Schossig: Was muss denn die Branche tun, damit die Kassen der Buchhändler wieder klingeln. Noch mehr Bücher, noch mehr Werbung?
Schormann: Nein, also ganz sicherlich ist es nicht der Weg zu sagen, wir brauchen noch mehr Neuerscheinungen - wir haben immerhin 61.000 Neuerscheinungen auf der letzten Buchmesse gehabt - der richtige Weg ist, den viele Verlage in ihren Programmstrukturen jetzt im Herbst aufzeigen, dass wichtige neue Bücher kommen, unter anderem der neue Roman von Martin Walser ab heute in den Buchhandlungen, die Memoiren von Clinton. Wir haben im Kinder- und Jugendbereich einen sehr starken Markt nach PISA, nach Harry Potter, auch da erwarten wir entsprechende Stabilitäten. Das Gleiche gilt dafür, dass nach wie vor das Wachstumssegment Hörbuch da ist. Aber alle Warengruppen zusammen werden uns eher gegen eine schwarze Null bringen, denn gegen ein positives Ergebnis.
Schossig: Man grübelt ja, brauchen die Leute eigentlich mehr Anleitung, mehr Vorschlagslisten, die ja immer so quer durch den Gemüsegarten gehen, wie der Kanon vor einigen Jahren. Brauchen die Leute das wirklich oder sind sie den Machern so unbekannt, dass die Macher dauern rätseln über den Leser, das unbekannte Wesen?
Schormann: Nein, das kann man so nicht sagen. Es gibt keine Bücher- und keine Leserkrise. Aber natürlich braucht der Leser oder der, der als Leser dazukommt, Orientierung. Dazu gehören auf der einen Seite die Bestsellerlisten, es gehören Rundfunk und Fernsehen dazu, es gehört ganz sicherlich die gerade in diesen Tagen begonnene große Kampagne des ZDF mit Börsenverein und Stiftung Lesen und FAZ dazu.
Schossig: Da wollte ich Sie drauf ansprechen auf "Das große Lesen" mit Elke Heidenreich und Johannes B. Kerner. Macht denn das wirklich Sinn, sich ausgerechnet mit dem Fernsehen zu verbünden, um mehr Leser zu gewinnen?
Schormann: Ja, wir können schon nach den ersten zwei Tagen sagen, dass das eine fulminante Leseförderung in Deutschland sein wird. Einmal verdanken wir das natürlich der sehr positiv besetzten Persönlichkeit von Elke Heidenreich, aber eben auch, dass es spannend ist, mal unter 200 Titeln, die da zum Vorschlag gekommen, sind zu gucken, wie viele kenne ich davon, wie viele habe ich davon, ist das wirklich mein Lieblingsbuch? Wir sehen das so etwas in Verbindung mit dem Fernsehen, dem emotionalsten Medium, das wir nun mal haben, dass das funktioniert, wenn es auf einer entsprechenden Latte von Niveau angesiedelt ist. Das war die Auftaktsendung und wir haben über 4000 Buchhandlungen, die ihre Plakate bestellt haben, die die Wahlkarten bestellt haben. Insgesamt haben wir 2,5 Millionen Karten versandt und davon sind schon eine Fülle zurückgekommen. Auch das Internet ist sehr spontan aufgesucht worden. Hier scheinen wir gemeinsam eine große Kampagne angestoßen zu haben. Sas wird Leseförderung und ganz sicher Kaufförderung bedeuten.
Schossig: Was sind ihrer Beobachtung nach die Motive für Leser zu lesen?
Schormann: Also wir haben an der Gesamtbevölkerung gesehen etwa 18,8 Prozent Stammleser. Die lesen grundsätzlich, das eine sind Belletristen, die anderen lesen Sachbücher, die anderen sind in der Philosophie und Geschichte unterwegs. Nein, ich glaube, dass das Spannende ist, dass über 900.000 lieferbare Titel und die - wenn auch oft beklagte - Flut der Neuerscheinungen da ist, sind immer wieder Titel darunter, die verführen, die Lust auf das Lesen machen. Dann dürfen wir an dem Gesamtbuchmarkt nicht vergessen, dass auch das Fachbuch, das Lehrbuch, das Lernbuch eine große Rolle spielt und gerade da hat sich das Buch ja immerhin nach wie vor durchgesetzt. Vor zehn, fünfzehn Jahren gab es die vielen Sprachlabore in den Schulen. Das hat sich alles wieder überlebt, das Buch jetzt mit der CD ist das Leitmedium, ist der Träger der Information. Und ich glaube diese Verführung zum Lesen, dieses Sich-zurück-Ziehen in einem Moment von 30 oder 40 Minuten am Tag, das wird nicht abnehmen. Wir müssen nur zusehen, dass es zunimmt.