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Gebraucht wird der flexible Mensch

Über der Diskussion um die Zahl der Ausbildungsplätze wurde in den letzten Jahren die Frage nach der Qualität der Ausbildung vernachlässigt. Mit der Folge, dass viele Jugendliche fehlqualifiziert wurden. Als Bäcker, Metzger oder Friseure lernten sie Berufe, in denen Lehrlinge als billige Arbeitskräfte geschätzt sind, aber sich später kaum Beschäftigungsmöglichkeiten bieten.

Karl-Heinz Heinemann |
    Karlheinz Geissler: Vor 50 Jahren stand der Beruf auf dem Grabstein, der hat die Person als lebende Person überdauert. Das ist nicht mehr der Fall. Seit ungefähr 20 Jahren steht der Beruf nicht mehr im Personalausweis, weil der Beruf gewechselt wird und er kein Identitätsmerkmal mehr ist. Hier sehen Sie , dass der Beruf nicht mehr diesen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat.

    hat der Münchner Wirtschaftspädagoge Karlheinz Geissler beobachtet. Die Zeiten scheinen vorbei, in denen man mit 14 einen Beruf erlernt hatte, dem man dann bis zur Rente treu blieb. Der Beruf ist kein unveränderliches Kennzeichen mehr. Neue Branchen mit neuen Tätigkeiten entstehen. Fähigkeiten und Kenntnisse, die man in der Lehre erworben hat, werden durch neue Techniken entwertet.

    Dennoch ist eine abgeschlossene Berufsausbildung heute wichtiger denn je. Ohne Ausbildung ist das Risiko, arbeitslos zu werden, um ein vielfaches höher. Eine hoch entwickelte Wirtschaft braucht hoch qualifizierte Beschäftigte. Das deutsche System der Berufsausbildung galt in dieser Hinsicht immer als vorbildlich: Der deutsche Facharbeiter, dreieinhalb Jahre durch eine sowohl schulische als auch betriebliche Ausbildung qualifiziert, war die Stütze der auf Qualifikation beruhenden deutschen Wirtschaft.

    Nach wie vor ist der Beruf ein identitätsstiftendes Merkmal der Persönlichkeit. Man ist stolz auf seine Fachkompetenz, aber auch auf die Tradition und das gesellschaftliche Ansehen, das sich damit verbindet.

    Doch in den neunziger Jahren entdeckten Soziologen, dass das deutsche Prinzip der Beruflichkeit, also von qualifizierten und zertifizierten Berufen mit tariflich abgesicherten Rechten, ein Innovationshemmnis sei. Es kollidierte mit neuen Formen der Arbeitsorganisation.

    Felix Rauner: Wir haben einerseits die Rücknahme funktionsorientierter Organisationsstrukturen, die überlagert werden durch geschäftsprozess-orientierte Strukturen, und das bedeutet, dass die Unternehmen Leute brauchen, die über Zusammenhangsverständnis verfügen und Zusammenhänge überschauen, weil sie sich mit denen auch eher identifizieren und eher in der Lage sind, auf Qualität zu achten.

    meint der Bremer Arbeitswissenschaftler Felix Rauner. Er betreut innovative Projekte zur Berufsausbildung. Die Betriebe brauchen nicht mehr die Spezialisten, hochkompetent in ihrem Fach, doch unfähig, den gesamten Prozess im Auge zu haben. Stattdessen greifen sie offenbar lieber auf eine hoch mobile und flexible Arbeitskraftreserve zurück.

    In den Betrieben ist Teamarbeit angesagt. Angestellte und Arbeiter sollen sich nicht an ihrer fachlichen Kompetenz orientieren, sondern am Unternehmensziel, dem Geschäftsprozess. Während der deutsche Facharbeiter auf seine Fachkompetenz pocht, ein Anlagenführer zum Beispiel niemals eine Aufgabe des Betriebselektrikers übernehmen würde, arbeiten Japaner und Amerikaner flexibler. Sie sind bereit, wechselnde Aufgaben und Verantwortung im Team zu übernehmen. Nicht der fachliche Inhalt, sondern die gemeinsame Erledigung der Arbeit, der "Geschäftsprozess", müsse im Mittelpunkt einer zukunftsorientierten Ausbildung stehen. Gebraucht wird der "flexible Mensch", wie der Soziologe Richard Sennett meint....

