Beimer: Die Klarheit bei der Mehrheit der Völkerrechtler besteht darin, dass die Resolution vom November 2002, nämlich die berühmte 1441 eine Ermächtigung nicht enthält, um diesen Krieg zu beginnen. Es wird dort etwas sehr Vages angedeutet, was dann als Folge kommen könnte, wenn der Irak nicht klein bei gibt. Aber es ist nicht eindeutig definiert. Von dem Ende her würde Fairness in jedem Falle eigentlich verlangen, dass man noch mal spezifiziert, was man warum zu tun gedenkt.
Noltze: Das heißt, Sie würden sich aus völkerrechtlichen Gründen für eine neue Resolution aussprechen.
Beimer: Ja, das würde ich, und diese neue Resolution sollte respektiert werden. Wogegen man sich wendet und was das Neue ist, auf das Sie anspielten, war ja der Unilateralismus der Hegemonialmacht Amerika, der sich eigentlich erst in den letzten Jahren entwickelt hat, nachdem die andere Supermacht praktisch entfallen ist. Daraus ist die Theorie, die manchmal Bush-Theorie oder Bush-Doktrin genannt wird, dass man sich im vorhinein schon selbst verteidigen darf, entstanden. Die Mehrheit der Politologen und Rechtsgelehrten lehnt eine solche Doktrin ab.
Noltze: Aber ist denn die Sache mit einer neuen Resolution zu heilen? Ich verstehe die Erklärung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften schon so, dass sie sagen, es gibt ein grundsätzliches Gewaltverbot der UN-Charta und darin zwei Ausnahme. Eine ist die Abwehr von Friedensbrechern und die andere ist Selbstverteidigung.
Beimer: Die Selbstverteidigung wäre damals beim ersten Irak-Krieg angemessen gewesen. Hier liegt das doch nicht vor. Es gibt doch gar keine konkrete Gefahr, schon gar nicht für die USA, aber noch nicht einmal für kleine Anlieger wie Kuwait.
Noltze: Ist denn das Problem überhaupt die völkerrechtliche Einschätzung? Liegt das Problem nicht darin, dass durch das amerikanische Handeln derzeit sowohl das Völkerrecht als auch der Sicherheitsrat praktisch neutralisiert werden? Also, man versucht es mit dem UN-Segen, man bemüht sich um Mehrheiten. Aber von vorneherein wurde erklärt, dass die USA es auch ohne uns macht.
Beimer: Und darin liegt ein übler Unilateralismus. Selbst wenn es nicht passieren sollte, was ja sein kann, denn dass Bush überhaupt noch eine Resolution will, ist ja schon ein großer Fortschritt, sind ja die UNO und der Sicherheitsrat in das zweite Glied getreten. Man muss fairer Weise sagen, dass Bundeskanzler Schröder genau das Gleiche gemacht hat. Er hat ja von vorneherein eine Beteiligung an einem Irak-Krieg abgelehnt, ohne den Sicherheitsratsbeschluss abzuwarten. Das finde ich nicht gut.
Noltze: Unilateralismus heißt dann aber doch, wie Sie sagen, dass das Völkerrecht außer Kraft gesetzt wird und das Recht des Stärkeren gilt.
Beimer: Ja, das ist so. Hier sind einige gleicher als gleich, nämlich die Starken. Wenn das regional Schule macht, und es gibt ja bisher genügend Atommächte in der Dritten Welt, dann haben wir bald wirklich die Anarchie in der Weltordnung. Genau das Gegenteil wollten wir jedoch haben.
Noltze: Das Dilemma ist doch, dass die einzige Macht, die dem Völkerrecht zur Durchsetzung verhelfen könnte, die Macht ist, die es jetzt wahrscheinlich beugt. Was folgt daraus?
Beimer: Ja, das ist ja das Groteske, nämlich dass wir uns auf das berufen, was wir von Amerika gelernt haben. Denn Präsident Roosevelt hatte ja seiner Zeit als wichtigstes Ziel die Schaffung der UNO und eine Friedensordnung auf Weltebene. Diese Macht, die das geschaffen und in schwieriger Zeit gegen Stalin durchgesetzt hat, tritt jetzt ihre eigenen Errungenschaften mit Füßen. Sie müssen sich dann nicht wundern, wenn die geduldigen Schüler von damals nun heute ein bisschen aufmüpfiger werden und an die eigenen Prämissen der Amerikaner von damals erinnern.
Noltze: War das Völkerrecht die Idee einer UN-Weltregierung? War das ein Traum, aus dem wir gerade erwachen müssen?
Beimer: Aus Träumen kann man erwachen, und man kann sie erneut träumen. Wir sind heute in diese Richtung weiter gekommen. Das Ende des Kalten Krieges hat die Sache gefördert. Die Tatsache, dass allein Russland sich heute als Nachfolgestaat der Sowjetunion mit in dieses UN-Weltsicherheitssystem eingliedert, ist schon ein großer Fortschritt. Da würde ich nun auch nicht in Panik ausbrechen. Bushs Amtszeit ist irgendwann vorbei. Dann wird wahrscheinlich irgendwann eine andere Politik betrieben.
