Rohwedder: "Also ich bin der Meinung, dass man nicht nur an heute denken muss. Wichtig ist, dass man auch an Morgen denkt."
Hans-Peter Neumann: "Unter der Treuhand haben wir investiert, damit es weitergeht!"
Auf die EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt lassen die Leute südlich von Frankfurt an der Oder nichts kommen. 3000 Beschäftigte hat das Unternehmen heute. Gleichwohl wird der Kanzler am 18. August in Eisenhüttenstadt reden, um das 50jährige Jubiläum des größten ostdeutschen Stahlerzeugers zu begleiten. Die bis dahin versprochene große Zukunft schien nach dem Fall der Mauer ungewiss zu sein. Es stand also ein Kampf an mehreren Fronten bevor: Treuhand, Europäische Union und Bundesregierung. Riva, Cockeril Sambre und schließlich Usinor hießen die Verhandlungspartner.
Die Eisen- und Stahlerzeugung ist nicht nur eine Art Indikator potentieller militärischer Stärke gewesen, sondern auch Gradmesser der Entwicklung eines Landes. So sehen es die Historiker - seit Beginn des 19. Jahrhunderts, seit die globale Industrialisierung die Welt verändert. Das gilt auch für die DDR, deren Ministerrat 1950 beschlossen hatte, ihren Stahlstandort am Rande der kleinen Gemeinde Fürstenberg anzusiedeln.
"Hier in Fürstenberg wird sowjetisches Erz mit polnischer Kohle zu deutschem Friedens-Stahl geschmolzen. Hier in Fürstenberg entsteht eine neue Stadt, deren Bewohner in unserem modernsten Hüttenwerk vorbildliche Arbeit leisten und im Zusammenhang mit dem Werk und der Wohnstadt in Verbindung mit sozialen und kulturellen Einrichtungen die Möglichkeit haben werden, beispielhaft für die politische und kulturelle Gestaltung unseres künftigen gesellschaftlichen und politischen Lebens in ganz Deutschland sein."
So lautete eine Rede zwei Jahre nach dem Aufbau des Hüttenkombinates Ost. Ausschlaggebend für die Standortwahl gewesen waren militärstrategische Erwägungen bei der Wahl des Standortes. Immerhin hatte die Region Magdeburg-Rothensee keine Chance gehabt. Die galt als zu westnah. Hinzu kamen die ideale Verkehrslage Fürstenbergs, nicht nur durch die nahe Oder, ein beachtliches Arbeitskräftereservoir und eine räumliche Ausdehnung.
Am 11. August 1950 übergab Walter Ulbricht den mit Moskau abgestimmten Fünf-Jahr-Plan-Vorschlag an die DDR-Regierung und forderte dabei nachdrücklich , sofort mit den Arbeiten für das neue Hüttenkombinat zu beginnen. Aus dem DDR-Rundfunk:
DDR-Rundfunk: (Geräusch Traktoren) ... "Die Traktoren schieben sich durchaus das Land, westlich des Oder-Spree-Kanals."
Die Zahl der Beschäftigten nahm von Monat zu Monat zu. Waren es am 18. August 1950 noch 200 Arbeitskräfte, so wuchs deren Zahl zum Jahreswechsel 1950/51 auf über 2000 an. Rundfunk und Zeitschriften berichteten über die größe Baustelle des Landes. Ellen Nitz, wollte Architektur studieren - und deshalb war sie 1951 nach Fürstenberg gekommen. Sie nennt ihre Arbeitsgruppe heute eine Vorzeigebrigade. Die bestand aus Frauen. Bis dahin mussten Frauen als Hilfsarbeiterinnen schwere Arbeiten übernehmen. Ganz einfach wurde die angebliche Gleichbehandlung der Frauen nicht.
Ellen Nitz: "Die Männer versuchten mich zu demütigen. Es gab unmoralische Gerüchte. Die Frauen wurden mit Steinen beworfen. Es wurde geguckt, ob alles funktioniert, dort, wo sie arbeitet."
Für Ellen Nitz galt das sogenannte "Warschauer Tempo" als Vorgabe:
Ellen Nitz: "Warschauer Tempo kam aus Warschau. Dort wurde ja schon viel aufgebaut. Die polnischen Arbeitsmethoden hatten ihre eigene Art. Da wurde ein 3er-System durchgeührt. Einer trug die Steine, der nächste legte den Mörtel, der Dritte legte die Ziegel darauf. Das war zwar effektiv, war von der Qualität nicht so gut."
