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Gebündelte Energie vom Meer

Die ersten Räder drehen sich bereits vor der Nordseeinsel Borkum. Bis Ende des Jahres soll das erste deutsche Windkraftwerk auf hoher See regulär Strom erzeugen.

Von Christina Selzer |
    Am größten Standort von BARD Engineering in Emden findet sich die elektronische Leitwarte, die heute offiziell in Betrieb genommen wird. Hier sollen rund um die Uhr Techniker, Logistiker und Nautiker arbeiten und für den reibungslosen Betrieb der ersten Offshore-Anlage auf hoher See sorgen, erläutert Andreas Kölling von BARD.

    "Wir haben auf großen Monitorwänden die Überwachung jeder Anlage. Wir können die Leistung abrufen, eingreifen, steuern. Wir können den Standort jedes Schiffes, das im Einsatz ist, erkennen in Realzeit, haben Verbindung zu jeder Gondel und zu den Fundamenten. Diese haben ja eine Tür, in die Sie reingehen können. Die wird auch überwacht."

    Noch wird nur die Testanlage kontrolliert. Im Herbst, wenn die ersten Anlagen im Meer aufgestellt sind, wird die Leitwarte dann diese überwachen.

    "In dem Maßstab, wie wir die Offshore die Energie nutzen wollen, wird es noch nicht gemacht, aber wenn sie das machen wollen, dann kommen Sie an Kapazitäten, die Kraftwerken an Land ähneln. Da braucht man solche Leitwarten, um solch ein Kraftwerk betreiben zu können."
    100 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum in der Nordsee werden demnächst 80 Windkraftanlagen installiert. Gesamtleistung: 400 Megawatt. Der erzeugte Strom wird 400.000 Haushalte versorgen können. Heiko Ross, Geschäftsführer des Offshore-Unternehmens BARD erklärt, was das Besondere ist. Alles liegt in einer Hand: Aufbau, Stromproduktion und die Installation der Kabel.
    "Als wir begonnen haben, wollten wir Anlagen kaufen und aufstellen. Aber dann haben wir gemerkt, dass es keine guten Lösungen gibt. Deshalb haben wir eigene Lösungen entwickelt und können jetzt alles komplett schlüsselfertig anbieten."

    Seit zehn Jahren schon planen Bundesregierung und Unternehmen riesige Windparks auf dem Meer. Und trotzdem drehte sich bislang noch kein Offshore-Rad. Technische Schwierigkeiten, Probleme mit dem Kabelanschluss, fehlendes Geld: Offshore-Anlagen kosten dreimal so viel wie vergleichbare an Land.

    Allein die Wartung verschlingt fast ein Drittel der Gesamtkosten. Windböen von 160 Kilometern pro Stunde, Wellen von 15 Metern Höhe, Schäden durch die salzhaltige Luft: Für viele Unternehmen waren die schwer zu kalkulierenden Kosten abschreckend.

    Das steigende Interesse vieler Unternehmen hat auch mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu tun. Der Bundestag beschloss, die Vergütung der Kilowattstunde von neun auf 15 Cent zu erhöhen, wenn der Windpark bis Ende 2015 ans Netz geht. Inzwischen hat das Bundesamt für Seeschifffahrt mehr als 20 Flächen freigegeben. Und auch bei BARD sind weitere Projekte in Planung: Für elf Nordsee-Windparks hat das Unternehmen bislang Anträge gestellt, acht in Deutschland, drei in den Niederlanden, so Geschäftsführer Heiko Ross.

    "Wir wollen ab 2010 ein Kraftwerksprojekt pro Jahr errichten mit 80 Windkraftanlagen, fünf Megawatt-, 6,5 Megawatt-Anlagen pro Jahr."

    Ein Engpass für weitere Projekte stellten die Errichterschiffe dar, von denen es derzeit noch zu wenig gebe, sagt Ross. Für die Zukunft ist BARD wegen der steigenden Nachfrage nach Offshore-Strom auf eine Ausweitung der Produktionskapazitäten vorbereitet. Derzeit seien allerdings Finanzierungszusagen von Offshore-Windparks noch von der vorherigen Bereitstellung der Netzanschlüsse abhängig. Bei einer Einigung hat die Offshore-Windkraft gute Perspektiven, davon ist Heiko Ross überzeugt. Zwar sind Bau und Wartung auf hoher See aufwendiger und teurer. Dafür gibt es aber auch doppelt so viel Wind, wie bei Anlagen an Land. 4500 Stunden Wind im Jahr, damit rechnet ein Windkraftunternehmen. Ende September sollen die ersten zehn Anlagen 100 Kilometer vor der Insel Borkum stehen.