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Geduldig muss man sein und hartnäckig

Bisher war es so, dass von den Kosten, die ein Studium verursacht, ein Pauschalbetrag steuerlich geltend gemacht werden konnte. Ende des vergangenen Jahres hat der Bundesfinanzhof, das ist das höchste deutsche Steuergericht, ein neues Urteil gefällt. Und danach kann man viel mehr Studium von der Steuer absetzen als vorher.

    Ein Beitrag von Andrea Groß

    Sonja Kehrings ist Krankenschwester in Aachen. Abends und am Wochenende studiert sie Informatik an der Fernuniversität Hagen. Durch das Fernstudium kann Sonja Kehrings sich ihre Unterlagen zwar zuhause auf ihren PC runterladen. Sie muss dennoch regelmäßig zu einem Studienzentrum in ihrer Nähe oder zu Klausuren nach Hagen. Pro Semester kostet sie das etwa 1.300 Euro.

    Das sind einmal die Fahrtkosten, wöchentlich nach Leverkusen, das sind immerhin fast 100 Kilometer, dann die Fahrten zu den einzelnen Studientagen nach Hagen, das sind fast 150 Kilometer. Zusätzlich bekommt die Fernuniversität die Gebühren für die einzelnen Kurseinheiten, die belaufen sich in einem Teilzeitstudium auch noch auf 150 Euro.

    Bisher werteten die Finanzämter zusätzliche Ausbildungen oder Weiterbildungen von Berufstätigen als deren Privatvergnügen – und behandelten sie auch steuerlich so. Diese Auffassung ist jedoch nicht mehr zeitgemäß, sagt Heinz-Jürgen Petzer, Richter am Bundesfinanzhof in München.

    Die frühere Rechtsprechung war insofern restriktiv, weil Bildungsmaßnahmen, die nicht mit dem selben Beruf zusammenhängen, den man gerade ausübt, sondern die entweder eine höhere Stufe im gleichen Beruf darstellen oder aber einer Umschulung dienen, für etwas ganz anderes – diese Kosten wurden immer der privaten Lebensführung zugerechnet und da wurde ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit dem Beruf verneint. Wenn jetzt neben einer Berufstätigkeit noch weitere Bildungsmaßnahmen ergriffen werden, eben ein weiteres Studium oder eine Umschulungsmaßnahme – man macht etwas ganz anderes, weil man arbeitslos geworden ist – dann sind die Kosten vollständig abzugsfähig.

    Als Sonja Kehrings von dem neuen Urteil hörte, erzählte sie begeistert überall herum, dass sie künftig weniger Steuern zahlen müsste. Ein Gespräch mit ihrer Schwester, einer Angestellten im Aachener Finanzamt versetzte ihrer Euphorie allerdings einen herben Dämpfer. Die Schwester hatte von dem Urteil bisher noch gar nicht gehört. Das ist völlig normal, sagt Heinz-Jürgen Petzer. Die Finanzämter erfahren von Rechtsänderungen erst aus dem Bundessteuerblatt. Darin bestätigt das Finanzministerium gewissermaßen die Urteile des Bundesfinanzhofes.

    Wenn das Entscheidungen sind, die der Finanzverwaltung nicht so sehr schmecken, dann kann das schon mal eine Weile dauern, bis das da erscheint. Das kann man auch durchaus kritisch sehen. Es kommt schon mal vor, dass die Finanzverwaltung sich da Zeit lässt, das zu veröffentlichen, aber manchmal geht das auch ganz schnell.

    Als schwer verdaulich könnte das Finanzministerium werten, dass auch Kosten für Auslandsaufenthalte oder Studiengebühren – beispielsweise an Privathochschulen - durchaus steuerlich abzugsfähig sind. Wer allerdings den letzten Spanienurlaub absetzen will, wird mit Sicherheit auf Schwierigkeiten stoßen. In Zweifelsfällen, so Heinz-Jürgen Petzer, werden die Finanzämter gute Argumente haben wollen.

    In diesen Bereichen, wo sich die persönliche Lebensführung und der berufliche Bereich berühren, ist es ganz wichtig, den Sachverhalt sehr präzise aufzubereiten, und präzise darzulegen, wo genau jetzt die berufliche Veranlassung liegt.

    Trotz deutlicher beruflicher Veranlassung gilt das neue Urteil des Bundesfinanzhofes nicht für die erste Berufsausbildung. Für diejenigen, die direkt nach dem Abschluss der Schule ein Studium oder eine Ausbildung anfangen gilt weiterhin: nur ein Pauschalbetrag ist steuerlich abzugsfähig.

    Jeder Mensch braucht ja irgendeine Berufsausbildung. Aber solange man nicht arbeitet, sondern sich nur warmläuft für den Beruf, gehört das noch zur Lebensführung.

    Jens Rothberger ist Marketingkaufmann bei einer Bekleidungsfirma in Köln. Seit 1990 studiert er Wirtschaftswissenschaft. Zwischendurch hat er sein Studium ein paar Jahre ruhen lassen, weil sein Beruf ihn zu sehr beansprucht hat. Jetzt ist er allerdings so gut wie fertig und ärgert sich, dass das Urteil des Bundesfinanzhofs so spät kommt.

    Die Frage ist ganz einfach, wie das ist, mit den Jahren, die in der Vergangenheit liegen. In denen man sich mit dem Finanzamt Schriftwechsel geliefert hat und gesagt hat, wieso das nicht als Werbungskosten anerkannt wird, sondern als Sonderausgaben. Ob man nachträglich die entstandenen Kosten noch geltend machen kann.

    Das kommt nach Einschätzung des Bundesfinanzhofrichters Heinz-Jürgen Petzer darauf an, ob die Steuerbescheide rechtswirksam vorliegen und die Einspruchsfrist abgelaufen ist. Dann nämlich lässt sich im nachhinein nichts mehr machen.

    Also wenn er seine Steuererklärung noch nicht abgegeben hat, für die vergangenen Jahre, oder wenn er die Erklärung zwar abgegeben hat, aber noch kein bestandskräftiger Steuerbescheid da ist, dann kann das noch berücksichtigt werden. Es ist ja eine Änderung der Rechtsauffassung, die in allen offenen Fällen dann zugrundegelegt werden muss.

    Auf jeden Fall rät Petzer denjenigen, die neben dem Beruf noch studieren, mit der Steuererklärung für das Jahr 2002 noch zu warten und hin und wieder beim Steuerberater oder dem Sachbearbeiter beim Finanzamt nachzufragen, ob das Urteil zur vollständigen Steuerabzugsfähigkeit von berufsbegleitenden Weiterbildungen schon im Bundessteueranzeiger veröffentlicht ist.

    Links zum Thema:

    Alle Urteile können auch auf der Homepage des Bundesfinanzhofs nachgelesen werden