"Die schönen Tage von Aranjuez sind nun zu Ende" sagt Domingo zu Beginn des Stückes. Diesen ersten Satz wird im Verlauf der Aufführung so etwa jede Figur mindestens einmal gesagt haben. Er ist Leitmotiv für eine Welt, die sich ihre Größe wohl nur als Vergangenheit denken kann, nicht aber als Zukunft. Vielleicht ist auch gemeint, dass sich der junge Thronfolger, kaum gerade seiner Kindheit und Jugend entwachsen, nicht in die Erwachsenenrolle finden wird, die man ihm zudenkt. Mit ausgeleierter Trainingshose, Sweatshirt aber mit riesiger Halskrause läuft dieser Infant wie ein kranker Hund durch seine von unterkühlten Gestalten bevölkerte Umgebung. Nicolas Stemann hat die Titelgestalt als verstörten Outsider aus dem Figurengeflecht herausgelöst und lässt sie als Nullstelle durch die Inszenierung geistern, als kommunikationsgestörten Debilen, wobei offen bleibt, ob sein Anomalie-Reservat der freiwillige Zufluchtsort eines renitenten Jünglings ist, oder die Zwangsrolle eines krankmachenden Familiensystems, einer völlig verhunzten Vater-Sohn-Beziehung. So ein Verhältnis braucht den Therapeuten, den Vermittler und als ein solcher präsentiert sich der von Alexander Khuon gespielte Marquis von Posa. So als wäre er der Moderator oder Spielleiter einer Psychoshow rückt er den auf acht Figuren eingedampften Hofstaat gerne schon mal die Stühle zurecht, erteilt das Wort, suggeriert Gedanken, lenkt mit Gesten. Dieser Posa will ausgerechnet anhand einer Prinzessin von Eboli, einer Elisabeth von Valois, einem König Philipp dem Zweite von Spanien und dem Infant Don Karlos, mit einem in amouröse Liebeshändel verstrickten Haufen, den konkreten Schiller-Beweis antreten, dass der freie Wille, das freie Tun menschenmöglich ist, und keine Utopie. Und dann glaubt er auch noch, dass man solches mit den niederen Mitteln des Ränkespiels durchsetzen kann. Gerne hätte man das Scheitern solch schöner ausgedachter Strategien an den plumpen Machtverhältnissen eines auf Inquisition getrimmten Staatswesens gesehen. Aber Stemanns Figuren - der etwas eindimensional als Mann für Grobe, als finsterer Schlägertyp vorgezeigte Herzog von Alba, der unprofilierte Beichtvater Domingo, und König Philipp selbst, allesamt in dunklen Alltagsanzügen, sind hier auswechselbare Kreaturen in einer nicht näher bestimmten Unternehmung. Deren Ziel scheint zu sein, durch Überwachung die Lebensräume der Anderen unter Kontrolle zu halten. Für den zunehmend isolierten König ist daher der größte mögliche Skandal, dass ihm Wesentliches verborgen bleiben könnte.
Videobeamer projizieren Bilder von Digitalkameras auf die Leinwände in einem abstrakten Bühnenaufbau. Da blitzen Bilder auf, die das Geschehen auf der Vorderbühne doppeln, oder aber die Kulissen und die Gänge des Theaters zeigen, wohin die Regie Passagen des Geschehen unwillkürlich verlagert, bis hin zu den Bildern einer putzigen Revolte. Wie es scheint, können die Augen des Königs überall hin blicken, ist sein Glaube in die Überwachungsmacht der Bilder groß. In einem schönen, abschließenden Bild wird dies widerlegt. Da will der König zu seinem Volk sprechen, aber sein Abbild verkleinert sich immer mehr in einer Folge von Bildern, die sich in einem ununterbrochenen Zurückzoomen der Kamera als Teil eines immer neuen Bildes in einer immer neuen Umgebung offenbaren, wobei jedes von einem anderen Menschen betrachtet wird. In dieser ins Unendliche tendierenden Reihe von Bildern in Bildern vergeht jeder Mitteilungsimpuls, jeder Befehl, jede Macht. Gerne hätte man gesehen, wie innere Vorstellungen mit den Bildern der äußeren Welt, so wie Überwachungskameras sie in immer größerem Umfang liefern, in Konflikt geraten, wie König, Sohn und Freund Posa scheitern beim Versuch, die in einer solchen Struktur erstarrte Welt zu gestalten, wie auch Schillers berühmter Satz "Geben Sie Gedankenfreiheit" nicht an einem König abprallt, sondern an der Welt, die er schuf. Aber Nicolas Stemanns in den eigenen Mittleilungsmitteln- und Techniken etwas verhedderte Inszenierung hat doch auch das Verdienst, hierbei den stark gekürzten und um einige Handlungsstränge verschlankten Schiller-Text zu respektieren. Sie ist so selbst zu einem Ort geworden an dem man sehr gut begreifen kann, wie schwer es ist, Schiller zu inszenieren und dabei Zeitgenosse des 21. Jahrhunderts zu sein.
Was man gerne in der Aufführung gesehen hätte, nämlich ob Widerstand möglich ist gegen die von König Phillipp geschaffenen Verhältnisse, erledigt Stemann also schon vorab.
Videobeamer projizieren Bilder von Digitalkameras auf die Leinwände in einem abstrakten Bühnenaufbau. Da blitzen Bilder auf, die das Geschehen auf der Vorderbühne doppeln, oder aber die Kulissen und die Gänge des Theaters zeigen, wohin die Regie Passagen des Geschehen unwillkürlich verlagert, bis hin zu den Bildern einer putzigen Revolte. Wie es scheint, können die Augen des Königs überall hin blicken, ist sein Glaube in die Überwachungsmacht der Bilder groß. In einem schönen, abschließenden Bild wird dies widerlegt. Da will der König zu seinem Volk sprechen, aber sein Abbild verkleinert sich immer mehr in einer Folge von Bildern, die sich in einem ununterbrochenen Zurückzoomen der Kamera als Teil eines immer neuen Bildes in einer immer neuen Umgebung offenbaren, wobei jedes von einem anderen Menschen betrachtet wird. In dieser ins Unendliche tendierenden Reihe von Bildern in Bildern vergeht jeder Mitteilungsimpuls, jeder Befehl, jede Macht. Gerne hätte man gesehen, wie innere Vorstellungen mit den Bildern der äußeren Welt, so wie Überwachungskameras sie in immer größerem Umfang liefern, in Konflikt geraten, wie König, Sohn und Freund Posa scheitern beim Versuch, die in einer solchen Struktur erstarrte Welt zu gestalten, wie auch Schillers berühmter Satz "Geben Sie Gedankenfreiheit" nicht an einem König abprallt, sondern an der Welt, die er schuf. Aber Nicolas Stemanns in den eigenen Mittleilungsmitteln- und Techniken etwas verhedderte Inszenierung hat doch auch das Verdienst, hierbei den stark gekürzten und um einige Handlungsstränge verschlankten Schiller-Text zu respektieren. Sie ist so selbst zu einem Ort geworden an dem man sehr gut begreifen kann, wie schwer es ist, Schiller zu inszenieren und dabei Zeitgenosse des 21. Jahrhunderts zu sein.
Was man gerne in der Aufführung gesehen hätte, nämlich ob Widerstand möglich ist gegen die von König Phillipp geschaffenen Verhältnisse, erledigt Stemann also schon vorab.