700 Mark monatlich haben die Frauen für ihre Arbeit bekommen. Das war zur damaligen Zeit viel Geld. Hingegen brauchten sie jemanden, der sie einweist. Es wurde also ein Polier zur Seite gestellt.
Ellen Nitz: "Dieser Polier hat gedacht, er könnte Ruhm und Ehre erhalten. Tatsächlich hat er sich in Schankbuden rumgetrieben. Das wurde uns dann zu viel. Den wollten wir nicht mehr haben. Da kam er mal, und wir haben ihm dann ein blaues Auge geschlagen und eine kleine Notiz in die Zeitung gesetzt über unsere Qualifizierung unserer Brigade."
Einige Frauen sagen, sie dachten, sie müssten sterben - wegen der hohen Belastung. Das Plansoll hatte DDR-Staatschef Ulbricht auf dem dritten Parteitag bekannt gegeben.
Ulbricht: "Applaus: Wir haben das Plansoll um 275 Prozent erhöht. Damit wird endlich die Deutsche Demokratische Republik in die Lage versetzt werden, Friedensstaal zu produzieren..... Applaus."
Der Aufbau des Werkes kam gut voran. Erst konnte der erste, dann am 11. November 1952 der dritte und vierte Hochofen angeblasen werden.
Am Hochofen 4: "Ofen 4 ist klar. Die Öffnung wurde aufgeschweißt. Stahl fließt raus und bahnt sich den Weg. Die Arbeiter nehmen die Arme vor das Gesicht. Mit entblößtem Haupt sind sie stolz dabei zu sein. Der Kollege Schirmer hier hat alles bisher und heute erlebt. Schirmer: Ich war einer, der das Glück hatte, mitzuerleben, dass wir etwas Derartiges schaffen können."
Die DDR feierte sich selber. Doch die Stahlproduktion war weiterhin un- rentabel. Und: Die Führung stand unter Druck. Moskau hatte der DDR eine beschleunigte Militarisierung empfohlen. So sollte das 17-Millionen Volk als westlichster sowjetischer Vorposten Kriegsschiffe und Militärflugzeuge produzieren. Es wurden 1, 26 Millionen Tonnen Roheisen benötigt, - zu viel für die Deutsche Demokratische Republik. Dies sollte keineswegs die Stimmung im Lande beeinträchtigen.
"Die roten Sterne ... zeugen vom Erfolg."
So war es durchaus Überzeugung, was eine Familie dem Reporter in der Wohnstadt, die zwei Jahre später "Stalinstadt" hieß, ins Mikrofon sprach.
Familie am Küchentisch: "Und wenn man bedenkt, dass im vorigen Jahr hier Nichts war, sind zwei Hochöfen emporgewachsen. Das ist wie ein Wunder. Es packt einen. Ich denke ständig an das Lichtermeer, das mich an Weihnachten erinnert. Das ist wahrhaftig eine Weihnachtsstimmung, die die Friedensakte unserer sowjetischen, polnischen Freunde dokumentiert. Ja, ja, ja, sieh Dir das mal an. Kurt: Ja, ja, das ist Friedensstahl, im Dreiklang der Freundschaft. Und bald schon beginnen neue Hochöfen zu brennen , Du!"
Nicht nur der Verkauf von Mangelwaren sollte die Menschen bei Laune halten. Besondere Verkaufsschlager waren Fahrräder, Wassereimer, Schuhe und Bettwäsche. Es galt, die Identifikation der Bevölkerung, also den Beschäftigten, mit EKO zu entwickeln. Arbeitsschutz und Arbeitshygiene - darum wollte sich der Ministerrat ab 1952 zuerst kümmern. Es entstand eine Poliklinik.
"Durch die großen Räume laufen die Arbeiter. Sie sitzen in breiten, bequemen Sesseln und warten. Das Krankenhaus wird durchflutet durch die großen hellen Fenster."
Die Sonderversorgung, so glauben Historiker, erwies sich als Vorteil. Also wurde noch ein Kinderhort gegründet.
(Kinderlachen)... "Die Kleinen liegen in ihrem Krippen. Die Kolleginnen tragen weiße Kittel wie die Ärzte. Fröhliches Kinderlachen. Die Kinder liegen in kleinen weißen Körbchen. Hier entdecken wir die erste sozialistische Stadt."
