Archiv


Gebetsteppich statt Chefsessel

Viele Muslime klagen über die steigende Entfremdung der Deutschen zu ihnen. Gleichzeitig registrieren sie aber ein wachsendes Interesse der Deutschen am Islam. Wie dies zusammen passt und wie sich Betroffene arrangieren, verrät dieser Beitrag.

Jens Rosach |
    Der Koran sagt: Arbeite so, als wenn du ewig leben würdest. Aber bete so, als wenn du am nächsten Tag sterben könntest. Also das heißt: effizient versuchen zu arbeiten, so viel wie möglich arbeiten. Aber man muss gleichzeitig auch beten, um nicht zu vergessen, dass das alles vergänglich ist. 018

    Ednan Yilar ist türkischstämmiger Unternehmer in Berlin, er handelt europaweit mit Lebensmitteln. Da in seiner Nähe kein Muezzin zum Gebet aufruft, hat der 34jährige Moslem sein Handy so programmiert, dass es ihn immer rechtzeitig auf seine fünf Pflichtgebete am Tag hinweist. Wie jetzt auf das Mittagsgebet um kurz nach zwölf.

    Also wenn ich mein Gebet verrichten möchte, nehme ich mir erst mein Gebetsteppich, lege den in Richtung Mekka und ziehe meine Schuhe aus und geh dann auf diesen Teppich und verbeuge mich dann ich Richtung Mekka.

    Der Geschäftsmann steht mit Schlips und Hemd - aber auf Socken vor seinem Schreibtisch und wirft sich zehn mal hintereinander auf den Boden. Da das Büro nur durch eine Glaswand vom Apfelsinen-, Paprika- und Konserven-Lager getrennt ist, können alle Mitarbeiter live verfolgen, wie der Chef demütig danieder fällt.

    Wenn ich auf der Autobahn auf Reisen bin, halte ich dann halt an der Strecke rechts am Parkplatzrand an und ich hab dann immer mein Gebetsteppich dabei und auch mein Kompass, damit ich weiß im welche Richtung Mekka liegt und verrichte so meine Gebete. Für Passanten ist es dann merkwürdig, wenn da am Straßenrand oder auf dem Parkplatz jemand mit seinem Gebetsteppich betet. Aber Gott belohnt ja jeden, der betet, mit dem Paradies.

    In die Arbeitszeit fallen auch regelmäßige rituelle Waschungen, bei denen Yilar nicht nur die Hände, sondern auch Mund, Nacken und Füße säubern muss. Im Fastenmonat Ramadan - bzw. Ramasan wie die Türken sagen – hat er nach Sonnenaufgang außerdem zu hungern.

    Wenn natürlich in meine Fastenzeit ich irgendwo eingeladen bin, bei meinen Geschäftpartnern, und mir wird da Kaffee oder auch Tee oder auch was anderes angeboten, das wird meinerseits natürlich ganz höflich abgelehnt, mit der Begründung, dass ich fasste. Und fast zu 99 Prozent die Leute darauf sensibel reagieren, und merken: Oh, Entschuldigung, ich wusste nicht, dass Sie fasten. Es stört mich auch nicht, wenn ich in der Gesellschaft dann bin, wo in dem Moment dann gegessen oder getrunken wird.

    In Yilars Firma arbeiten nicht nur Moslems, sondern auch der Christ Willi Hagestein.

    Wenn meine Kollegen Ramasan machen, also fasten, dann esse ich auch nichts. So halten wir das hier ja.

    Hagestein will seinen Kollegen nichts voressen. Dafür darf der Arbeiter mit der muslimischen Belegschaft abends Fasten brechen, also am Gemeinschaftsmahl teilnehmen.

    Ich bin also katholisch und ich hab damit kein Problem. Die Religionen gleichen sich ja irgendwo. Also die Ursprünge sind ja doch verwand irgendwo.

    In Yilars Lebensmittel-Lager findet man kein Alkohol und auch kein Fleisch, das nicht nach islamischem Recht geschlachtet wurde. Der Unternehmer erklärt, seine Religion schreibe ihm außerdem vor, seine Geschäftspartner nicht zu betrügen - stehe doch im Koran geschrieben "halte die Waage".

    Mit "halte die Waage" muss man sich dass so vorstellen, dass man die Waage beim Geschäft nicht verfälschen soll. Und das ist es ja, dass man, wenn man fünf Kilo Äpfel anbietet, dass man dann nicht viereinhalb Kilo verkauft so nach dem Motto.

    Wie sieht es nun in d e u t s c h e n Unternehmen aus? Können Moslems dort ebenfalls ihre Religion ausüben? Einige Firmen, wie das Ford-Werk in Köln, haben einen Extra-Gebetsraum für praktizierende Moslems eingerichtet: eine Kappelle, eine Mescid. Ersin Uluc vom türkischen Unternehmerverband "Müsiad" reicht das nicht aus.

    Es sind weniger Unternehmen, als man vielleicht erwarten könnte, sollte, die diese Möglichkeiten ihren Mitarbeitern zur Verfügung stellen. Da könnte man wahrscheinlich noch was tun, da besteht Handlungsbedarf, denke ich.

    Die islamische Religion besagt, dass ein Moslem seine Pflichtgebete notfalls verschieben darf, auch in die Abendstunden hinein. Deshalb kann er sich auch zu Hause nach Mekka verbeugen. Für richtige Konflikte sorgt dagegen das Tragen von Kopftüchern auf Arbeit: für viele Frauen ebenfalls ein Ausdruck ihrer Religion. Mohammed Herzog von der islamischen Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime berichtet, dass es vor allem dann Ärger gebe, wenn eine Muslimin in einer Firma Kundenkontakt hätte – ähnlich wie in Behörden und Schulen.


    Zum Beispiel wenn es eine Muslimin ist, die in der Bank arbeitet. Ich kenne muslimische Frauen, die bei der Bank gelernt haben, da sind sie jeden Tag mit Kopftuch erschienen im Unterricht - seit sie am Schalter sind, dürfen sie kein Kopftuch tragen. Und ich verstehe auch unsere Bevölkerung in einer Art nicht, dass sie da drüber diskutieren, aber sie gehen alle bei den Türken einkaufen. Also da macht es ihnen keine Probleme, wenn die Verkäuferin ein Kopftuch trägt.

    Ednan Yilar stellt es seinen Mitarbeitern frei: In seiner Firma tragen einige Mitarbeiterinnen Kopftuch, andere nicht. Und einige der Mitarbeiter beten fünfmal mit dem Chef, die anderen lassen es.

    Jedem das seine. Weil ich kann mich ja nicht zwischen dem Moslem und Allah stellen, das geht ja nicht. Das muss er selber verantworten. Ich kann nur das vorleben, ihm die Möglichkeiten geben in meinem Unternehmen das zu tun. Wenn er das nicht macht, ist das absolut seine eigene Entscheidung.