Freitag, 19. April 2024

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Gedichte für Groß und Klein
Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her

Die Musikerfahrung sei das Wichtigste beim Gedichte-Schreiben, sagte der Lyriker Uwe-Michael Gutzschhahn im DLF. Gerade Kinder seien dafür empfänglich. Es sei toll, Gedichte in Schulen vorzutragen, fügte der Lyriker Arne Rautenberg hinzu. Damit bringe man "über die Fantasie auch ein wenig Anarchisches in den Schulalltag".

Moderation: Ute Wegmann | 20.05.2017
    Ein Heringsschwarm mit Makrelen.
    Ein Heringsschwarm mit Makrelen. (picture alliance / Hinrich Bäsemann)
    Um Lyrik - nicht nur für Kinder - geht es in dieser Sendung.
    Gerade im Schulsektor finde ich das toll, Gedichte vorzutragen, die über die Fantasie auch ein wenig ein anarchisches System in den Schulalltag bringen. Das ist ja das, was Kunst zu leisten im Stande ist, dass man übers Lachen ins Staunen gerät, dass man die Welt hinterher befragt, ob die Dinge wirklich so sind, wie sie scheinen. Ich glaube, darum geht es in jeder Kunst: Es ist eine Verführung zum Denken, dafür eignet sich die Poesie ganz besonders.
    Die Lyriker Arne Rautenberg und Uwe-Michael Gutzschhahn
    Wegmann:
    Ein ganz kleines Reh stand am ganz kleinen Baum,
    still und verklärt wie im Traum (Ringelnatz)
    Der Flügelflagel gaustert durchs Wiruwaruwolz (Morgenstern)
    Tür auf einer raus einer rein erster sein (Ernst Jandl)
    Sonette find ich sowas von beschissen,
    so eng, rigide, irgendwie nicht gut (Robert Gernhardt)
    Ringelnatz, Morgenstern, Jandl und Gernhardt - erste Zeilen bekannter Gedichte, die nicht ausdrücklich für Kinder geschrieben wurden, aber Kinder wie Erwachsene gleichermaßen beglücken.
    Ich begrüße Sie ganz herzlich zu einem Büchermarkt über Lyrik.
    Zwei Gäste habe ich eingeladen, beide sind - das behaupte ich jetzt - dem Gedicht verfallen. Ihre Arbeiten findet man vor allem in Büchern und Anthologien für junge Leser.
    Arne Rautenberg und Uwe-Michael Gutzschhahn, herzlich willkommen zu diesem lyrischen Büchermarkt.
    Hans-Joachim Gelberg, der ehemalige Leiter des Kinderbuchverlags Beltz & Gelberg hat immer wieder in "Der Bunte Hund", einem Kindermagazin, Gedichte platziert. Gesammelt hat er sie herausgebracht im Jahr 2000 unter dem Titel "Großer Ozean. Gedichte für alle".
    Rose Ausländer, Hans Arp, Böll und Brecht, Paul Celan, Grass neben Grosche und Hacks neben Härtling, Friederike Mayröcker und Christine Nöstlinger, Thomas Rosenlöcher und Shel Silverstein. Was für eine Vielfalt!
    Was ist Kinderlyrik? Will man einen solchen Begriff überhaupt etablieren? Wer sollte mir das besser beantworten können, als meine beiden Gäste, die jedoch zuerst vorstellen möchte. Müsste ich es zusammenfassen, würde ich sagen:
    Arne Rautenberg zeichnet sich aus durch seine oft grafisch dargestellte Poesie und er mag Tiere. Uwe-Michael Gutzschhahns Steckenpferd sind Nonsens-Gedichte. Wie möchten Sie das ergänzen?
    Rautenberg: "Die ganze Mission Poesie nach vorne zu bringen"
    Rautenberg: Ich bin ein Vollblutlyriker, und ich arbeite in drei unterschiedlichen Bereichen mit Lyrik. Zum einen schreibe ich Gedichte für Kinder, das ist mir eine sehr große Herzensangelegenheit. Und ich schreib reguläre Poesie für - in Klammern -Erwachsene. Und ich bewege mich im Grenzbereich zwischen Poesie und Kunst mittels visueller Poesie, Gedichte, die im Kunstraum auf Wänden angebracht werden. In diesen drei Bereichen bin ich unterwegs und versuche, so gut ich kann, die ganze Mission Poesie nach vorne zu bringen.
