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Gebührenflüchtlinge in Rheinland-Pfalz

Das neue Semester hat begonnen, und unter den Studierenden in Mainz befinden sich auch viele Langzeitstudenten aus Hessen. Aufgrund der Studiengebühren in ihrem Bundesland sind sie ins benachbarte Rheinland-Pfalz geflohen. Dort herrschen noch bessere Konditionen.

Von Mike Roth |
    Marburg Hauptbahnhof, 6 Uhr 45. Unter den Pendlern, die sich in der mittelhessischen Universitätsstadt auf den Weg ins Rhein-Main Gebiet machen, ist auch Magnus Petersen. Über zwei Stunden Zugfahrt liegen vor ihm. Sein Ziel: die Uni Mainz. Dort hat sich der 31-jährige Langzeitstudent vor zwei Semestern eingeschrieben:

    " Ich wollte noch mal Mathematik studieren. Und da ich nun schon vorher was anders, Geologie in Marburg studiert hatte, konnte ich das ja in Marburg nicht mehr machen, wegen der hohen Semestergebühren, die ich hätte bezahlen müssen. Deswegen hab ich das dann in Mainz gemacht."

    So wie Magnus machen es in Hessen viele Langzeitstudenten. Seit die CDU-geführte Landesregierung vor einem Jahr Studiengebühren eingeführt hat, suchen die so genannten Hessenflüchtlinge vor allem in Mainz Asyl. Der Grund: In Rheinland-Pfalz dürfen Studierende ihre Regelstudienzeit um das siebeneinhalb Fache überschreiten. Erst dann werden sie zur Kasse gebeten. Und wer als Langzeitstudent ein neues Studium in Mainz beginnt, kommt sogar kostenlos davon. Für Magnus Petersen hat das neue Studium allerdings noch einen anderen Vorteil:

    "Außerdem gehe ich einem studentischen Job in Frankfurt nach und da brauche ich auch ein Semesterticket, um dort hin zu kommen - hätte ich keinen Studentenstatus, na ja. Wenn ich bei dem jetzigen Arbeitsmarkt überhaupt irgendetwas zum Arbeiten finden würde, was halt unwahrscheinlich ist, dann würde ich Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II bekommen. Deshalb brauch ich auch unbedingt die Einschreibung."

    Bisher flüchteten bereits rund 1200 Langzeitstudenten aus Hessen nach Mainz. In diesem Semester rechnet man mit weiteren 200. Für Uni-Präsident Jörg Michaelis werden die Hessenflüchtlinge mittlerweile zum Problem:

    "Ich finde diese Entwicklung nicht sehr gut, weil diese Art der Langzeitstudierenden ja nicht zu den Spitzenstudierenden gehören. Und von daher haben wir hier eine größere Zahl von Studierenden bekommen, die einfach unsere Ausbildungskapazität mit belasten und die eben von der Qualität nicht sehr viel versprechend sind."

    In den vergangenen vier Jahren ist die Studierendenzahl an der Johannes Gutenberg Universität um Ein Viertel gestiegen. Den Grund für die Studentenschwemme sieht Michaelis vor allem in den geburtenstarken Jahrgängen, die bundesweit an die Hochschulen drängen. Hinzu kommen noch die Flüchtlinge aus Hessen. Die Hochschule machte deshalb jetzt die Schotten dicht:

    "Wir mussten in überlaufenen Studiengängen den Numerus Clausus einführen, das heißt die Zulassungszahl begrenzen. Wir haben jetzt in einem Drittel aller Fächer und rund 50 Prozent aller Studiengänge einen solchen Numerus Clausus eingeführt, um uns vor diesen großen Zahlen zu schützen."

    Unter den Mainzer Studierenden sorgt die Bollwerkpolitik der Hochschulleitung für einigen Wirbel. Die AStA Vorsitzende Katharina Binz findet es schlichtweg ungerecht, die Folgen von Studiengebühren auf dem Rücken der Studierenden auszutragen:
    "Das ist schon ein Problem, allerdings würden wir die Schuld da nicht auf die Studierenden schieben, denn die sind im Endeffekt nur Opfer von einer schlechten Bildungspolitik, wie sie auch in Hessen, und teilweise auch in Rheinland Pfalz gefahren wird."

    Uni-Präsident Michaelis will das so nicht gelten lassen. Trotz steigender Studierendenzahlen musste die Uni Mainz in den vergangenen Jahren deutliche Kürzungen hinnehmen, sagt er. Die Flüchtlinge aus Hessen seien da nur das geringste Übel. Sollten die anderen Bundesländer allerdings auch Gebühren für das Erststudium einführen, sieht er schwarz für die Mainzer Universität:

    "Es würde den Kollaps bedeuten. Und deshalb hoffe ich immer noch, dass es hier doch in der Frage der Studiengebühren zu einer möglichst bundeseinheitlichen Regelung kommt, dass da nicht unnötige Studierendenströme in Bewegung gesetzt werden. Und von daher hoffe ich hier auf Einigungsbedingungen der Bundesländer."