    .. der aber auch die Möglichkeit verloren hat, sich mit seinem Beruf zu identifizieren.

    Ist es überhaupt noch sinnvoll, an einem System der Berufsausbildung mit staatlich anerkannten Abschlüssen festzuhalten, wenn die Betriebe ihre Arbeit anders organisieren? Braucht die Wirtschaft der Zukunft überhaupt noch die berufsförmige Organisation der Arbeit? Oder tritt an die Stelle einer geordneten Berufslaufbahn die individuell zusammengestellte Bastelbiografie?

    Eine junge und expandierende Dienstleistungsbranche, die der Call-Center, kommt bisher ganz ohne eigenen Ausbildungsberuf aus. Nach Schätzungen des Bundesinstituts für Berufsbildung arbeiten schon 250 000 Menschen bei diesen Telefondienstleistern. Die meisten Mitarbeiter sind Quereinsteiger - Studienabbrecher, Akademiker oder Buchhalter, die sich eine neue Tätigkeit gesucht haben, jobbende Studenten, die im Laufe der Zeit aus der Uni in ihre frühere Nebentätigkeit herübergewachsen sind. Für sie gibt es Weiterbildungsangebote, zum Beispiel bei den Industrie- und Handelskammern oder von privaten Anbietern, aber keine Lehrstellen und keinen Beruf, den man von der Pike auf lernen könnte.

    Zum Beispiel im Cologne Call-Center. Hier arbeiten 230 Agents, Studentinnen, Hausfrauen und kaufmännische Angestellte, die meisten sind Teilzeitkräfte. Beruf und Vorbildung sind eigentlich unwichtig, sagt Renate Mussmann-Ridder, die Personalchefin:

    Renate Mussmann-Ridder: Die erste wichtige Voraussetzung ist sicherlich: kommunikativ sein, sich gut artikulieren können, deutsche Sprache sicher, keine Dialekte, das ist sicherlich eine wichtige Voraussetzung. Gut ist sicherlich auch, man sollte eine kaufmännische Ausbildung haben. Im Moment haben wir viele Studenten eingestellt, und die bringen sicherlich schon wichtige Qualifikationen mit, die wir hinterher nicht antrainieren müssen.

    Identifikation ist gefragt, doch deren Objekt, das Unternehmen, ist austauschbar. Heute betreut man die Kunden einer Telefonfirma, morgen die einer Versicherung.

    Die hier Beschäftigten scheinen die These von den beruflichen Bastelbiografien zu belegen. Aber sie repräsentieren nur einen kleinen Ausschnitt der Berufswelt. Andere Branchen bemühen sich gerade, sich zu professionalisieren und schaffen eigene Berufsbilder, etwa die Medienindustrie.

    Nach dem zweiten Weltkrieg gab es noch 900 Ausbildungsberufe. In den siebziger und achtziger Jahren hatte das Bundesinstitut für Berufsbildung, in dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer und der Staat zusammenarbeiten, die Zahl der anerkannten Ausbildungsberufe auf 370 verringert. Nicht Spezialisierung, sondern die breite Basisqualifikation in Grundlagenberufen sollte die Mobilität und Flexi-bilität erhöhen. Doch in der Ausbildungskrise in den neunziger Jahren begann der Deutsche Industrie- und Handelstag mit dem heiteren Berufebasteln: Eine lange Liste von neuen Berufen, maßgeschneidert für jede kleine Branche, sollte auch die Betriebe ermuntern, Auszubildende einzustellen, die sich bisher davon keinen Nutzen versprachen. Vom Automobilfachverkäufer über den Fassadenmonteur, den Oberflächenbeschichter bis zur technischen Fachkraft in der Wasserwirtschaft reicht die Liste der neuen und neugeordneten Berufe. Und jeder neue Beruf wird als Erfolg im Kampf gegen die Lehrstellenknappheit gefeiert, gleichgültig, ob der Beruf wirklich eine Zukunft hat oder nicht.