    "Die Musikerfahrung das Wichtigste beim Gedichte-Schreiben"
    Gutzschhahn: Ich versuche, Kindern die Möglichkeit zu geben, in Gedichte einzusteigen, in die Sprache einzusteigen, mit der Sprache zu spielen und das Natürlichste, das sie in sich haben an Spracherfahrung, nämlich einfach das Fantasiespiel Sprache zu benutzen als eine Musik.
    Das zu vermitteln, dass man das in einem Gedicht als Basis hat, und da bietet sich die Nonsenslyrik an, aber es gibt nicht nur Nonsenslyrik, und diese Erfahrung Kindern zu vermitteln, dass in jedem Gedicht das Spiel mit Sprache vorhanden ist, dass es um Bilder geht, um Melodie, das ist meine Lieblingsaufgabe.
    Wegmann: Was ist das Schönste am Dichten?
    Rautenberg: Ich finde, das ist die absolute Freiheit. Es gibt kein Regelwerk. Ich kann machen, was ich will. Ich kann mich total fallen lassen. Ich kann total fröhlich sein. Ich kann in meine dunklen Abgründe hinabpendeln. Und ich kann spielen. Ich kann sprachspielerisch einfach dahin gehen, wo die Idee mich hintragen will. Und das Schönste ist, dass ich mich selber von mir überraschen kann, und dass diese Texte über die Bücher in die Welt hinausgehen und ich dann wieder die Erfahrung von Leserinnen und Lesern zurückbekomme, und das mir wieder etwas gibt. Das ist ein ganz toller kreativer Kreislauf, dem ich mich in meinem Leben verschrieben habe.
    Gutzschhahn: Es ist auch das Erleben, dass einem manchmal überhaupt nichts einfällt. Und man verkrampft immer mehr, weil man ja unbedingt was schreiben will, davon leben wir ja, zumindest mit dem Kopf. Und plötzlich, wenn man gar nicht daran denkt, dann hat man eine Zeile im Ohr, und die lässt einen nicht mehr los. Und wenn man sie nachts hat, muss man noch mal aufstehen, um sie aufs Papier zu bringen. Wie daraus plötzlich etwas entsteht, was gar nicht rational nachvollziehbar ist, sondern von einem Unterbewusstsein getragen wird, - Zeilen ergeben sich. Man spricht die Anfangszeile vor sich hin. Man kommt auf die nächste Zeile, auf das nächste Wort, man geht weiter. Man hört den Anklang, der jetzt in die nächste Zeile herüberspielt.
    So ist für mich die Musikerfahrung das Wichtigste beim Gedichte-Schreiben. Du hast es gesagt, Arne, es ist dann das Schöne zu erleben, wie auch die Kinder das aufgreifen, wie sie darauf reagieren, was du empfunden hast. Oft sehe ich es spiegelbildlich, manchmal auch ganz anders. Es gibt ja nicht die eine alleinige Interpretation. Das Spiel damit, das Hören, das muss im Kopf des Kindes spielen, und Kinder sind dafür unglaublich empfänglich.
    Verführung zum Denken
    Rautenberg: Gerade im Schulsektor finde ich das toll Gedichte vorzutragen, die über die Fantasie auch ein wenig ein anarchisches System in den Schulalltag bringen. Das ist ja das, was Kunst zu leisten im Stande ist, dass man übers Lachen ins Staunen gerät, dass man die Welt hinterher befragt, ob die Dinge wirklich so sind, wie sie scheinen. Ich glaube, darum geht es in jeder Kunst: Es ist eine Verführung zum Denken, dafür eignet sich die Poesie ganz besonders.
    Wegmann: Kurz ein paar Worte zur Biografie: Arne Rautenberg, geboren 1967 in Kiel , wo er auch lebt. Studium der Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft. Er ist Lyriker, arbeitet aber auch als bildender Künstler. Schwerpunkt: Collagen. Sie nennen es visuelle Poesie, es sind großflächige Schriftinstallationen.
    Uwe-Michael Gutzschhahn, geboren 1952 in Langenberg bei Düsseldorf, lebt jetzt in München. Studium der Germanistik und Anglistik. Er war lange Jahre als Lektor bei einem Verlag, seit 2001 freiberuflich tätig als Übersetzer, Autor, Herausgeber, immer noch als Lektor und Literaturagent. Und er betreibt seit 2015 einen Blog, auf dem er monatlich eine Lyrikerin/einen Lyriker vorstellt.
