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Geduldete Minderheit

Syrisch-orthodoxe Christen sind in der Türkei nicht als Minderheit anerkannt. Seit Jahren fordern sie Bürgerrechte ein. Um den Klostergrund von Mor Gabriel; einem Kloster an der Grenze zu Syrien, ist nun ein Rechtsstreit entbrannt, der Anfang Januar gerichtlich in die nächste Runde geht.

Von Sabine Küper-Büsch | 27.12.2011
    Das Kloster Mor Gabriel liegt nahe der syrischen Grenze im Osten der Türkei. Schon im dritten Jahrhundert gründeten assyrische Mönche hier einen Ort des Gebetes. Die Assyrer sind ein uraltes Volk Kleinasiens. Sie gehörten zu den ersten Christen. Die Choräle werden auf Aramäisch gesungen. Eine alte semitische Sprache, die auch Jesus gesprochen hat.
    Doch in der Türkei sind die Assyrer als Minderheit nicht anerkannt. Ihre alte Kultur praktizieren sie versteckt in den Kirchen. Als Bischofssitz ist das Kloster ein Zentrum des syrisch-orthodoxen Glaubens. Doch seit Gründung der Republik Türkei 1923 werden die Mönche nur noch geduldet. Einen Rechtstatus haben sie nicht beklagt der Leiter der Stiftung des Klosters Mor Gabriel, Kuryakus Ergün.

    "Dieses Kloster ist neben dem Sitz des Patriarchen in Damaskus ein Zentrum syrisch-orthodoxen Glaubens. Als Kulturgut gehört es zum Weltkulturerbe. Wir haben Besucher aus der ganzen Welt. Für aramäische Christen gelten diese Region und das Kloster als zweites Jerusalem. Das Kloster ist momentan Angriffen ausgesetzt, die uns sehr ängstigen."
    Seit drei Jahren muss Kuryakus Ergün sich mit mehreren Gerichtsverfahren beschäftigen. Eine Klage kommt aus dem Nachbardorf Yayyantepe.

    Früher lebten hier syrisch-orthodoxe Christen. Doch die alte Kirche ist verfallen. Kurdische muslimische Bauern sind in das Dorf gezogen, weil ihre eignen Dörfer von der türkischen Armee niedergebrannt wurden. In den Neunziger Jahren versuchte das Militär so der kurdischen PKK die Versorgungsmöglichkeiten zu nehmen. Viele assyrische Christen zogen in den Westen, nach Istanbul oder nach Europa. Der türkische Staat führt jetzt neue Katasteramtsregistrierungen durch. Die Kurden des Dorfes Yayvantepe sind völlig verarmt. Keiner besitzt ein Grundbuch oder Land. Der kurdische Dorfvorsteler von Yayyantepe, Ismail Erkan, ist der Meinung, die Mönche benötigten nicht so viel Platz zum beten. Er beansprucht vor Gericht einen Teil des Klostergrundes.
    "Wir haben nichts gegen das Kloster. Aber der Staat hat mir als Bürgermeister ermöglicht vor Gericht zu gehen. Jetzt führen wir einen Prozess. Wir werden uns daran halten, was das Gericht entscheidet."

    50 Hektar Klosterboden möchten die Nachbardörfer. Auch die Forstbehörde klagt die Stiftung des Klosters Mor Abdin an. Die Klostermauer steht angeblich auf öffentlichem Waldboden. Das findet Stiftungsleiter Kuryakus Ergün absurd.

    "Diese Mauer umgibt das Kloster seit zwanzig Jahren. Mor Gabriel ist 1600 Jahre alt. Wir zahlen Steuern hier. Jetzt plötzlich sollen wir das Land besetzt haben, behaupten unsere Nachbarn. Und unsere Mauer, die steht dort bereits seit zwanzig Jahren.""

    Neben dem Streit um das Klosterland fordern die Assyrer in der Türkei eine Anerkennung als Minderheit. Bislang dürfen nur Armenier, Griechen und Juden ihre Kinder in eigenen Schulen unterrichten. Assyrische Kinder lernen das Aramäische heimlich in den Klosterschulen.

    Der Lehrer Ayhan Gürkan lehrt hier nur ehrenamtlich am Wochenende.

    "Um Aramäisch zu lernen müssen die Kinder in die Kirche kommen, wenn es in ihrer Umgebung eine gibt. Wir unterrichten hier in halber Illegalität, neben dem regulären Schulunterricht des türkischen Erziehungsministeriums, sonst würde diese Sprache aussterben."

    Im türkischen Schulunterricht lesen die Schüler der zehnten Klassen in den Schulbüchern, dass die syrisch-orthodoxen Christrn ebenso wie die Armenier im ersten Weltkrieg Landesverräter waren. Sie hätten mit dem Feind kollaboriert wird behauptet. Seit Jahen verspricht die Türkei die Lehrmaterialien von solch diskriminierenden Einschätzungen zu säubern. Bislang blieb es dabei. Die syrisch-orthodoxen Christen sind entschlossen bis vor den Europäschen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen, um in der Türkei fundamentale Bürgerrechte einzuklagen.