Erst in den 60er Jahren hatte sich die DDR nach der Sowjetunion zur zweiten sozialistischen Industriemacht entwickelt. Dennoch blieben die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Planaufgaben wurden nicht erfüllt. Erich Honecker sprach 1971 auf dem achten SED-Parteitag von einer ökonomischen Hauptaufgabe. Das Eisenhüttenkombinat bestimmte dennoch weiterhin den Rhythmus der Stadt. Über 75 Prozent aller in der Industrie Beschäftigten arbeiteten bei EKO. Jeden Mor- gen um fünf erwachte die Stadt.
Im Vergleich zu Westdeutschland hinkte die DDR-Produktion in Eisenhüttenstadt hinterher. Im Vergleich mit den Staaten des Ostblocks konnte das Kombinat allerdings vordere Plätze belegen.
Nach dem Fall der Mauer schien EKO zunächst nicht wettbewerbsfähig zu sein. In Eisenhüttenstadt befanden sich gewissermaßen zwei Welten, hervorgerufen durch die Staatsverschuldung. Einerseits waren im Werk Anlagen zu finden, die technologisch, ökologisch und damit wirtschaftlich seit Jahrzehnten verschlissen waren - und andererseits Betriebsteile, die modernsten internationalen Ansprüchen genügten. Der Personalbestand lag bei 11.000 Beschäftigten.
So war Detlev Rohwedder, der Chef der Treuhandanstalt, im Juni 1991 wieder einmal nach Eisenhüttenstadt gereist.
Rohwedder: "In Eisenhüttenstadt leben 50.000 Menschen. Das Werk liegt am östlichen Rand der Bundesrepublik. Das ist nicht gut für den westeuropäischen Markt. Durch die Lage im Osten, mit Blick auf die anderen Staaten dort, könnte dies auch ein Vorteil sein."
Es begannen Verhandlungen mit Krupp. Nach dem Scheitern wurde entschieden, EKO-Stahl als Aktiengesellschaft zunächst in der Verwaltung der Treuhand weiter zu führen. Die Forderung der westdeutschen Stahlindustrie nach einem Subventionsverbot für deutsche und europäische Stahlunternehmen wurde als Angriff auf EKO-Stahl gewertet, was die "New York Times" zu der Bemerkung veranlasste.
"Ein Werk, zu groß, um geschlossen zu werden."
Ein Stilllegungskonzept, so sagten Experten, schien plausibel zu sein. Es erwies sich aber unter sozialen und politischen Gesichtspunkten als indiskutabel. Bundeskanzler Helmut Kohl erklärte EKO zur Chefsache. Derweil, so erinnert sich Hans-Peter Neumann, heute Mitglied der Geschäftsführung, an den Umbau. O-Ton Neumann "Unter der Treuhand haben wir 220 Millionen Mark investiert und 20 Millionen Mark für die Infrastruktur ausgegeben, dass es weitergeht." Inzwischen waren die Verhandlungen mit der italienischen RIVA-Gruppe weit gediehen. 1994 ergaben sich allerdings erste Anzeichen, daß Riva nicht die finanziellen Voraussetzungen mitbringen könnte, um EKO-Stahl zu retten. Die Treuhandanstalt hatte daher die Offenlegung der Finanzlage des Bieters gefordert. Dann wurde die Übernahme genehmigt, aber RIVA verzichtete am 13. Mai 1994. Riva hatte erklärt, die Gruppe wolle die Zahl der Belegschaft von 3.000 auf 2.300 verringern. Weil es auch hieß, ein Konzept für den sozialverträglichen Bau existiere nicht, endeten die Auseinandersetzungen mit dem Abbruch der Verhandlungen.
Gleichzeitig hatte das belgische Unternehmen Cockeril Sambre darüber nachgedacht, wie es die Präsenz auf dem deutschen Mark ausbauen könne. Ein halbes Jahr später lag das Angebot zur Übernahme von EKO-Stahl bei der Treuhandanstalt vor, erinnert sich Vorstand Hans-Peter Neumann.
Neumann: "Zum 1. Januar 1995 sind wir ein 100 prozentiges Tochterunternehmen von Cockerill Sambre. Seit dem 1. Dezember 1999 gehören wir als zur Usinor Gruppe. Also der Eigner sitzt in Belgien. Geführt werden wir aber aus Paris. Unsere Aufgaben liegen in der Erschließung der osteuropäischen Märke. Denken Sie nur an Polens Automobilunternehmen. Es war ein langer Weg, bis die Konsolidierung des Unternehmens abgeschlossen war."
