Nooke: Schönen guten Abend, Herr Noltze. Ich glaube, dass wir uns bisher zu wenig Gedanken darüber gemacht haben, sondern uns auch ein Stück weit haben treiben lassen, manchmal auch von der Haushaltslage der Hauptstadt hier in Berlin. Ich denke, dass es richtig ist, dass wir klären müssen, was zum nationalen Gedenken gehört. Da gibt es sicher Denkmäler, wie das für die ermordeten Juden Europas hier in Berlin und andere, die sich auf die Zeit des Nationalsozialismus beziehen. Aber mir wäre das zu wenig. Mir wäre das auch zu wenig, wenn das nur nebeneinander gereiht wird und ohne Konzept geschieht. Wir haben hier nicht einmal in dem Bereich, zum Beispiel was die Opfergruppen beim Holocaust betrifft, bisher Konzepte gesehen. Es gibt Diskussionen hier im Berliner Senat für ein Opfer für ein Sinti und Roma. Es gibt die Diskussionen um das Homosexuellen-Denkmal. Es kann ja nicht sein, dass hier nach Regierungskoalition Land und Bund dann nach und nach der Tiergarten oder andere Orte einfach zugestellt werden. Das sollte schon in würdiger Art und Weise passieren. Darüber muss man dann wirklich sprechen, und zwar bevor man Geld und Ideen investiert. Das ist zum Beispiel mit dem Holocaust-Mahnmal nicht geschehen.
Noltze: Was müsste denn geschehen, um aus dieser leidigen Opfergruppenarithmetik, die wir ja schon peinlich erlebt haben, herauszukommen?
Nooke: Es wäre besser gewesen, wir hätten noch einmal über die Widmung des Denkmals, das jetzt für die ermordeten Juden Europas errichtet wird, gesprochen. Wir hätten vielleicht die Gesamtkonzeption mit dem Beschluss zum Holocaust-Mahnmal im Bundestag dann fällen müssen. Das ist eine schwierige Debatte. Da sie schwierig ist, traut sich auch niemand, daran zu gehen. Dann gibt es auch den Druck, der dann von verschiedenen Seiten kommt, dem wird dann nachgegeben. Aber ich glaube, dass uns das eben insgesamt eher lähmt. Es lähmt uns, weil ständig in der Öffentlichkeit nur über Opfergruppen zum Beispiel im Zusammenhang mit der Nazi-Diktatur gesprochen wird. Sie haben ja in der Anmoderation sehr schön gesagt, dass das nationale Gedenken unsere Identität und unsere Nation als Ganze betrifft. Da gehören natürlich mehr als zwölf Jahre Nationalsozialismus zu unserer Geschichte. Wenn wir in das letzte Jahrhundert schauen, gab es zwei Diktaturen. Die SED-Diktatur, die 40 Jahre der deutschen Teilung geprägt hat und das, was im Zusammenhang mit dem Stalinismus, Sozialismus und Kommunismus geschehen ist, ist eben auch etwas, was zumindest ein teilnationales Gedenken beinhaltet. Es kann ja nicht sein, dass dieser Teil der deutschen Geschichte dann dem Ostteil Berlins oder den fünf neuen Bundesländern überlassen wird und nicht zur deutschen Geschichte gehört. Die deutsche Teilung ist uns allen ja irgendwie bewusst. Deshalb müssen wir auch sagen, dass der andere Teil, der immer zu Deutschland gehörte, zu unseren gemeinsamen Geschichte gehört. Und Zukunft haben wir eben nur, wenn wir auch über unsere Herkunft Bescheid wissen. Und deshalb ist das in der Tat eine Debatte, die wir führen müssen. Wie sieht nationales Gedenken zur SED-Diktatur in Berlin und eventuell auch anderswo auf nationaler Ebene aus?
Noltze: Sie sprechen sich für ein neues Nationaldenkmal auf dem Schlossplatz aus, als Zeichen wofür also?
Nooke: Wir haben natürlich im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus, aber auch mit den Gedenkstätten zum Beispiel zur SED-Diktatur Denkmäler, die alle eher die Passiva der deutschen Geschichte beinhalten. Da gibt es diese Stasi-Haftanstalt in Hohenschönhausen, diese Untersuchungshaftanstalt, dann gibt es die Stasi-Zentrale in der Normannenstraße, es gibt die Mauer-Gedenkstätte in der Bernauer Straße oder andere Einrichtungen. Nun haben wir aber mit der friedlichen Revolution in der DDR vom Herbst 1989 und mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 ja auch zwei Daten in der neuesten deutschen Geschichte, die ja zu den Aktiva gehören. Warum sollten die Deutschen immer nur der Schmach und dem Schrecken gedenken?
Noltze: Aber hieße die Erinnerung der Gedächtniskultur nicht auch, das Konzept der Denk- oder Mahnmäler nicht grundsätzlich neu bedenken? Was kann ich mir da auf dem Schlossplatz vorstellen?