    Hören wir doch mal hinein in Ihre Dichtkunst.
    Uwe-Michael Gutzschhahn:
    Ein Windhauch
    Ein Windhauch steigt empor vom See,
    er dreht nach Luv, er dreht nach Lee,
    er weht allein auf weiter Flur,
    ein Boot schwankt sanft im Wasser nur.
    Und als sonst weiter nichts geschieht
    und er den See so ruhen sieht
    (der Sonne gelbes Abendlicht
    wie Dotter fließt, mehr tut sich nicht),
    verwirft er, was er vorgehabt.
    Er denkt: Na gut, hat nicht geklappt,
    und legt mit einem letzten Dreh
    ans Ufer sich vom stillen See.
    Wegmann: und jetzt hören wir Arne Rautenberg.
    Libellenflug
    libellenflug
    zick schwirrt die libelle
    in der heißen luft
    zack schwirrt die libelle
    in den sommerduft
    blitz glänzt die libelle
    die der sonnenstrahl trifft
    blank glänzt die libelle
    wie ein irrer schwebestift
    der schreibt:
    sein zickzackblitzblanksein
    in den blauen himmel ein
    "Man hat einen Funkenschlag, der sich entzündet"
    Wegmann: Kann man sagen: Über die Natur lässt sich gut dichten? Was ist das, dass wir so gern Flora und Fauna thematisieren?
    Rautenberg: Erst mal sind Tiere – vor allem im Kindergedicht – gute Stellvertreter für Menschen. Stell ich immer fest. Es gibt immer Situationen, die so vielsagend sind. Oder mir fällt nachts ein: Wohin kriechen die ganzen Nacktschnecken? Zum FKK Strand, ist doch klar.
    Und so geht das los. Man hat einen Funkenschlag, der sich entzündet, oft an den Tieren. Tiere sind total süß, sie können eklig sein, sie machen irrationale Sachen, die wir verstehen möchten. Das menschliche Prinzip und das tierische Prinzip gegeneinander zusetzen, die ganzen Reibungspunkte - das birgt schöne Situationen und fantastische Ausgangspunkte, um sich daraus emporzudenken.
    Wegmann: Sie haben einen Windhauch gewählt, Herr Gutzschhahn.
    Gutzschhahn: Es gibt Bilder, die springen einen an. Ich hab das Gedicht an einem See geschrieben, an dem ich mehrere Tage verbracht habe. Der See war so still, wie man sich einen See nur vorstellen kann. Er lag einfach platt da. Ich hab stundenlang auf den See geguckt. Da nahm er menschliche Züge an. Das passiert immer. Alles das, was wir schreiben, nimmt in unserem Dialog menschliche Züge an. So entstand die Idee, dass jemand dahintersteht und sagt: Ich mache nichts, ich komme nicht weiter. Das ist die Komik, dass der See sagt: War wohl nichts.
    "Eine andere Vorstellung von der Welt"
    Wegmann: Ich möchte noch mal Hans Joachim Gelberg zitieren: "Poetik entsteht im Alleinsein: Erlebnis- Erinnerung – Erfahrung müssen in ein inneres Gleichgewicht kommen." Ist das so?
    Gutzschhahn: Ich bin nicht sicher, ob das mit dem Gleichgewicht stimmt. Ich glaube, das Meiste entsteht aus dem Ungleichgewicht, aus dem sich Sperren, aus den Verwerfungen und die Dinge dann wieder collagenhaft zusammenzusetzen. Auch Dinge, die in unserem Denken nicht zusammengehören. Da fängt ja eigentlich auch die neue Weltsicht an. In jedem Gedicht kann ich durch die Sprache Dinge zum Ausdruck bringen, die es in der Realität nicht gibt, aber indem wir sie im Gedicht in neuer Form benennen, haben wir plötzlich einen andere Vorstellung von der Welt.
