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Geben und Nehmen

Ältere Menschen bieten ein Zimmer, Studierende zahlen dafür keine Miete, sondern helfen im Haushalt oder im Garten, das ist die Idee von "Wohnen mit Hilfe". Das war in den letzten Jahren in vielen Uni-Städten Deutschlands ein Erfolgsmodell. In NRW ging es vor drei Jahren so richtig los, denn das Land gab finanzielle Unterstützung. Die ist jetzt ausgelaufen und damit stirbt in einigen Städten auch das "Wohnen für Hilfe", andere wiederum finden neue Wege.

Von Andrea Lueg |
    "Ich hab also im Februar versucht, diese Wand zu streichen und da bin ich mit der Leiter umgefallen."

    Hilde Horres ist eine fitte 70jährige, nur bei Projekten die einiges an Körperkraft oder eine helfende Hand brauchen, kommt sie an ihre Grenzen.

    "Ein Vorteil war die Miete. Und ich finde das einfach interessant, etwas anderes zu machen."

    Daniel Ayma ist 27, Student der Elektrotechnik, stammt aus Peru und muss zusehen, dass er mit seinem knappen Budget zurecht kommt. Zusammen sind Daniel und Hilde 97 Jahre alt und seit März eine WG. Hilde Horres hatte in ihrem Häuschen in Stolberg bei Aachen ein Zimmer frei und wünschte sich einen starken Mann als Hilfe. Im Fernsehen hatte sie einen Bericht über das Projekt "Wohnen für Hilfe" an der Uni Aachen gesehen. Hilde Horres bewarb sich und fragte nach einem männlichen Studenten als Wohnpartner. Drei Wochen später lernte sie Daniel Ayma kennen und er zog ein.

    "Also bis jetzt es klappt gut, finde ich."

    Das Projekt gibt es in den meisten größeren Unistädten. Als Faustregel gilt: Pro Quadratmeter muss der Mieter eine Stunde Hilfe im Monat leisten. Das kann Gartenarbeit sein, Hilfe am Computer oder beim Einkaufen. Nur: seit Ende des Sommersemesters ist das Projekt in vielen Städten NRWs ins Stocken geraten. Die Zuschüsse vom Land sind ausgelaufen, und obwohl das Projekt noch kürzlich vom Integrationsminister einen Preis erhielt, ist mit dem Geld aus Düsseldorf endgültig Schluss. Und auch die Städte wollen meist nicht einspringen, etwa in Münster, erklärt Niels Greve vom Asta der Uni Münster.

    "Das Projekt Wohnen für Hilfe in Münster, da steht es momentan leider sehr schlecht drum, es wurde vor zwei Wochen im Rat beschlossen, das abzuschaffen. Wir als Asta kritisieren das sehr stark, wir haben in dem Projekt eine sehr große Chance gesehen, für ältere Menschen, aber auch für Studierende günstig an Wohnraum zu kommen, bzw. länger in den eigenen vier Wänden zu wohnen, die Sichtweise, die diesen Beschluss getragen hat, ist rein betriebswirtschaftlich und nicht an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert."

    70.000 Euro kostet die Vermittlung im Jahr, in Münster gab es fünfzig bis siebzig WGs, das war der Stadt zuwenig. Auch in Köln und Düsseldorf sieht es für das Projekt düster aus. Für Aachen gab es von Anfang an keine Landesmittel, doch nach einem gescheiterten Versuch machte sich vor zwei Jahren die Gleichstellungsbeauftragte der RWTH stark für das generationenübergreifende Projekt. Auch weil Studiengebühren immer mehr Studierenden finanzielle Schwierigkeiten bereiten, suchte man nach personellen Möglichkeiten, erzählt Anja Eckardt, die das Projekt betreut.

    "Wir haben geschafft, jemanden da zu bekommen auf der Basis der Anerkennungsstelle in der Sozialarbeit oder Sozialpädagogik und in Kooperation mit Unterstützung der Stadt, die dann zu dem Zeitpunkt als Anschubfinanzierung Gelder zur Verfügung gestellt hat und eben mit Unterstützung der KFH und der FH, die gesagt haben, wir verbreiten das, also ganz viel Öffentlichkeitsarbeit und auch fachliche Unterstützung für die Anerkennungsjahr-Praktikantin Türen zu öffnen, in der Kommunikation gerade mit den älteren Menschen."

    Denn gerade die Älteren sind noch etwas zögerlich beim Projekt "Wohnen für Hilfe". Deshalb ist auch die Leitstelle "Älter werden" der Stadt Aachen mit im Boot. Denn während man die Studierenden an den Hochschulen leicht erreicht, sind Kontakte zu Senioren schwieriger auf die Beine zu stellen.

    "Wo treffen sich die älteren Menschen, wo können wir gezielt ältere Menschen ansprechen, Mundpropaganda ist sehr wichtig."

    Die Wohnduos können außerdem nur dann wirklich funktionieren, wenn es eine professionelle Vermittlung gibt und einen zentralen Ansprechpartner, das findet auch Hilde Horres.

    "Das fand ich sehr wichtig, das das ne seriöse Basis hatte. Man hätte ja auch ne Anzeige in die Zeitung setzen können, aber so hat man auch immer im Hintergrund jemand, mit dem man zur Not hätte reden können."

    Die Lösung, dass ein Absolvent des Faches Sozialarbeit oder Sozialpädagogik diesen Job als Anerkennungsjahr macht bietet in Aachen erstmal eine Perspektive. Denn:

    "So ein Projekt braucht seine Zeit."

    Bisher gibt es in Aachen fünf WGs nach dem Modell. Das klingt nicht viel, doch allein das Projekt bekannt zu machen dauert schon lange. In anderen Städten wie München, wo es "Wohnen für Hilfe" schon länger gibt, bestehen inzwischen über 200 Paare. Und vielleicht geht es auch gar nicht nur um die Menge: In den WGs wohnen zum Beispiel jüdische Rentnerinnen mit muslimischen Studierenden zusammen, bodenständige Senioren mit Schwulen oder Ältere die keine Fremdsprache können mit Jungen aus fernen Ländern. In Aachen ist man zuversichtlich, dass es weitergeht und man auch hier noch viele Duos vermitteln wird. Allerdings brauchen Absolventen der Sozialpädagogik und Sozialarbeit in NRW in Zukunft kein Anerkennungsjahr mehr. Dann muss man in Aachen auf Studierende aus anderen Bundesländern hoffen.

    Daniel Ayma und Hilde Horres jedenfalls sind froh, dass sie sich über Wohnen für Hilfe gefunden haben.

    "Ich bin sehr froh, dass ich Daniel hab, grade wenn ich so schwere Sachen hab, ich bin so noch fit, aber man kommt an seine Grenzen."

    Auch die Wand ist inzwischen gestrichen und wenn Hilde Horres unterwegs ist, weiß sie ihr Haus nun in guten Händen.

    "Wenn ich jetzt in Urlaub fahre, dann versorgt er mir das Haus und nächste Woche versorgt er mir auch die Katze - das ist einfach ein gutes Gefühl."