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Geberkonferenz
Spenden für die Reaktorruine Tschernobyl

In Tschernobyl haben mehr als 200 Helfer einen Waldbrand bekämpft, der etwa 20 Kilometer von dem havarierten Atomkraftwerk entfernt ausgebrochen war. Eine Gefahr für die Ruine habe nicht bestanden. Aber der Brand rief in Erinnerung, dass auch im 30. Jahr nach der Tschernobyl-Katastrophe die Gefahr nicht vorbei ist. In London treffen die Geldgeber des Sarkophag-Projekts zusammen.

Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Ralf Krauter | 29.04.2015
    Ralf Krauter: Wie kommt die Finanzlücke zustande?
    Dagmar Röhrlich: Was 1997 vorgestellt wurde, war sozusagen die Idee des neuen sicheren Einschlusses. Bei dem sogenannte Shelter Implementation Plan ging es zunächst einmal darum, sich schrittweise der technischen Lösung anzunähern. Sprich: Die Sicherheit musste analysiert werden, die Probleme identifiziert und nach Bedeutung gewichtet, es musste überlegt werden, was sich wie sinnvollerweise machen lässt. Außerdem wurden überlegt, welche Zwischenziele sinnvoll sein könnten. In dieser Phase ging es nicht um ingenieurtechnische Überlegungen. Man identifizierte einige große Arbeitsblöcke und versah sie mit Annahmen zu den Kosten. Diese Annahmen zu diesen Blöcken, die nicht für die gesamte Arbeit standen, lagen bei 758 Millionen US-Dollar.
    Krauter: Das hatte also nichts mit einem detaillierten Design zu tun?
    Röhrlich: Nein, das konnte man bei dem damaligen Wissensstand über den Zustand des Sarkophags auch nicht vorlegen. Ein genauer, ingenieurtechnischer Plan ließ sich erst nach einer ausführlichen Sicherheitsanalyse erarbeiten, und unvorhergesehene Probleme konnten immer noch Modifizierungen verlangen. Das liegt einfach daran, dass es bislang noch keinerlei Erfahrungen mit einem solchen Projekt gibt - und damit gibt es auch keine Erfahrungswerte, was die Kosten angeht. Es ist ein einzigartiges Projekt, das genau auf den Sarkophag und die Bedingungen von Tschernobyl zugeschnitten werden muss.
    Krauter: Wie hoch werden die Kosten denn eingeschätzt?
    Röhrlich: Bei mehr als zwei Milliarden Euro - und fertig sein soll das NSF 2017.
    Krauter: Wer hat denn bislang alles gezahlt?
    Röhrlich: Mehr als 40 Länder haben dazu beigetragen - vor allem die G7-Staaten und die Europäische Union, aber auch Aserbaidschan, Estland, Portugal. Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten sind bislang die größten Spender. Auf Platz drei liegt bislang die Europäische Wiederaufbaubank EBRD, die die Finanzierung des Projekts koordiniert.
    Bis September 2014 sind 1,2 Milliarden Euro auf den Konten der EBRD eingegangen. Die EBRD hat Ende vergangenen Jahres, als klar wurde, dass das Geld im Januar oder Februar diesen Jahres ausgehen könnte, noch einmal 350 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Und jetzt fehlen noch die 615 Millionen Euro, die heute möglichst komplett hereinkommen sollen.
    Krauter: Weshalb leitet Deutschland die Pledging-Konferenz in London?
    Röhrlich: Weil Deutschland im Augenblick die G7-Präsidentschaft innehat. Und so hat Angela Merkel an alle früheren Geldgeber Briefe geschrieben und auch an neue, wie Mexiko, die Arabischen Emirate, Brasilien und Singapur. Insgesamt sind es 50 Staaten, die um Hilfe gebeten worden sind.
    Krauter: Gibt es schon Zusagen?
    Röhrlich: Die EU hat versprochen, weitere 70 weitere Millionen Euro zuzuschießen, Kasachstan will drei statt zwei Millionen aufbringen. Die Bundesrepublik will auch mehr geben, da ist in der Presse von 18 Millionen die Rede. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wurde von der Agentur Interfax zitiert, dass von den 615 Millionen Euro noch etwa 200 Millionen fehlen, aber das kann sich heute ja geändert haben.
    Krauter: Was passiert, wenn dir 615 Mio Euro nicht zusammenkommen?
    Röhrlich: Die EBRD meinte, dass man das dann entscheiden werde, aber man rechnet damit, dass erhebliche Mittel zusammenkommen werden und dass man das Projekt ohne Unterbrechung zum Ende bringen kann. Was noch fehle, werde man schon irgendwie auftreiben, man werde sich an die G7 wenden, die ja die Führerschaft für das Projekt haben, falls in den letzten Monaten das Geld wider Erwarten doch noch knapp werden sollte.
    Krauter: Warum finanziert die internationale Gemeinschaft das überhaupt?
    Röhrlich: Die Ukraine hat nicht die Mittel, mit den Folgen dieser Katastrophe fertig zu werden, und deshalb hatte die internationale Gemeinschaft die Finanzierung der vorläufigen Sicherung der Reaktorruine in Tschernobyl übernommen. Die Ukraine leistet auch einen Eigenanteil, aber das fällt dem Land sehr schwer. In den 1990er-Jahren hatte sie im Gegenzug zugesagt, im Kraftwerk Tschernobyl alle noch laufenden Reaktoren abzuschalten. Der letzte wurde im Jahr 2000 vom Netz genommen.