Link: mehr ...
888.html
Noltze: Das heißt, Sie würden sich aus völkerrechtlichen Gründen für eine neue Resolution aussprechen.
Beimer: Ja, das würde ich, und diese neue Resolution sollte respektiert werden. Wogegen man sich wendet und was das Neue ist, auf das Sie anspielten, war ja der Unilateralismus der Hegemonialmacht Amerika, der sich eigentlich erst in den letzten Jahren entwickelt hat, nachdem die andere Supermacht praktisch entfallen ist. Daraus ist die Theorie, die manchmal Bush-Theorie oder Bush-Doktrin genannt wird, dass man sich im vorhinein schon selbst verteidigen darf, entstanden. Die Mehrheit der Politologen und Rechtsgelehrten lehnt eine solche Doktrin ab.
Noltze: Aber ist denn die Sache mit einer neuen Resolution zu heilen? Ich verstehe die Erklärung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften schon so, dass sie sagen, es gibt ein grundsätzliches Gewaltverbot der UN-Charta und darin zwei Ausnahme. Eine ist die Abwehr von Friedensbrechern und die andere ist Selbstverteidigung.
Beimer: Die Selbstverteidigung wäre damals beim ersten Irak-Krieg angemessen gewesen. Hier liegt das doch nicht vor. Es gibt doch gar keine konkrete Gefahr, schon gar nicht für die USA, aber noch nicht einmal für kleine Anlieger wie Kuwait.
Noltze: Ist denn das Problem überhaupt die völkerrechtliche Einschätzung? Liegt das Problem nicht darin, dass durch das amerikanische Handeln derzeit sowohl das Völkerrecht als auch der Sicherheitsrat praktisch neutralisiert werden? Also, man versucht es mit dem UN-Segen, man bemüht sich um Mehrheiten. Aber von vorneherein wurde erklärt, dass die USA es auch ohne uns macht.
Beimer: Und darin liegt ein übler Unilateralismus. Selbst wenn es nicht passieren sollte, was ja sein kann, denn dass Bush überhaupt noch eine Resolution will, ist ja schon ein großer Fortschritt, sind ja die UNO und der Sicherheitsrat in das zweite Glied getreten. Man muss fairer Weise sagen, dass Bundeskanzler Schröder genau das Gleiche gemacht hat. Er hat ja von vorneherein eine Beteiligung an einem Irak-Krieg abgelehnt, ohne den Sicherheitsratsbeschluss abzuwarten. Das finde ich nicht gut.
Noltze: Unilateralismus heißt dann aber doch, wie Sie sagen, dass das Völkerrecht außer Kraft gesetzt wird und das Recht des Stärkeren gilt.
Beimer: Ja, das ist so. Hier sind einige gleicher als gleich, nämlich die Starken. Wenn das regional Schule macht, und es gibt ja bisher genügend Atommächte in der Dritten Welt, dann haben wir bald wirklich die Anarchie in der Weltordnung. Genau das Gegenteil wollten wir jedoch haben.
Noltze: Das Dilemma ist doch, dass die einzige Macht, die dem Völkerrecht zur Durchsetzung verhelfen könnte, die Macht ist, die es jetzt wahrscheinlich beugt. Was folgt daraus?
Beimer: Ja, das ist ja das Groteske, nämlich dass wir uns auf das berufen, was wir von Amerika gelernt haben. Denn Präsident Roosevelt hatte ja seiner Zeit als wichtigstes Ziel die Schaffung der UNO und eine Friedensordnung auf Weltebene. Diese Macht, die das geschaffen und in schwieriger Zeit gegen Stalin durchgesetzt hat, tritt jetzt ihre eigenen Errungenschaften mit Füßen. Sie müssen sich dann nicht wundern, wenn die geduldigen Schüler von damals nun heute ein bisschen aufmüpfiger werden und an die eigenen Prämissen der Amerikaner von damals erinnern.
Noltze: War das Völkerrecht die Idee einer UN-Weltregierung? War das ein Traum, aus dem wir gerade erwachen müssen?
Beimer: Aus Träumen kann man erwachen, und man kann sie erneut träumen. Wir sind heute in diese Richtung weiter gekommen. Das Ende des Kalten Krieges hat die Sache gefördert. Die Tatsache, dass allein Russland sich heute als Nachfolgestaat der Sowjetunion mit in dieses UN-Weltsicherheitssystem eingliedert, ist schon ein großer Fortschritt. Da würde ich nun auch nicht in Panik ausbrechen. Bushs Amtszeit ist irgendwann vorbei. Dann wird wahrscheinlich irgendwann eine andere Politik betrieben.
Link: mehr ...
888.html