Hans-Peter Neumann: "Unter der Treuhand haben wir investiert, damit es weitergeht!"
Auf die EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt lassen die Leute südlich von Frankfurt an der Oder nichts kommen. 3000 Beschäftigte hat das Unternehmen heute. Gleichwohl wird der Kanzler am 18. August in Eisenhüttenstadt reden, um das 50jährige Jubiläum des größten ostdeutschen Stahlerzeugers zu begleiten. Die bis dahin versprochene große Zukunft schien nach dem Fall der Mauer ungewiss zu sein. Es stand also ein Kampf an mehreren Fronten bevor: Treuhand, Europäische Union und Bundesregierung. Riva, Cockeril Sambre und schließlich Usinor hießen die Verhandlungspartner.
Die Eisen- und Stahlerzeugung ist nicht nur eine Art Indikator potentieller militärischer Stärke gewesen, sondern auch Gradmesser der Entwicklung eines Landes. So sehen es die Historiker - seit Beginn des 19. Jahrhunderts, seit die globale Industrialisierung die Welt verändert. Das gilt auch für die DDR, deren Ministerrat 1950 beschlossen hatte, ihren Stahlstandort am Rande der kleinen Gemeinde Fürstenberg anzusiedeln.
"Hier in Fürstenberg wird sowjetisches Erz mit polnischer Kohle zu deutschem Friedens-Stahl geschmolzen. Hier in Fürstenberg entsteht eine neue Stadt, deren Bewohner in unserem modernsten Hüttenwerk vorbildliche Arbeit leisten und im Zusammenhang mit dem Werk und der Wohnstadt in Verbindung mit sozialen und kulturellen Einrichtungen die Möglichkeit haben werden, beispielhaft für die politische und kulturelle Gestaltung unseres künftigen gesellschaftlichen und politischen Lebens in ganz Deutschland sein."
So lautete eine Rede zwei Jahre nach dem Aufbau des Hüttenkombinates Ost. Ausschlaggebend für die Standortwahl gewesen waren militärstrategische Erwägungen bei der Wahl des Standortes. Immerhin hatte die Region Magdeburg-Rothensee keine Chance gehabt. Die galt als zu westnah. Hinzu kamen die ideale Verkehrslage Fürstenbergs, nicht nur durch die nahe Oder, ein beachtliches Arbeitskräftereservoir und eine räumliche Ausdehnung.
Am 11. August 1950 übergab Walter Ulbricht den mit Moskau abgestimmten Fünf-Jahr-Plan-Vorschlag an die DDR-Regierung und forderte dabei nachdrücklich , sofort mit den Arbeiten für das neue Hüttenkombinat zu beginnen. Aus dem DDR-Rundfunk:
DDR-Rundfunk: (Geräusch Traktoren) ... "Die Traktoren schieben sich durchaus das Land, westlich des Oder-Spree-Kanals."
Die Zahl der Beschäftigten nahm von Monat zu Monat zu. Waren es am 18. August 1950 noch 200 Arbeitskräfte, so wuchs deren Zahl zum Jahreswechsel 1950/51 auf über 2000 an. Rundfunk und Zeitschriften berichteten über die größe Baustelle des Landes. Ellen Nitz, wollte Architektur studieren - und deshalb war sie 1951 nach Fürstenberg gekommen. Sie nennt ihre Arbeitsgruppe heute eine Vorzeigebrigade. Die bestand aus Frauen. Bis dahin mussten Frauen als Hilfsarbeiterinnen schwere Arbeiten übernehmen. Ganz einfach wurde die angebliche Gleichbehandlung der Frauen nicht.
Ellen Nitz: "Die Männer versuchten mich zu demütigen. Es gab unmoralische Gerüchte. Die Frauen wurden mit Steinen beworfen. Es wurde geguckt, ob alles funktioniert, dort, wo sie arbeitet."
Für Ellen Nitz galt das sogenannte "Warschauer Tempo" als Vorgabe:
Ellen Nitz: "Warschauer Tempo kam aus Warschau. Dort wurde ja schon viel aufgebaut. Die polnischen Arbeitsmethoden hatten ihre eigene Art. Da wurde ein 3er-System durchgeührt. Einer trug die Steine, der nächste legte den Mörtel, der Dritte legte die Ziegel darauf. Das war zwar effektiv, war von der Qualität nicht so gut."