    Eine zukunftsfähige Ausbildung darf aber gerade nicht zu eng geschnitten sein, sondern muss für eine ganze Palette von beruflichen Tätigkeiten qualifizieren . Es gibt inzwischen viele Vorschläge, wie eine breite Grundqualifikation mit der Passgenauigkeit für den jeweiligen Betrieb zu verbinden sei: Der Deutsche Gewerkschaftsbund spricht von Kernberufen, der Deutsche Industrie- und Handelstag propagiert ein Satellitenmodell, bei dem um einen gemeinsamen Kern verschiedene Module angeordnet werden.

    Modularisierung und die Individualisierung von Lehrverträgen gingen auf Kosten der schwächeren Vertragspartner, also der Lehrlinge, fürchten jedoch die Gewerkschafter.

    In den neuen IT-Berufen, also in der Branche der Informations- und Kommunikationstechnik, hat man eine Art Modularisierung verwirklicht - eine breite Grundlagenbildung, auf deren Basis dann Spezialisierungen möglich sind. Vier neue IT-Berufe wurden geschaffen: IT-Kaufleute, Anwendungsentwickler, Systemadministratoren, und Systemelektroniker. In der ersten Ausbildungsphase erlernen alle IT-Fachkräfte einen gemeinsamen Grundbestand an Kernqualifikationen. Auf die breite Grundqualifikation, die möglichst rasch am Anfang vermittelt wird, folgt eine Spezialisierung.

    Die Ausbildungspläne müssen sich in der Logistik eines Schlachthofs ebenso wie bei einem Softwarehaus, in einer kleinen Beratungsfirma ebenso wie bei der Deutschen Telekom umsetzen lassen. Deshalb wird unterschieden zwischen dem allen gemeinsamen Kernbereich und darauf aufbauenden Modulen. Das ist neu gegenüber herkömmlichen Ausbildungsordnungen. Die Abschlussprüfung besteht aus einem Projekt im Ausbildungsbetrieb, das der Auszubildende selbstständig bearbeiten und dokumentieren muss.

    Angehende Fachinformatiker entsprechen nicht mehr dem Bild, das man von Lehrlingen hat. In der Regel haben sie das Abitur, und sie sind mindestens 21 Jahre alt.

    Der Hacker, der den ganzen Tag vor dem Monitor hockt und der sein Hobby zum Beruf machen will, ist hier fehl am Platz. Das hat Valentin Kunstmann festgestellt. Er wird Fachinformatiker bei der Deutschen Telekom:

    Valentin Kunstmann: Das reine Entwickeln, das am Rechner sitzen und Hacken, das sind 10 Prozent. Man macht sich keine Gedanken darüber, wie man eine C- Schleife schreibt, wie man die programmiert, sondern man macht sich Gedanken über das gesamte Projekt. Wenn man eine Aufgabe bekommt, ein bestimmtes Produkt zu entwickeln und eine bestimmte Applikation, dann macht man sich Gedanken darüber, wie gehe ich vor.

    Valentin Kunstmann arbeitet in einem Team an einem neuen Abrechnungssystem mit. Dazu muss er den Geschäftsablauf, also das Erstellen der Abrechnungen in leicht bedien- und verstehbare Programme umsetzen. Er wird nicht zum Techniker ausgebildet, sondern zu einem Anwendungsentwickler, der den Geschäftsprozess von Anfang bis Ende im Blick hat. Er muss mehr von Organisations- als von Programmentwicklung verstehen. Im Mittelpunkt der Ausbildung steht nicht die technische Anlage, sondern der Kunde. Markus Lecke betreut die Fachinformatiker-Ausbildung in der Zentrale der Deutschen Telekom in Bonn:

    Markus Lecke: Das ist eine Entwicklung des Marktes und von den Dingen, die dahinter hängen. Dass man eben nicht mehr sehr technikorientiert das Ganze macht, sondern eben produktorientiert. Dahinter stehen komplexe Anwendungen. Die Menschen sollen die Anwendungen von A bis Z kennen, auch programmieren können, aber verkaufen können auch.

    Die alte Grenze zwischen gewerblich-technischen und kaufmännischen Berufen wird bei den Fachinformatikern und IT-Kaufleuten aufgehoben. In diesen modernen Berufen steht nicht mehr die fachliche Kompetenz im Mittelpunkt, sondern das Denken im Geschäftsprozess - eine neue Grundlage des Berufskonzepts.

