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Gebietsreform in Polen
"Wir wollen nicht zu Oppeln gehören"

Regelmäßig fahren Einwohner aus dem schlesischen Dobrzen Wielki in Bussen nach Warschau, um gegen die bereits beschlossene Gebietsreform zu protestieren. Träte sie in Kraft, würde das Dorf fünf seiner Ortschaften an die Stadt Oppeln verlieren - und damit auch wichtige Arbeitgeber und Steuerzahler.

Von Ludger Kazmierczak |
    Häuser am Ufer der Oder in Höhe des Stauwehrs in Opole, dem ehemaligen Oppeln in Oberschlesien, aufgenommen am abend des 05.07.2007.
    Oppeln will zum 1. Januar 2017 19 benachbarte Ortschaften eingemeinden. (picture-alliance/ dpa / Forum Marek Maruszak)
    "Wir wollen nicht zu Oppeln gehören!" rufen die etwa 100 Demonstranten vor dem Hauptgebäude der regierenden PiS-Partei. Sie sind mit zwei Bussen aus dem schlesischen Dobrzen Wielki nach Warschau gereist, um gegen die politisch längst beschlossene kommunale Neuordnung der Region zu protestieren.
    "Sollen uns hier die Menschen in Polen kennenlernen, denn das ist Gewalt. So was kann ja passieren in der nächsten Gemeinde. Ich weiß nicht, wo in Polen."
    "Sie haben - ohne uns zu fragen - schon entschieden im Vorfeld. Uns wurde nur mitgeteilt: Ihr seid ab 1. Januar in Opole. Und ihr habt eigentlich nichts zu sagen."
    Angst vor wirtschaftlichem Kollaps
    Sollte die Gebietsreform tatsächlich in Kraft treten, würde Dobrzen Wielki fünf seiner neun Ortschaften an Opole verlieren. Darunter Brzeze, wo mit dem großen Elektrizitätswerk der bislang wichtigste Steuerzahler der Gemeinde ansässig ist. Gemeindevorsteher Henryk Wróbel warnt vor einem wirtschaftlichen Kollaps.
    "Das wird tragische finanzielle Folgen haben. Unser Haushalt würde um etwa zwei Drittel gekürzt. Wir wissen nicht einmal, ob wir überhaupt imstande sein werden, einen neuen Haushalt zusammenzustellen und ob wir als Gemeinde dann noch funktionieren."
    Im Juli hat die nationalkonservative Regierung den Plänen zugestimmt, obwohl sich zuvor bei einer Umfrage 99 Prozent der Einwohner von Dobrzen Wielki gegen die Reform ausgesprochen hatten. Doch Opoles Oberbürgermeister, so schreiben die lokalen Medien, verfüge über gute Kontakte zur PiS in Warschau. Vize-Justizminister Patryk Jaki gilt als einer seiner besten Freunde.
    Proteste der Einwohner
    Der Widerstand gegen die Gebietsreform sei eigentlich gar nicht so groß, ließ Jaki kürzlich verlauten. Für die Protestaktionen macht er vor allem die deutsche Minderheit in Schlesien verantwortlich. Das sei falsch, stellt Henryk Wróbel klar, aber natürlich sorgten sich auch die deutschstämmigen Polen um ihre Zukunft. In Gemeinden mit mehr als 20 Prozent deutscher Bevölkerung ist Deutsch zweite Amtssprache. Orte werden dort zweisprachig ausgeschildert.
    "Die Orte, die jetzt in Oppeln eingegliedert werden, haben auch zweisprachige Ortsschilder. Die würde es dann wohl nicht mehr geben. Was mit Deutsch in den Schulen passiert, kann ich nicht sagen. Bislang wird an unseren Schulen Deutsch sogar als Muttersprache angeboten. In einem der fünf Orte, die uns genommen werden, gibt es zweisprachige Klassen."
    Solange die Reform noch nicht in Kraft getreten ist, wollen die Bürger von Dobrzen Wielki sich dagegen wehren. In dieser Woche fahren fast jeden Tag Busse mit Bewohnern der kleinen Gemeinde nach Warschau, um die PiS von Jaroslaw Kaczynski zu einem Umdenken zu bewegen. PiS stehe schließlich für Recht und Gerechtigkeit, so die Demonstranten. Und von Gerechtigkeit kann hier ihrer Ansicht nach nicht die Rede sein.