700 Mark monatlich haben die Frauen für ihre Arbeit bekommen. Das war zur damaligen Zeit viel Geld. Hingegen brauchten sie jemanden, der sie einweist. Es wurde also ein Polier zur Seite gestellt.
Ellen Nitz: "Dieser Polier hat gedacht, er könnte Ruhm und Ehre erhalten. Tatsächlich hat er sich in Schankbuden rumgetrieben. Das wurde uns dann zu viel. Den wollten wir nicht mehr haben. Da kam er mal, und wir haben ihm dann ein blaues Auge geschlagen und eine kleine Notiz in die Zeitung gesetzt über unsere Qualifizierung unserer Brigade."
Einige Frauen sagen, sie dachten, sie müssten sterben - wegen der hohen Belastung. Das Plansoll hatte DDR-Staatschef Ulbricht auf dem dritten Parteitag bekannt gegeben.
Ulbricht: "Applaus: Wir haben das Plansoll um 275 Prozent erhöht. Damit wird endlich die Deutsche Demokratische Republik in die Lage versetzt werden, Friedensstaal zu produzieren..... Applaus."
Der Aufbau des Werkes kam gut voran. Erst konnte der erste, dann am 11. November 1952 der dritte und vierte Hochofen angeblasen werden.
Am Hochofen 4: "Ofen 4 ist klar. Die Öffnung wurde aufgeschweißt. Stahl fließt raus und bahnt sich den Weg. Die Arbeiter nehmen die Arme vor das Gesicht. Mit entblößtem Haupt sind sie stolz dabei zu sein. Der Kollege Schirmer hier hat alles bisher und heute erlebt. Schirmer: Ich war einer, der das Glück hatte, mitzuerleben, dass wir etwas Derartiges schaffen können."
Die DDR feierte sich selber. Doch die Stahlproduktion war weiterhin un- rentabel. Und: Die Führung stand unter Druck. Moskau hatte der DDR eine beschleunigte Militarisierung empfohlen. So sollte das 17-Millionen Volk als westlichster sowjetischer Vorposten Kriegsschiffe und Militärflugzeuge produzieren. Es wurden 1, 26 Millionen Tonnen Roheisen benötigt, - zu viel für die Deutsche Demokratische Republik. Dies sollte keineswegs die Stimmung im Lande beeinträchtigen.
"Die roten Sterne ... zeugen vom Erfolg."
So war es durchaus Überzeugung, was eine Familie dem Reporter in der Wohnstadt, die zwei Jahre später "Stalinstadt" hieß, ins Mikrofon sprach.
Familie am Küchentisch: "Und wenn man bedenkt, dass im vorigen Jahr hier Nichts war, sind zwei Hochöfen emporgewachsen. Das ist wie ein Wunder. Es packt einen. Ich denke ständig an das Lichtermeer, das mich an Weihnachten erinnert. Das ist wahrhaftig eine Weihnachtsstimmung, die die Friedensakte unserer sowjetischen, polnischen Freunde dokumentiert. Ja, ja, ja, sieh Dir das mal an. Kurt: Ja, ja, das ist Friedensstahl, im Dreiklang der Freundschaft. Und bald schon beginnen neue Hochöfen zu brennen , Du!"
Nicht nur der Verkauf von Mangelwaren sollte die Menschen bei Laune halten. Besondere Verkaufsschlager waren Fahrräder, Wassereimer, Schuhe und Bettwäsche. Es galt, die Identifikation der Bevölkerung, also den Beschäftigten, mit EKO zu entwickeln. Arbeitsschutz und Arbeitshygiene - darum wollte sich der Ministerrat ab 1952 zuerst kümmern. Es entstand eine Poliklinik.
"Durch die großen Räume laufen die Arbeiter. Sie sitzen in breiten, bequemen Sesseln und warten. Das Krankenhaus wird durchflutet durch die großen hellen Fenster."
Die Sonderversorgung, so glauben Historiker, erwies sich als Vorteil. Also wurde noch ein Kinderhort gegründet.
(Kinderlachen)... "Die Kleinen liegen in ihrem Krippen. Die Kolleginnen tragen weiße Kittel wie die Ärzte. Fröhliches Kinderlachen. Die Kinder liegen in kleinen weißen Körbchen. Hier entdecken wir die erste sozialistische Stadt."