    Wie sieht es aber in klassischen Produktionsbetrieben aus? Erst vor 13 Jahren wurden die Berufe der Metall- und Elektronindustrie neu geordnet. Spezialberufe wurden zusammengefasst. Die Ausbildungsordnung sah eine Grundlagenbildung auf hohem Niveau vor. Die Metallfacharbeiter sollten flexibel und selbständig sein. Sie sollten nicht nur ihre konkreten Arbeiten erlernen, zum Beispiel, indem sie wochenlang an einem Werkstück feilen, wie es bis dahin üblich war, sondern sie sollten lernen, selbständig zu planen, im Team zu arbeiten und ihre Arbeit selbst zu bewerten. Ein durch und durch modernes Konzept also. Vorreiter der reformierten Ausbildung waren die Großbetriebe. Sie richteten sich große Lehrwerkstätten ein. Heute stehen sie weitgehend leer, wie zum Beispiel bei Volkswagen in Kassel-Baunatal. Das liegt aber nur zum Teil daran, dass diese Betriebe heute weniger ausbilden.

    Martin Oeljeklaus: 89/ 90 ist da noch angebaut worden, mit wahnsinnigem Stolz haben wir noch viele Labore installiert mit einer Technik, die in 4 Jahren schon wieder überholt ist. Im Prinzip müssen Sie alle 4 Jahre diese Labore entkernen und wieder neu aufbauen. Und das ist bei den kurzen Technologiezyklen nicht möglich. Da muss man sich was Neues einfallen lassen.

    Martin Oeljeklaus ist Leiter der VW-Coaching GmbH in Kassel. Diese Volkswagen-Tochter betreibt die aus der Muttergesellschaft ausgegliederte Aus- und Fortbildung der Arbeiter und Angestellten.

    Die Ausbildung war verschult. Was die Lehrlinge produzierten, landete in der Schrottkiste oder konnte bestenfalls als Andenken verschenkt werden. In der Produktion herrschen andere Zwänge als in einer Lehrwerkstatt, wo man auch einmal etwas ausprobieren kann auf die Gefahr hin, dass es nicht funktioniert. Die Lehrlinge waren manchen zu selbständig, sie hatten nicht gelernt, sich betrieblichen Zwängen und Hierarchien unterzuordnen, kritisierten manche Unternehmen.

    Deshalb verlagern die Grossbetriebe die Ausbildung wieder zurück in die Produktion. Zum Beispiel bei Daimler-Chrysler in Gaggenau. Einst war dieses Werk führend bei der Organisation einer selbständigen Lehrwerkstatt.

    Mitten in der Achsfertigung steht die Lerninsel. Hier arbeiten Lehrlingsgruppen immer für mehrere Monate unter normalen Produktionsbedingungen. Von der Organisation des Materialflusses bis zur Kontrolle sind die Lehrlinge an allem beteiligt. 2000 unterschiedliche Modelle von Lastwagenachsen werden hier gefertigt, da muss man nicht nur drehen und montieren können, sondern Pläne und Arbeitsanweisungen genau verstehen und umsetzen. Gerwin Kohlbecker, der Leiter der gewerblichen Ausbildung im Daimler-Werk in Gaggenau:

    Gerwin Kohlbecker: Die Fabrik hat sich gewandelt, hat sich prozessorientiert aufgestellt, anhand der Produkte, die wir haben, in sich abgeschlossene Einheiten gebildet, und es lässt sich der Produktionsprozess deutlicher herausarbeiten und verfolgen. Ziel ist, dass der Azubi den Produktionsprozess kennt, vom ersten bis zum letzten Schritt, dass er die Dienstleistungsprozesse kennt, die das unterstützen, die Methoden, die sich dahinter verbergen. Und er wird auch später seinen Einsatz in dieser Prozesskette finden. Es ist eine hohe Flexibilisierung des Auszubildenden bzw. des Mitarbeiters.

    In der Halle, in der Karosserieteile gepresst werden, dem Produktbereich Umformtechnik, wurde eine Prozesslernwerkstatt eingerichtet. Hier haben die Lehrlinge eine Art Servicefunktion für den laufenden Betrieb. Sie fertigen oder reparieren Werkzeuge, fertigen Teile, die in geringer Stückzahl benötigt werden. Dabei durchlaufen sie den ganzen Produktionsprozess dieses Werksteils.