Nooke: Erst mal haben wir vor einiger Zeit durchaus eine Diskussion geführt, die von einer Renaissance des Denkmals gesprochen hat. Wenn wir uns darüber verständigen, dass durchaus symbolisches Gedenken in Form von Denkmälern möglich ist, dann sollte es auch möglich sein, dass an zentraler Stelle in Berlin ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal entsteht. Da haben wir die Schlossfreiheit vorgeschlagen. Da gibt es noch einen alten Sockel von einem Nationaldenkmal, wo mal Wilhelm draufstand, mit einem Reiterstandbild. Dieser Sockel steht unter Denkmalschutz und gehört im Prinzip zum Logenplatz der deutschen Geschichte, hat einer mal gesagt. Dazu wird man sicher einen internationalen Wettbewerb brauchen. Man wird sich darüber verständigen müssen, was thematisiert werden soll. Soll nur der Herbst 1989 oder vielleicht auch die von unten gescheiterte Revolution von 1848 und die Reichseinheit, die von Bismarck von oben ausgerufen wurde, thematisiert werden?
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Noltze: Was müsste denn geschehen, um aus dieser leidigen Opfergruppenarithmetik, die wir ja schon peinlich erlebt haben, herauszukommen?
Nooke: Es wäre besser gewesen, wir hätten noch einmal über die Widmung des Denkmals, das jetzt für die ermordeten Juden Europas errichtet wird, gesprochen. Wir hätten vielleicht die Gesamtkonzeption mit dem Beschluss zum Holocaust-Mahnmal im Bundestag dann fällen müssen. Das ist eine schwierige Debatte. Da sie schwierig ist, traut sich auch niemand, daran zu gehen. Dann gibt es auch den Druck, der dann von verschiedenen Seiten kommt, dem wird dann nachgegeben. Aber ich glaube, dass uns das eben insgesamt eher lähmt. Es lähmt uns, weil ständig in der Öffentlichkeit nur über Opfergruppen zum Beispiel im Zusammenhang mit der Nazi-Diktatur gesprochen wird. Sie haben ja in der Anmoderation sehr schön gesagt, dass das nationale Gedenken unsere Identität und unsere Nation als Ganze betrifft. Da gehören natürlich mehr als zwölf Jahre Nationalsozialismus zu unserer Geschichte. Wenn wir in das letzte Jahrhundert schauen, gab es zwei Diktaturen. Die SED-Diktatur, die 40 Jahre der deutschen Teilung geprägt hat und das, was im Zusammenhang mit dem Stalinismus, Sozialismus und Kommunismus geschehen ist, ist eben auch etwas, was zumindest ein teilnationales Gedenken beinhaltet. Es kann ja nicht sein, dass dieser Teil der deutschen Geschichte dann dem Ostteil Berlins oder den fünf neuen Bundesländern überlassen wird und nicht zur deutschen Geschichte gehört. Die deutsche Teilung ist uns allen ja irgendwie bewusst. Deshalb müssen wir auch sagen, dass der andere Teil, der immer zu Deutschland gehörte, zu unseren gemeinsamen Geschichte gehört. Und Zukunft haben wir eben nur, wenn wir auch über unsere Herkunft Bescheid wissen. Und deshalb ist das in der Tat eine Debatte, die wir führen müssen. Wie sieht nationales Gedenken zur SED-Diktatur in Berlin und eventuell auch anderswo auf nationaler Ebene aus?
Noltze: Sie sprechen sich für ein neues Nationaldenkmal auf dem Schlossplatz aus, als Zeichen wofür also?
Nooke: Wir haben natürlich im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus, aber auch mit den Gedenkstätten zum Beispiel zur SED-Diktatur Denkmäler, die alle eher die Passiva der deutschen Geschichte beinhalten. Da gibt es diese Stasi-Haftanstalt in Hohenschönhausen, diese Untersuchungshaftanstalt, dann gibt es die Stasi-Zentrale in der Normannenstraße, es gibt die Mauer-Gedenkstätte in der Bernauer Straße oder andere Einrichtungen. Nun haben wir aber mit der friedlichen Revolution in der DDR vom Herbst 1989 und mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 ja auch zwei Daten in der neuesten deutschen Geschichte, die ja zu den Aktiva gehören. Warum sollten die Deutschen immer nur der Schmach und dem Schrecken gedenken?
Noltze: Aber hieße die Erinnerung der Gedächtniskultur nicht auch, das Konzept der Denk- oder Mahnmäler nicht grundsätzlich neu bedenken? Was kann ich mir da auf dem Schlossplatz vorstellen?
Nooke: Erst mal haben wir vor einiger Zeit durchaus eine Diskussion geführt, die von einer Renaissance des Denkmals gesprochen hat. Wenn wir uns darüber verständigen, dass durchaus symbolisches Gedenken in Form von Denkmälern möglich ist, dann sollte es auch möglich sein, dass an zentraler Stelle in Berlin ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal entsteht. Da haben wir die Schlossfreiheit vorgeschlagen. Da gibt es noch einen alten Sockel von einem Nationaldenkmal, wo mal Wilhelm draufstand, mit einem Reiterstandbild. Dieser Sockel steht unter Denkmalschutz und gehört im Prinzip zum Logenplatz der deutschen Geschichte, hat einer mal gesagt. Dazu wird man sicher einen internationalen Wettbewerb brauchen. Man wird sich darüber verständigen müssen, was thematisiert werden soll. Soll nur der Herbst 1989 oder vielleicht auch die von unten gescheiterte Revolution von 1848 und die Reichseinheit, die von Bismarck von oben ausgerufen wurde, thematisiert werden?
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