    Rautenberg: Das Alleinsein finde ich einen schönen Gedanken von Hans-Joachim Gelberg. Ich bin meinen Lebensumständen geschuldet zum Nachtarbeiter geworden. Meistens ist es Mitternacht, dann ist es ganz ganz ruhig und dann bekomm ich erst den klaren Kopf zum Nachdenken und da bin ich in einem besonderen entgrenzten Zustand, wo ich es schaffe, mit meinem Bewusstsein eins zu werden und es rausfließen zu lassen. Es stockt natürlich auch mal, aber es gibt auch die fantastischen Momente: Es ist ein Text da und eigentlich weiß ich gar nicht, wie der zustande kam. Und danach bin ich wirklich süchtig.
    Wegmann: Auch Sie haben einmal gesagt: Sie wollen die kleinen Dinge groß machen. Einer der Großen, ein hervorragender Naturlyriker war Josef Guggenmoos, geboren 1922 im Allgäu, wo er 2003 verstarb. Er schuf 1000 Gedichte und etwa 100 Haikus.
    "Schaut man genau
    dann ist viel los
    dann ist das Kleine
    schön und groß.
    Dort kniet ein Mann und guckt ins Moos.
    Was sieht er da? Wie heißt er bloß?"
    Was für eine Liebe zu den kleinen Dingen, was für ein großartiger Humor. Ein Preis ist nun nach ihm benannt, zum ersten Mal vergeben wurde er 2016. Erhalten haben Sie ihn, Arne Rautenberg. Sehen Sie sich in seiner Tradition?
    Neue Wertschätzung fürs Kindergedicht
    Rautenberg: Auf jeden Fall. Erst mal bin ich froh, dass es den Preis gibt, damit geht eine neue Wertschätzung fürs Kindergedicht einher. Es ist noch nie ein Kinderlyriker oder eine Kinderlyrikerin gepreist worden und dadurch steht es auch in der Öffentlichkeit, das finde ich gut. Und ich steh auf jeden Fall in der guggenmoosschen Poetik, weil er ein sehr naturbewusster Mensch ist, der unglaublich genau hingucken konnte und die Kleinigkeiten sehen konnte und sie in seinen Gedichten für uns unter die Lupe gelegt hat, und wir geraten ins Staunen, und das ist ganz toll.
    Wegmann: Uwe- Michael Gutzschhahn, Sie sind Übersetzer – ich konnte die Titel gar nicht zählen, beim Seite herunterscrollen, dachte ich, das nimmt kein Ende. Haben Sie einen Überblick, wie viele Bücher - Romane und Bilderbücher - Sie übersetzt haben?
    Gutzschhahn: Irgendjemand hat mir vor einem halben Jahr gesagt, es sind etwa 130 Bücher, die ich im wesentlichen seit 2001 übersetzt habe. Das geht ja beim Übersetzen etwas schneller als beim Selberschreiben.
    Wegmann: Dazu gehören: Kevin Brooks, Michael Morpurgo, Emily Gravett, Louis Sachar und Peter Sìs, um nur ein paar wenige zu nennen. Eine der größten Herausforderungen war aber doch sicherlich "Zorgamazoo" von Paul Robert Weston. Ein Roman 300 Seiten, durchgehend gereimt. Das Buch gewann 2013 den DJLP.
    In der Jurybegründung heißt es:
    "In Kombination mit der auktorialen Erzählweise, der simulierten Mündlichkeit und dem marktschreierischen Duktus wirken die Kreuzreime und Daktylen überaus komisch."
    Das klingt nach richtig viel Arbeit.
    Gutzschhahn: 288 Seiten, ist ein gereimter Balladenroman. Ich habe eine Probeübersetzung gemacht, von 10 Seiten, dafür brauchte ich 10 Tage. Und dann passiert etwas sehr Komisches, das beschleunigt sich, weil man in einen Sog hinein gerät, in einen Rhythmus. Man sieht schon ein Reimwort, das passen könnte, baut sich die Zeilen zurecht. Man kann ja nicht alles wörtlich übersetzen, aber man muss nah am Text bleiben. Aber die Sprache läuft nun mal unterschiedlich.
    "Ich lass mich gehen und guck, was passiert"
    Wegmann: Spielen in der Konzeption eines Gedichtes die Metren oder die Reimschemata überhaupt eine Rolle? Sagt man sich: Heute schreib ich mal einen in Jamben und Paarreimen?
