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Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
Debatte über Absetzung der Leitung geht weiter

Nach den Missbrauchsvorwürfen in der Gedenkstätte in Hohenschönhausen und der Trennung von den beiden Chefs hat der Stiftungsrat nun Marianne Birthler dort als Vertrauensperson eingesetzt. Wie mit sexueller Belästigung umgegangen werden soll, beschäftigt aber die gesamte Kulturbranche.

Von Claudia van Laak | 30.09.2018
    Marianne Birthler, ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und frühere Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, vor einem erhaltenen Stück der Berliner Mauer in der Bernauer Straße.
    Marianne Birthler, DDR-Bürgerrechtlerin und frühere Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, wurde zur Vertrauensperson für die Gedenkstätte berufen (Alexander Moritz/ Deutschlandradio)
    Es war ein Paukenschlag am vergangenen Dienstag: der Stiftungsrat der renommierten und erfolgreichen Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen setzte die Leitung vor die Tür. Nicht nur den stellvertretenden Direktor Helmut Fraundorfer, gegen den zuvor massive Vorwürfe wegen sexueller Belästigung bekannt geworden waren, sondern auch Hubertus Knabe – der 17 Jahre lang die Gedenkstätte geleitet hatte. Jetzt wird dort Marianne Birthler aktiv.
    Eine halbe Million Besucherinnen und Besucher jährlich, ein Jahresetat von über zwei Millionen Euro – die Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ist eine der bundesweit wichtigsten Institutionen, wenn es um die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit geht. Ehemalige Häftlinge führen Schülergruppen durch die frühere Stasi-Haftanstalt, die Gedenkstätte ist auch eine wichtige Stimme in internationalen Netzwerken. Immer wieder sind ausländische Gäste vor Ort, die lernen wollen, wie Deutschland mit dem Erbe der DDR umgeht, zuletzt eine Gruppe syrischer Frauen, deren Angehörige in Foltergefängnissen Assads sitzen.
    Unbestritten gute Arbeit geleistet
    Der Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Roland Jahn befürchtet, dass diese wichtige Arbeit jetzt Schaden nehmen könnte: "Wichtig ist erst einmal, dass die Arbeit in Hohenschönhausen weitergeht, dass das, was an guter Arbeit dort geleistet wird, fortgesetzt wird, und dafür müssen wir alle sorgen. In dem Sinne geht es um die Frage von Menschenrechten, geht es um die Frage von Werten in unserer Gesellschaft, und da denke ich, können auch in Hohenschönhausen wichtige Zeichen gesetzt werden."
    Dem Humanismus und den Menschenrechten fühlte sich auch die jetzt abgesetzte Gedenkstättenleitung verpflichtet – Reden und Handeln scheinen dort allerdings nicht ganz übereingestimmt haben – vorsichtig formuliert. Jahrelang verhielt sich der stellvertretende Direktor Mitarbeiterinnen gegenüber übergriffig.
    Begründung durch Politiker von den Linken
    Der Stiftungsrat der Gedenkstätte hat keinen Zweifel an den Schilderungen der Frauen. Berlins Kultursenator Klaus Lederer, Vorsitzender des Stiftungsrates: "Was die Frauen uns vorgetragen haben, ist belegt, das ist das Ergebnis der Untersuchungen. Und es ist ja auch eingeräumt worden, dass diese Vorwürfe zum großen Teil stimmen. Das sind keine Fake-News, das sind belegte Tatsachen."
    Dass auch der Direktor der Gedenkstätte Hubertus Knabe gehen muss – er wurde sofort von seinen Dienstpflichten entbunden – sorgt nun für Diskussionen. Der linke Berliner Kultursenator habe einen politisch Unbequemen loswerden wollen, so sehen es einige ostdeutsche CDU-Bundestagsabgeordnete. Dass ihre Parteikollegin und Staatsministerin für Kultur Monika Grütters in diesem Punkt gemeinsame Sache mit einem linken Kulturpolitiker gemacht hat, gefällt ihnen gar nicht.
    Monika Grütters selber verteidigt die Kündigung von Hubertus Knabe, sie sei folgerichtig gewesen. Ob diese Kündigung vor einem Arbeitsgericht Bestand haben wird, muss sich zeigen.
    "Die Vorwürfe wären unseres Erachtens ohne eine Kultur des Wegschauens oder auch des Deckens dieser Vorgänge und des stillschweigenden Akzeptierens in der Gesamtleitung nicht möglich gewesen."
    Marianne Birthler engagiert
    Die Gedenkstätte Hohenschönhausen braucht einen Kulturwandel, sagt Grütters. Bis eine neue Leitung gefunden ist, soll die DDR-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler die Bildungs- und Forschungseinrichtung begleiten.
    Kulturstaatsministerin Grütters formuliert Anforderungen an eine moderne Führung – nicht nur für die Gedenkstätte Hohenschönhausen: "Ich glaube, Sie müssen Empathie haben, und Sie müssen so souverän und auch mit einem Wertefundament ausgestattet sein, dass Sie gar nicht erst in die Versuchung kommen, eine Machtposition Frauen oder anderen Untergebenen gegenüber auszunutzen."
    Hätte es die #Metoo-Bewegung nicht gegeben, die Volontärinnen, Praktikantinnen und Angestellten der Stasi-Gedenkstätte hätten sich vermutlich nicht an die Kulturstaatsministerin und den Berliner Kultursenator gewandt. Nach Sexismus-Fällen an Bühnen und am Filmset geraten nun andere Kultureinrichtungen in den Blick. Für Monika Grütters ein ganz grundsätzliches Problem: "In diesem asymmetrischen Machtverhältnis, haben wir sehr schnell gemerkt, sind das keine Einzelfälle, die beklagt werden, sondern da liegt ein strukturelles Problem. Man verlässt sich ja darauf in Deutschland darauf, dass Menschen nach oben kommen, die nicht nur fachlich versiert sind, sondern auch Führungskompetenz mitbringen, das ist aber häufig nicht so."
    Neue Appellationsinstanz "Themis" für gesamte Kulturbranche?
    Eine Folge der #Metoo-Debatte: Die Kulturstaatsministerin hat Geld für eine Beratungsstelle zur Verfügung gestellt. Beteiligt sind 17 Organisationen der Film- und Medienbranche. "Themis", die Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt, soll morgen in Berlin ihre Arbeit aufnehmen. Monika Grütters: "Dass sie sich anonym an eine Appellationsinstanz wenden können, und das bitte sehr schnell, nach dem die Übergriffe passiert sind. Also wir hoffen, durch dieses Herstellen von Anonymität und einer Vertrauensinstanz sehr zügig solchen Vorwürfen nachzugehen."
    Das ursprüngliche Konzept sieht eine Anlaufstelle für Schauspielerinnen, Sängerinnen und andere Akteure aus den Bereichen Film, Fernsehen und Bühne vor. Nach den Erfahrungen in der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen stellt sich die Frage, ob nicht andere Kultur- und Bildungs-Institutionen einbezogen werden sollten.