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Gebühren und Kurzstudium machen unbeweglich

Trotz der Veränderungen durch den Bologna Prozess - weder Studierende noch Wissenschaftler können frei wählen, wo sie im Ausland studieren und arbeiten möchten. Zu viele Hindernisse verbauen noch immer den Weg, meint Andreas Keller, Vorstandsmitglied der Bildungsgewerkschaft GEW. So entscheidet auch die Anrechnung von Rentenansprüchen über die Wahl des Arbeitsplatzes. Doch Wissenschaftler, die im Ausland forschen und lehren, müssen riskieren, dass sie ihre Versorgungsansprüche verlieren.

Von Verena Kemna |
    "Wenn nun ein Hochschullehrer oder ein wissenschaftlicher Mitarbeiter ins Ausland geht, dann ist häufig unklar, was mit seiner Sozialversicherung passiert. Also er zahlt zum Beispiel in eine Sozialversicherung ein, etwa in eine Rentenkasse und er kommt zurück und hat keinen Anspruch auf Leistung. Dieses Problem ist innerhalb der Europäischen Union weitgehend gelöst, aber außerhalb der Europäischen Union häufig unsicher."

    ...sagt Andreas Keller von der Bildungsgewerkschaft GEW. Außerdem müssen viele, die den Schritt dennoch wagen, Gehaltseinbußen akzeptieren, sagt der Gewerkschaftssprecher. Mit einer europaweiten Mobilitätskampagne wollen Bildungsgewerkschaften und Studierendenvertretungen nun auf diese Probleme aufmerksam machen. Let´s go, lautet das Motto der Kampagne. Denn vieles steht den Studierenden auf dem Weg ins Ausland entgegen. So gibt es an Hochschulen keine einheitliche Akzeptanz von Studienleistungen. Und Erasmus, das so genannte Mobilitätsstipendium, reicht nicht aus, um einen Aufenthalt im Ausland zu finanzieren. Gewerkschaftsmann Andreas Keller hat Erfahrung als Erasmusbeauftragter in Berlin.

    "Viele Studierende sind häufig irritiert, wenn sie erfahren, dass es nur um einen zweistelligen Eurobetrag geht, den sie zusätzlich bekommen zu dem Geld, was sozusagen vorausgesetzt wird. Nun ist das Problem, dass viele Studierende, wenn sie ins Ausland gehen, ihre Jobs verlieren, auf die sie angewiesen sind. Das heißt, einfach nur den Mehraufwand bezahlen, der durch einen Auslandsaufenthalt entsteht, reicht nicht aus. Wir sind der Meinung dass Mobilitätsstipendien auch den Lebensunterhalt und die Studiengebühren einschließen müssten."
    Katharina Voss ist eine, die es allen vermeintlichen Hindernissen zum Trotz dennoch gewagt hat. Mit ihrer Entscheidung für den Diplomstudiengang "Frankreichstudien" an der Freien Universität Berlin war für sie ein Studienjahr in Frankreich von vornherein ein klares Ziel. Durch das Erasmusprogramm musste sie in Paris keine Studiengebühren bezahlen. Außerdem waren 90 Euro Büchergeld im Monat garantiert.

    "Finanziert habe ich es durch Auslandsbafög und einen Teil durch Erasmus, was aber wirklich einen geringen Teil ausmacht. Wenn man in Paris studiert, reichen halt 90 Euro mal so eben nicht aus, und ich hatte privat noch Finanzspritzen bekommen, sonst hätte ich das nicht bezahlen können. Gerade in Paris nicht, weil die Wohnungen sehr teuer sind und das allgemeine Leben viel zu teuer ist."

    Viele, sagt sie, haben in Frankreich neben dem Studium gearbeitet oder in einem billigen Studentenwohnheim gewohnt. Inzwischen hat Katharina Voss ihr Diplomstudium nach neun Semestern mit Erfolg beendet und arbeitet am Institut Francais in Berlin. Ohne die Erfahrung aus Paris, wäre das wohl nicht möglich, meint sie.

    "Ich kann eigentlich nur jedem ans Herz legen, dieses Jahr zu nutzen. Man kann halt Erasmus nur einmal machen. Ich würde es auf jeden Fall tun, es hat mich sehr viel weiter gebracht in der Sprache, in der Kultur. Ich habe viele Freunde gefunden. Da zu sein und auf sich alleine gestellt zu sein und alles alleine zu machen, zu organisieren, zu leben, ja, ich würde es sofort wieder machen. Also wenn mir jemand ein Ticket schenken würde, wäre ich sofort weg. "

    Doch für die meisten ist ein Auslandsstudium aus finanziellen Gründen nicht möglich, sagt Martin Menacher vom Vorstand des freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften. Er hofft, dass die Mobilitätskampagne auch daran etwas ändert.

    "Grundsätzlich würde ich sagen, dass die sozialen Rahmenbedingungen so gestaltet werden müssen, dass es allen Studierenden möglich sein muss, ins Ausland zu gehen. Ob sie das dann so entscheiden, ob sie ins Ausland gehen wollen oder nicht, ist ihre eigene Entscheidung, aber zumindest müssen die Ausgangsbedingungen so gestaltet werden, dass es allen möglich ist."