Erst in den 60er Jahren hatte sich die DDR nach der Sowjetunion zur zweiten sozialistischen Industriemacht entwickelt. Dennoch blieben die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Planaufgaben wurden nicht erfüllt. Erich Honecker sprach 1971 auf dem achten SED-Parteitag von einer ökonomischen Hauptaufgabe. Das Eisenhüttenkombinat bestimmte dennoch weiterhin den Rhythmus der Stadt. Über 75 Prozent aller in der Industrie Beschäftigten arbeiteten bei EKO. Jeden Mor- gen um fünf erwachte die Stadt.
Im Vergleich zu Westdeutschland hinkte die DDR-Produktion in Eisenhüttenstadt hinterher. Im Vergleich mit den Staaten des Ostblocks konnte das Kombinat allerdings vordere Plätze belegen.
Nach dem Fall der Mauer schien EKO zunächst nicht wettbewerbsfähig zu sein. In Eisenhüttenstadt befanden sich gewissermaßen zwei Welten, hervorgerufen durch die Staatsverschuldung. Einerseits waren im Werk Anlagen zu finden, die technologisch, ökologisch und damit wirtschaftlich seit Jahrzehnten verschlissen waren - und andererseits Betriebsteile, die modernsten internationalen Ansprüchen genügten. Der Personalbestand lag bei 11.000 Beschäftigten.
So war Detlev Rohwedder, der Chef der Treuhandanstalt, im Juni 1991 wieder einmal nach Eisenhüttenstadt gereist.
Rohwedder: "In Eisenhüttenstadt leben 50.000 Menschen. Das Werk liegt am östlichen Rand der Bundesrepublik. Das ist nicht gut für den westeuropäischen Markt. Durch die Lage im Osten, mit Blick auf die anderen Staaten dort, könnte dies auch ein Vorteil sein."
Es begannen Verhandlungen mit Krupp. Nach dem Scheitern wurde entschieden, EKO-Stahl als Aktiengesellschaft zunächst in der Verwaltung der Treuhand weiter zu führen. Die Forderung der westdeutschen Stahlindustrie nach einem Subventionsverbot für deutsche und europäische Stahlunternehmen wurde als Angriff auf EKO-Stahl gewertet, was die "New York Times" zu der Bemerkung veranlasste.
"Ein Werk, zu groß, um geschlossen zu werden."
Ein Stilllegungskonzept, so sagten Experten, schien plausibel zu sein. Es erwies sich aber unter sozialen und politischen Gesichtspunkten als indiskutabel. Bundeskanzler Helmut Kohl erklärte EKO zur Chefsache. Derweil, so erinnert sich Hans-Peter Neumann, heute Mitglied der Geschäftsführung, an den Umbau. O-Ton Neumann "Unter der Treuhand haben wir 220 Millionen Mark investiert und 20 Millionen Mark für die Infrastruktur ausgegeben, dass es weitergeht." Inzwischen waren die Verhandlungen mit der italienischen RIVA-Gruppe weit gediehen. 1994 ergaben sich allerdings erste Anzeichen, daß Riva nicht die finanziellen Voraussetzungen mitbringen könnte, um EKO-Stahl zu retten. Die Treuhandanstalt hatte daher die Offenlegung der Finanzlage des Bieters gefordert. Dann wurde die Übernahme genehmigt, aber RIVA verzichtete am 13. Mai 1994. Riva hatte erklärt, die Gruppe wolle die Zahl der Belegschaft von 3.000 auf 2.300 verringern. Weil es auch hieß, ein Konzept für den sozialverträglichen Bau existiere nicht, endeten die Auseinandersetzungen mit dem Abbruch der Verhandlungen.
Gleichzeitig hatte das belgische Unternehmen Cockeril Sambre darüber nachgedacht, wie es die Präsenz auf dem deutschen Mark ausbauen könne. Ein halbes Jahr später lag das Angebot zur Übernahme von EKO-Stahl bei der Treuhandanstalt vor, erinnert sich Vorstand Hans-Peter Neumann.
Neumann: "Zum 1. Januar 1995 sind wir ein 100 prozentiges Tochterunternehmen von Cockerill Sambre. Seit dem 1. Dezember 1999 gehören wir als zur Usinor Gruppe. Also der Eigner sitzt in Belgien. Geführt werden wir aber aus Paris. Unsere Aufgaben liegen in der Erschließung der osteuropäischen Märke. Denken Sie nur an Polens Automobilunternehmen. Es war ein langer Weg, bis die Konsolidierung des Unternehmens abgeschlossen war."