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Geburtstagsfeier im Ruhrpott

In einer Zeit, als viel vom Muff unter den Talaren die Rede war, wurde die Ruhruniversität Bochum mit den Worten "Eine Dusche für den Geist" eröffnet. Die Gründung der ersten Reformuniversität sollte Bildung für die Massen und auch für die Arbeiterkinder bringen.

Von Kai Toss | 21.06.2005
    Auch am Tag der großen Feier – Proteste auf dem Campus. In Ritterkostümen verkleidet demonstrieren einige Studierende gegen Studiengebühren, die im kommenden Jahr von der designierten schwarz-gelben Landesregierung eingeführt werden sollen. Rüttgers - Raubritter, steht auf den Plakaten. Helmut Tiede studiert Sozialwissenschaften im 4. Semester.

    "Wir sind gegen Studiengebühren jeglicher Art. Wir wissen nicht, ob wir die Studiengebühren verhindern können. Es ist aber sinnvoll, dass wir die Diskussion darüber anregen, damit länger und von mehreren Leuten darüber nachgedacht wird."

    Studiengebühren stehen heute jedoch nicht im Mittelpunkt - die Ruhr Uni Bochum feiert sich selbst. Wer 40 Jahre nach der Gründung über den Campus geht, der blickt nicht nur auf riesige Zweckbetonbauten, er vernimmt auch das typische Geräusch der Ruhruni

    Klappernde Beton- und Steinplatten. Akustisches Sinnbild für eine Bausubstanz, die die besten Zeiten schon lange hinter sich hat. 30.000 junge Frauen und Männer besuchen die Ruhr-Universität, die einst für 10.000 Studierende geplant wurde. Sie wünschen sich unter anderem zum Geburtstag...

    "Dass das Tutorenprogramm weiter finanziert wird. Da habe ich ein großes Interesse dran. Und dass wir mehr Geld haben."

    "Vielleicht ne kleine Renovierung als Geschenk."

    "Weiterhin viele Studenten."

    "Glückliche Studenten."

    "Alles Gute zum Geburtstag."

    "Dass sie von den Gebühren verschont bleibt."

    "Alles Gute und vor allem, dass sie erhalten bleibt."

    Die Uni schließen, davon redet natürlich niemand. Geldmangel ist allerdings schon ein Thema. Eine Komplettsanierung würde hunderte Millionen Euros kosten. Das ahnte bei der Eröffnung wohl niemand. Am 30. Juni 1965 ging es feierlich und getragen zu, die 67 berufenen Professoren erschienen in dunklen Anzügen. Bildungsbürgertum statt Bürgertum lautete das Reformprogramm der ersten Uni im Ruhrgebiet - erst zwei der 13 Hochbauten waren bezugsfertig. Professor Dr Elmar W. Weiler ist als Prorektor für Planung und Finanzen zuständig. Er studierte nach dem Abitur 1968 Biologie an neu gegründeten Ruhruniversität.

    "Man studierte zu dieser Zeit ja noch auf einer Baustelle. Teilweise waren die Dinge fertig, teilweise waren sie im Bau. Man sah also richtig, wie die Universität wuchs und wuchs. Das war symptomatisch für das ganze Land. Und daran hat man teilgenommen."

    Bildung für die Massen, Bildung auch für die Arbeiterkinder – diese Idee hat die erste Universität im Ruhrgebiet wie keine andere geprägt. Die Reformbemühungen würden auch heute noch voran getrieben.

    So sei Bochum bei der Einführung der gestuften Studiengänge, also Bachelor- und Masterstudiengänge, deutschlandweit führend. Auf diesem Wege könnten auch die hohen Abbrecherquoten gesenkt werden, da die neuen Studiengänge verschulter seien. Dies..

    "... führt aber dazu, dass die Studierenden sehr viel besser sehen, wie sie zum Ende kommen sollen, um ihren Abschluss zu erreichen. Das wird uns natürlich helfen."

    Im Rahmen der Feierlichkeiten verleiht die Ruhr-Universität Bochum einem ihrer größten Förderer die Ehrenbürgerwürde. Berthold Beitz setzte sich schon für die Gründung der Hochschule ein. Er war zunächst Generalbevollmächtigter des Krupp-Unternehmens und später Vorsitzender des Kuratoriums der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung unterstützte zahlreiche Projekte und Forschungsvorhaben, zum Beispiel ein Schülerlabor, um junge Leute an die Naturwissenschaften heranzuführen. Gegenüber Campus und Karriere bezieht der 92 Jährige eindeutig Stellung zu den geplanten Studiengebühren in Nordrhein Westfalen:

    "Studiengebühren können ja von denen bezahlt werden, deren Eltern genug Geld haben es zu bezahlen – damit die anderen, deren Eltern kein Geld haben – wie es mir ergangen ist – frei studieren können."

    Dem Astavorsitzenden der Ruhruniversität Kolja Schmidt ist diese Einschätzung natürlich lieber, als generelle Studiengebühren. Die Ruhruniversität ist 40 Jahre nach ihrer Gründung in die Jahre gekommen – äußerlich sowieso. Die Hochschule hat nicht den Ruf, eine besonders schöne Universität zu sein, dennoch, der Asta-Vorsitzende wirbt für sie und sagt: Kommt zum Studieren aus ganz Deutschland nach Bochum!

    "Ich kann das nur empfehlen. Ich habe Bochum als eine Universität kennen gelernt, die gerade deshalb interessant ist, weil sie dem alten Konzept der Volluniversität noch verpflichtet ist. Man findet hier eine ganz große Fächerauswahl. Das ist super interessant, wenn man sich mit Leuten austauschen will, die aus einem anderen Gebiet kommen. Das ist Interdisziplinarität! Das kann man hier, wenn man in eine Studikneipe geht mit Händen greifen. Das macht Spaß, hier zu studieren!"