ist wie mit den Dinosauriern: Die sind auch ausgestorben, weil sie zu unbeweglich waren."

    Wolfgang Kalkum versucht, seinen Sportlern und Offiziellen per Doppelmitgliedschaft auch internationale Einsätze zu verschaffen. Denn da nicht der DBSV Mitglied im Weltverband ist, sondern der Schützenbund, wären sie sonst nicht teilnahmeberechtigt.

    "Ich stehe auf dem Standpunkt: Miteinander können wir stark sein. Wir sind für die Bogensportler da, und nicht die Bogensportler für den Verband!"

    Der DOSB hält sich da raus und teilt auf Anfrage mit, die Verbände seien autonom und hätten halt mitunter "nicht völlig deckungsgleiche Interessen". So kann man es sagen.

    21 Jahre nach dem Mauerfall betrachtet ADMV-Präsident Hartmut Pfeil die Lage gelassen.

    "Ich sehe mich nicht als Dinosaurier. Also wir machen alles das, was andere Verbände auch machen, und daraus zieht der ADMV auch seine Lebenskraft, das ist völlig klar. Und Dinosaurier: Uns wurde schon vor 20 Jahren vorausgesagt, dass wir nicht mehr lange existieren werden. Wir haben vor drei Jahren den 50. Jahrestag unseres Verbandes gefeiert, da wurde uns auch gesagt: Na ja, 50 Jahre, nun ist aber gut. Nun sind wir schon wieder drei Jahre weiter. Und ich denke, da ist noch kein Ende in Sicht."