Nur etwa eine Sekunde dauert der Sturz vom Dach eines Hauses in einem Neubaugebiet in Albuquerque, doch für den damals achtjährigen David Eagleman fühlt es sich an wie eine Ewigkeit. Unendlich langsam sieht er den roten Ziegelboden auf sich zukommen, bis er aufschlägt und bewusstlos wird. Später, als junger Neurowissenschaftler, will er den Vorgängen auf den Grund gehen. Gibt es den Zeitlupeneffekt, von dem immer wieder Menschen in Angst- oder Extremsituationen berichten? Lässt sich die Dehnung der Zeit womöglich gezielt auslösen? Eagleman sucht Freiwillige und findet sie in einem Freizeitpark in Texas, der behauptet der krasseste seiner Art zu sein.
Jedes Tier tastet die Wirklichkeit anders ab
Wie Lebewesen Zeit wahrnehmen, ist keinesfalls universal. Der Schwertfisch beschleunigt seinen Takt, wenn er im kalten Wasser der Tiefsee auf Jagd geht. Eine Fliege „sieht“ generell schneller als der Mensch – was ihr beim Duell am menschlichen Küchentisch den entscheidenden Vorteil verschafft: Sie entkommt mühelos der Hand, die sie erschlagen will.
Dabei nimmt auch die Stubenfliege nicht alles wahr. Vielmehr fangen ihre Augen nur Schnappschüsse ein, und verarbeiten sie in einem physiologisch vorgegebenen Rhythmus. Wir haben den Eindruck, die Zeit würde fließen – tatsächlich ruckelt sie. Erst das Gehirn macht daraus einen Film, der von Erinnerungen, Emotionen und der Verfassung von Körper und Geist bestimmt wird.
„Zeit-Kur“ für Menschen mit Depression
Für Menschen mit Depression etwa läuft die Zeit quälend langsam. Manche berichten, es fühle sich an wie Stillstand, wie der Tod. Kann man ihnen womöglich helfen, wenn man an den Stellschrauben des Zeiterlebens dreht? Am Universitätsklinikum in Köln versucht ein Team um den Psychiater Kai Vogeley genau das. Das Ziel ist eine Art Zeit-Kur. Dabei sollen virtuelle Räume helfen – ein Sternenfeld, ein Wartezimmer oder eine Landschaft – in denen das Ticken einer Uhr oder der Sonnenlauf beschleunigt werden können, um das Zeiterleben Schritt für Schritt zu normalisieren.