    Gerwin Kohlbecker: Wir haben früher den Zerspanerberuf zerspanen lassen, egal in welchem Center, Drehtechnik, überall drehen, er hat einen Einblick ins Drehen gekriegt, aber die Zusammenhänge nicht gesehen. Heute sagen wir, wir gehen weg von der tiefen fachlichen Qualifizierung, sondern schicken ihn nicht centerübergreifend, prozessübergreifend, sondern schicken ihn in den Prozess hinein, damit er zumindest einen Prozess versteht- also weg von der punktuellen Sicht hin zur Gesamtreflexion.

    Auch der Facharbeiter der Zukunft braucht Fachkenntnisse. Bei Daimler arbeiten die Lehrlinge in der ersten Ausbildungsphase nach wie vor in der Lehrwerkstatt. Dort bauen sie seit 15 Jahren den Mini-Unimog, ein Modell, an dem sie alle Techniken der Metallbearbeitung erlernen. Ohne eine gemeinsame fachliche Grundlage, unabhängig vom Ausbildungsbetrieb, bestünde die Gefahr, dass nur noch für die spezifischen Bedürfnisse des jeweiligen Betriebes ausgebildet würde. Dazu wären nur die wenigen Großbetriebe in der Lage. Die Industrie- und Handelskammern sorgten für diese Einheitlichkeit durch ihre bundesweit standardisierten Prüfungen. Während sich in der Maschinenbauindustrie Gewerkschaften und der Industriefachverband längst einig sind über neue, projektorientierte und fächerübergreifende Prüfungen, werden sie noch von den Kammern blockiert. Sie befürchten, ihr Prüfungs- und Zertifizierungsmonopol zu verlieren. Gerwin Kohlbecker von Daimler in Gaggenau könnte sich ein gründlich reformiertes Ausbildungs- und Prüfungssystem vorstellen:

    Gerwin Kohlbecker: Die Basisprüfung nach zwei Jahren, müsste standardisiert werden. Darauf aufbauend Projektorientierung, da tut es nicht weh, wenn es auseinandergeht. Es müsste ein Zertifikat für Betriebe geben, die prüfungsberechtigt sind, wie ISO und DIN. Aufpassen, wo sind die schwarzen Schafe.

    Bei Volkswagen ist man den gleichen Weg zurück in die Produktion gegangen. Man hat die Zahl der Ausbildungsberufe weiter verringert. Volkswagen hat aus 15 Fertigungsberufe fünf gemacht.

    Der Facharbeiter wird also gebraucht, mehr denn je. Aber sein Profil verändert sich. Er ist nicht unbedingt weniger qualifiziert als früher. Aber seine fachliche Qualifikation ist auswechselbarer. Der Facharbeiter der Zukunft ist flexibel und lernfähig, verantwortungsbewusst und motiviert. Er ist sich nicht zu schade, Tag für Tag eine Maschine zu überwachen und Routinetätigkeiten zu erledigen, die früher Handlanger erledigt haben. Und er identifiziert sich mit seiner Firma und seiner jeweiligen Aufgabe - auch wenn es morgen schon wieder eine andere sein kann.

    Gut 60 Prozent aller Beschäftigten geben heute an, dass sie ihren Beruf nie gewechselt haben. Das erscheint viel, dennoch ist die Sicherheit von früher zerstört, als der einmal gelernte Beruf die Identität eines Menschen sein Leben lang prägte. Der Beruf bietet eine Möglichkeit, sich selbst zu definieren, und damit gerade in Zeiten hoher Flexibilität mehr persönliche Sicherheit.

    Flexibilität und Mobilität sind nun von den an der Berufsbildung Beteiligten gefordert, vor allem von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Nicht im "heiteren Berufebasteln" liegt die Zukunft, also nicht darin, dass für jede neue Anforderung ein neuer Beruf geschneidert wird, sondern in einem flexiblen Konzept von Kernberufen und -qualifikationen, die dem lernenden Subjekt ein breites Beschäftigungsfeld und die Möglichkeit zum Weiterlernen eröffnen.