    Rautenberg: Nee, ich bin überhaupt nicht so. Ich fang einfach an und dann guck ich was passiert. Manchmal hat man eine erste Zeile, die hat so eine schöne Sprachmelodie, dass man in der Melodie weitersingen möchte. Oder ich arbeite ja auch in der allerkürzesten Form der Welt, dem Einwort-Gedicht. Das ist ein Titel, ein Wort, fertig: So – Schneeflocke. Zunge. Erledigt, ne! Ich lass mich einfach treiben. Das ist ja auch der Luxus. Ich bin in meinem normalen Leben sehr konventionell unterwegs, das muss ich nicht in der Kunstwelt haben. Da lass ich mich gehen und guck, was passiert.
    Wegmann: "Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her. Das dicke Buch vom Nonsens-Reim" mit Bildern von Sabine Wilharm. Herausgegeben von Ihnen, Uwe-Michael Gutzschhahn. Das ist eine Gedichtzeile von Frantz Wittkamp, dem König der Vierzeiler. "Von hier nach da, von da nach hier. Ein ewig ruheloses Tier. Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her."
    Was genau sind Nonsens-Gedichte? Wo beginnt der Unsinn?
    Gutzschhahn: Oft darin, das Dinge nicht zusammenpassen, dass sie keine Auflösung haben, dass sie sich der einen festen Bedeutung widersetzen, dass sie bedeutungslos daherkommen, was nicht heißt, dass sie nicht als Gedicht eine Bedeutung haben, aber sie haben nicht die landläufige Bedeutung. Und sie sind eine Spielform der Realität, in dem sie die Realität auf den Kopf stellen. Das berühmteste Gedicht, "Dunkel wars der Mond schien helle", das Gedicht ist auch immer weitergedichtet wurde.
    Wegmann: Wir haben hier eine Anthologie, etwa 60 Lyrikerinnen und Lyriker haben Sie hier versammelt: Neben den üblichen Verdächtigen, die ich zu Beginn genannt habe, findet man Schwitters, Pastior, Bernstein, Hohler, Spohn, Wittkamp, Valentin, Michael Roher und Jan Koneffke und auch und auch Hanna Johansen, Mascha Kaleko und Susan Kreller.
    Es gibt dennoch auffallend wenige Frauen. Schreiben Frauen weniger Unsinn?
    Gutzschhahn: "Der Spieltrieb der Männer ist etwas größer"
    Gutzschhahn: Das vielleicht auch, aber es ist generell leider so, dass Frauen weniger Kindergedichte schreiben. Warum das so ist, weiß ich nicht, vielleicht ist es so, dass der Spieltrieb der Männer, der Erfindertrieb etwas größer ist ...
    Wegmann: Das möchte ich ungern jetzt so stehen lassen. Dem würde ich gern noch mal auf die Spur gehen, wo die Frauen beim Nonsens-Gedicht bleiben. Dafür ist das Buch nonsensich illustriert von einer Frau, und zwar von Sabine Wilharm.
    Hören wir hier noch einmal ein Gedicht von Ihnen, Michael Gutzschhahn Glückszahl.
    Gutzschhahn:
    Glückszahl
    Dreimal fünf ist hundertsieben,
    so hab ich es hingeschrieben.
    Wie ich drauf gekommen bin,
    weiß ich nicht, vielleicht kommt’s hin.
    Und wenn nicht, ist’s auch egal,
    morgen rat ich noch einmal.
    Dann liegt vielleicht fünfmal drei
    irgendwo bei hundertzwei.
    Und wenn das nicht richtig ist,
    dann ist Rechnen eben Mist
    und ich lerne lieber das,
    was mir rundherum macht Spaß.
    Hundertsieben leuchtet ein,
    könnte meine Glückszahl sein,
    und wenn nicht, dann hundertvier!
    Keiner hat sie außer mir.
    Wegmann: "unterm bett liegt ein skelett. gruselgedichte für mutige kinder" von Arne Rautenberg, mit Bildern von Nadia Budde. Hier geht es um Monster, rosa Vampire, Gruselsuse, ein skatendes Skelett. Gruseliges eben, heiter gedichtet.
    Sie arbeiten mit Kleinschreibung, ohne Interpunktion, bis auf das Fragezeichen, das ist wichtig, das erlauben Sie sich. Warum machen sie das so?
