Archiv


Gedanken über Dinge aus Jeans

In "Denimpop - Jeansdinge lesen" geht es nicht um Jeans-Kleidung. Autoren aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen stellen Überlegungen über Alltagsgegenstände an, die in der Ästhetik des Materials gehalten sind. Es ist auch ein Buch über Geschmacksverirrungen.

Von Gerd Brendel |
    "Die Jeans steht für etwas, für Freiheit, für Amerika, die Jeans steht für irgend'ne Art von Transgender-Kultur."

    Klar, das ist bekannt, Jeans kann jeder tragen, ob Mann oder Frau, aber längst beschränkt sich der Symbolwert nicht mehr nur auf das Kleidungsstück, sondern auch auf das Material, weswegen die Künstlerin Katharina Hohmann fragt:

    " Eine Oberfläche, die so erzählerisch ist, wie die Jeans, wie greift die in die Welt ein?"

    Denn diese Oberfläche überzieht weltweit alle möglichen Alltagsgegenstände. Exemplarische Antworten präsentieren Hohmann und Katharina Tietze, Professorin an der Züricher Hochschule der Künste für "Style und Design" in dem Band "Denimpop - Jeansdinge lesen". Ausgangspunkt ist die eigene Sammlung:

    "An die 300 Objekte..."

    ...sammelten die beiden; vom Feuerzeug, Plattencovern, Buchumschlägen, Jeans-Flicken, Jeans-Puppenkleider, Jeans-Bein-Schienen bis zum Kaffeegeschirr.

    "Die Objekte sind ja seltsam, lustig, banal, Alltagsobjekte. Die Überlegungen in dem Buch aber gar nicht."

    Überlegungen zu ausgewählten Dingen der privaten Hohmann-Tietze-Jeansding-Sammlung.
    "Ganz billige, einfache Dinge, von denen wir ja ständig umgeben sind, einfach mal ganz genau anzusehen mit dem jeweiligen Hintergrundwissen aus der Medienwissenschaft, aus dem Design, aus der Kunst."

    Dabei herausgekommen sind Geschichten darüber, wie das ursprüngliche Freiheitsversprechen der Bluejeans selbst in noch so geschmacksfreien Dingen wie Stoffblumen aus Denim weiterlebt.


    "Die wichtigsten Kunstblumen in der Moderne sind für die Mode hergestellt worden und lange Zeit sehr teuer, insbesondere Seidenblumen."

    Die Literaturwissenschaftlerin Isabel Kranz.

    "Und der Clou ist dann zu sagen, naja, das ist die proletarische Schwester der Seidenblumen, dieser aristokratischen Blumen kann jeder haben, jede Frau, weil sie eben aus Jeans sind."

    Aber vor allem lehrt der Band, dass auch das Hässliche wahr und gut sein kann:

    "Ich mach das dann fest an Trinkgefäßen, weil das so besonders absurd ist, aus Jeans trinken"

    Am Ende ihres Aufsatzes "Trinken aus Jeans?" schreibt Katharina Tietze:

    Doch selbst wenn uns die Jeanshose auf der Kaffeekanne keine andere Botschaft als die der reinen Geschmacksverirrung zu vermitteln scheint, verhilft sie uns im Kontext der Sammlung doch zu einem ausgesprochenen Vergnügen, zu einem Genuss, der anscheinend jenseits von moralischen, qualitativen, ja selbst von Geschmackskategorien angesiedelt ist.

    Und der sich vor allem nicht mehr als Markenartikel vermarkten lässt. Das ursprüngliche Freiheitsversprechen der Bluejeans, hier im Kitsch lebt es weiter.


    Katharina Hohmann und Katharina Tietze (Hrsg.):
    Denimpop - Jeansdinge lesen

    Merve Verlag
    Alles aus Jeans: Bild aus dem Buch "Denimpop. Jeansdinge lesen"
    Alles in Jeans: Bild aus dem Buch "Denimpop. Jeansdinge lesen" (Manuel Fabritz)