Donnerstag, 28. März 2024

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Gedenkstätte Berliner Mauer
Geschichte auf 420 Quadratmetern

Die Berliner Mauer sei die einzige Mauer gewesen, die dazu diente, Menschen ein- und nicht auszusperren, sagte der Direktor der Gedenkstätte Berliner Mauer, Axel Klausmeier, im DLF. Die neue Dauerausstellung solle die junge Generation multimedial ans Thema heranführen. Auch die Perspektive der SED werde beleuchtet.

Axel Klausmeier im Gespräch mit Beatrix Novy | 08.11.2014
    Beatrix Novy: Da wo mal Ostberlin war, da ist heute der Bär los: eine Lichtgrenze mit tausenden leuchtenden Ballons entlang dem Verlauf der Berliner Mauer, 500 Informationspulte, blaue Informationspulte, spezielle Führungen des Museumsdienstes in konspirative Wohnungen und Fluchttunnel von damals, also für den Eventteil ist wirklich gesorgt an diesem Wochenende des Mauerfall-Jubiläums. Wir wenden uns jetzt einer nachhaltigeren Facette zu: Morgen wird die neue Dauerausstellung zur Berliner Mauer eröffnet, am Ort der Gedenkstätte Bernauer Straße in Berlin-Mitte, die es seit 1998 gibt, auf dem ehemaligen Grenzstreifen. Seit 2009 leitet Axel Klausmeier die Gedenkstätte. Ihn habe ich gefragt, was denn hinzugekommen ist zu dem, was Berlin-Touristen schon kennen.
    Axel Klausmeier: Wir haben ja in den letzten sechs Jahren die Möglichkeit gehabt, im ehemaligen Grenzstreifen zwischen Ost und West unsere Gedenkstätte erweitern zu können. Das heißt, wir haben eine ortsbezogene Ausstellung im ehemaligen Grenzstreifen auf etwa 1,4 Kilometern und auf etwa fünf Hektar entlang der gesamten Bernauer Straße machen können. Das heißt, der Raum, der ehemalige Grenzraum zwischen Ost und West, ist frei gehalten worden zum großen Teil, und dort wurden mit multimedialen Stelen ortsbezogene Informationen gegeben. Das war der erste und wichtige Teil.
    Der zweite, mindestens genauso wichtige Teil ist nun, dass wir eine neue Dauerausstellung im Dokumentationszentrum der Gedenkstätte morgen von der Bundeskanzlerin eröffnen lassen. Das ist eine Ausstellung, die den historischen Kontext darstellt, und die Ausstellung beantwortet im Grunde drei Fragen: Warum ist die Mauer gebaut worden und was waren die Rahmenbedingungen? Warum stand sie 28 Jahre und wie war das überhaupt möglich? Und schließlich: Unter welchen Bedingungen und wieso fiel sie wieder? Alles Fragen, die wir vor allem natürlich der jüngeren Generation, die auch unsere Hauptzielgruppe ist, erklären müssen, denn das ist natürlich weit weg, diese Geschichte, und das tun wir auf 420 Quadratmetern.
    Novy: In welcher Form bringen Sie das den Besuchern nahe?
    Klausmeier: Wir haben in der neuen Dauerausstellung multimediale Ausstellungsmöbel, wo Filme drin zu sehen sind, wo man auch Hörbeispiele, Interviews hören kann, natürlich großformatige Tafeln. Wir haben aber auch extra Filme anfertigen lassen mit Zeitzeugen, Zeitzeugen-Interviews von unterschiedlichsten Menschen, die ihre Zeitzeugenschaft etwa, ob jetzt Ost oder West, erzählen, sehr, sehr unterschiedliche, sehr, sehr bewegende Geschichten häufig und natürlich auch von Leuten, die versucht haben zu fliehen, die dabei gefasst wurden und dann anschließend inhaftiert wurden. Gerade diese Formate gehen wirklich rein, das sind sehr emotionale Momente und das konnten wir auch schon bei den ersten ein, zwei Vorführungen erleben.
    Der Perspektive der SED Raum geben
    Novy: Nach dem Eklat mit Wolf Biermann gestern im Bundestag kam von der Linken die Anregung, den verschiedenen Perspektiven, aus denen die Geschichte der DDR, also auch der Mauer nun mal betrachtet werde, auch Raum zu geben. Könnten Sie denen antworten, das machen wir hier?
    Klausmeier: Ja! Wir haben eine multiperspektivische Ausstellung schon draußen im Grenzstreifen in den letzten sechs Jahren entwickelt, und das gleiche führen wir hier weiter, denn wir sind überzeugt, dass unsere Ausstellung auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht und unsere Kernbotschaft ist, dass Demokratie und Freiheit nicht selbstverständlich sind. Aber es ist zugleich sehr, sehr wichtig, die SED auch zu Wort kommen zu lassen, denn wir dürfen ja nicht vergessen: Wir sind mit dieser Ausstellung mitten in der Zeit des Kalten Krieges und die Argumentationsstränge, die gerade auch von der SED ins Feld geführt wurden, sind natürlich sehr interessant und mittlerweile mitunter sehr, sehr entblößend auch, weil sie das ganze Menschenbild wiedergeben, und insofern finde ich das einen ganz wichtigen Teil der Geschichte.
    Novy: Sie sind Historiker, aber vor allem Kunst- und Architekturhistoriker. Können Sie sagen, was Ihnen das bringt in der Auseinandersetzung mit dem, was die Gedenkstätte zeigt? Was qualifiziert Sie zum Leiter der Stätte?
    Klausmeier: Ich bin Historiker, aber ich bin vor allem auch Denkmalpfleger vor meiner Tätigkeit hier gewesen, und allein das Stiftungsgesetz definiert schon einen ganz großen denkmalpflegerischen Auftrag hier. Wir dokumentieren Geschichten und wir sind auch angehalten, den Ort, die uns anvertrauten Orte, zu erhalten. Mein Hintergrund ist im Grunde die Kulturlandschaftspflege, und die Berliner Mauer war - das kann man nicht anders sagen - eine historische Kulturlandschaft: keine schöne, wie irgendwelche Parks oder Sanssouci oder so, sondern eine tödliche, eine von Menschen gemachte gestaltete Landschaft, die dazu da war, Fluchten zu verhindern. Die Mauer ist ein Bauwerk und die einzige Mauer in der Geschichte, die dazu diente, Menschen irgendwo drin zu halten und nicht raus zu halten, und das sind sowohl bauhistorisch als auch kulturlandschaftlich interessante Fragen. Das war meine Herangehensweise. Aber es ist natürlich viel mehr. Die Gedenkstättenarbeit ist sehr viel vielfältiger und da kommt natürlich auch die historische Ausbildung ganz zum Tragen.
    Novy: Ein weites Feld, die Gedenkstättenarbeit. Das war Axel Klausmeier, Leiter der Gedenkstätte Berliner Mauer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.