    "Hexensuppe"
    Rautenberg: Ich mag das, wenn die Gedichte ästhetisch und schlank daherkommen, wenn sie nur in Kleinschreibung geschrieben sind. Und außerdem hab ich den Eindruck, dass groß geschriebene Worte wichtiger daherkommen als klein geschriebene, das möchte ich nicht. Ich gewichte alle Worte gleich, ich hab mir über alle Worte Gedanken gemacht, und ich möchte, dass man das sieht. Und was die Zeichen angeht, regelt das Gedicht das über Zeilen und Strophen überwiegend schon selbst .
    Wegmann: Hören wir doch jetzt die verschlankte Hexensuppe.
    Rautenberg:
    hexensuppe
    in einer blauen zaubernacht
    ne hexensuppe wird gemacht
    man braucht dazu:
    10 schnäbel von nem kakadu
    9 barthaare vom känguru
    8 pipitropfen von nem gnu
    7 sohlen von nem wanderschuh
    6 liter milch von einer kuh
    5 prisen salz aus katmandu
    4 buchseiten von winnie puuh
    3 löffelchen tiramisu
    2 lamalocken aus peru
    1atemstoß von manitu
    dann heißt es brav den löffel führen
    ewig weiter rühren rühren
    schau nur was das rühren bringt
    wie es blubbert wie es stinkt
    nimm ein tröpfchen hexensuppe
    dir auf deine fingerkuppe
    leck mal dran und du wirst merken
    es beginnt zu feuerwerken
    Wegmann: Arne Rautenbergs Hexensuppe. Kommen wir zu meiner eingangs gestellten Frage: Was ist eigentlich Kinderlyrik? Gelberg hat davon gesprochen, dass das Ich des Dichters zum Ich des Lesers spricht. Und das jedes Gedicht im Grunde wie eine Flaschenpost ist, und somit die Frage aufwirft, wen erreicht es.
    Gutzschhahn: Ich glaube tatsächlich, dass es Gedichte gibt, die durch ihre Bildstärke, ihren Rhythmus, ihre Melodie sich Kindern sehr schnell erschließen. Aber es gibt eine Art von Lyrik, gerade auch im deutschsprachigen Raum, die sich gegenüber Kindern sperrt, weil sie eine große Gedankenlyrik ist. Kinder müssen beim Lesen oder Hören Bilder sehen, Vorstellungen haben. Deshalb ist das mit den Tieren so gut.
    Rautenberg: Was aber immer geht, dass Kindergedichte bei Erwachsenen funktionieren.
    Wegmann: Gerade erschien bei der edition voss "Nulluhrnull". Was unterscheidet den Lyriker Arne Rautenberg in "Nulluhrnull" von dem Lyriker Arne Rautenberg in "montag ist mützenfalschrumtag"?
    Rautenberg: Das sind Gedichte, in die ich eine existenzielle Wucht hineingegeben habe, da bin ich nachts in meine Abgründe abgestiegen und habe geguckt: Was ist da eigentlich? Und was ich da zutage gefördert habe, ist nicht immer hell und freundlich und zum Lachen, vielleicht gibt es einen humoristischen Unterton, aber vor allem auch Gedichte von einer gewissen Härte. Das würde ich nicht 5-8 Klässlern zumuten wollen.
    Wegmann: Das war der Büchermarkt mit den beiden Lyrikern Arne Rautenberg und Uwe-Michael Gutzschhahn.
    Wir sprachen u.a. über:
    Großer Ozean. Gedichte für alle
    Herausgegeben von Hans-Joachim Gelberg, Verlag Beltz & Gelberg
    Arne Rautenberg: Nulluhrnull, edition voss
    Unterm bett liegt ein skelett, mit Bildern von Nadia Budde, Peter Hammer Verlag
    montag ist mützenfalschrumtag, mit Bilder von Jens Rassmus, Peter Hammer Verlag
    Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her. Das dicke Buch vom Nonsens-Reim, herausgegeben von Uwe-Michael Gutzschhahn mit Bildern von Sabine Wilharm, CBJ
    Robert Paul Weston: Zorgamazoo mit Bildern von Victor Rivas, nachgedichtet von Uwe-Michael Gutzschhahn, Verlagshaus Jacoby & Stuart
    Zitat aus: Josef Guggenmoos: Groß ist die Welt. Die schönsten Gedichte, mit Bildern von Sabine Friedrichson, Verlag Beltz & Gelberg