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Gefährdetes Weltkulturerbe?

Essen-Katernberg, ein Ort der Welt, der wenn überhaupt vor allem als Ort der Weltkulturerbestätte Zeche Zollverein dieser Welt irgend bekannt ist. 1932 wurde diese "Kathedrale der Arbeit" in Betrieb genommen, seit Mitte der 80er Jahre ist die Anlage unter Denkmalschutz, und seit 2001 trägt sie stolz die Plakette Weltkulturerbe. Letzte Woche kamen aber Stimmen auf, die warnten, dieser Ehrenstatus könne verloren gehen. Peinlicherweise wäre das der zweite Fall in NRW, dass ein Weltkulturerbe auf die Rote Liste der UNESCO käme, nach dem Kölner Dom. In Köln geht es um die Umfeld-Bebauung, die die Sicht auf den Dom verstellt.

Andreas Rossmann im Gespräch |
    Holger Noltze: Andreas Rossmann, Kulturkorrespondent der FAZ: Woran entzündet sich die Kritik bei Zollverein?

    Andreas Rossmann: Auf Zollverein geht es tatsächlich um die Bausubstanz selbst, wobei man dazu sagen muss, das ist ja ein riesiger Industriekomplex. Es sind vor allem die Zeche, 1932 in Betrieb genommen, und die Kokerei, die in den 50er Jahren daran angesetzt wurde. Es gab schon mehrere Warnzeichen für diese Entwicklung, weil auch in das Salzlager der Kokerei schon Einschnitte in die Wände gemacht wurden, die dem Denkmalschutz, beziehungsweise ICOMOS sehr skeptisch vorkamen. Das ist der internationale Rat für Denkmalschutz, der sozusagen die Aufpasserfunktion inne hat. Jetzt geht es ganz akut und vor allem um den Umbau - sage ich mal ganz vorsichtig - der Kohlenwäsche auf der Zeche in ein neues Museum, in das Ruhrmuseum, das sozusagen zugleich das Entree und das Hauptmuseum des Ruhrgebiets werden soll, auch ein touristischer Ort, wo zugleich der Knotenpunkt dieser bekannten und auch schon ausgewiesenen Route für Industriekultur etabliert wird.

    Noltze: Was könnte da passieren? Welche Art Umbau, Umgestaltung ist derart, dass man sich Sorgen machen muss um den Denkmalsgehalt?

    Rossmann: Man muss sich dieses Gebäude als eine riesige Maschine vorstellen. Diese Gebäudemaschine ist 40 Meter hoch, 90 Meter lang und 30 Meter breit und auf verschiedenen Stockwerken werden hier erstens ein Teil der Maschinen, einige bleiben auch als Skulpturen wie es heißt stehen, einige werden herausgenommen. Zum Zweiten wird es eine Gangway, eine gläserne Rolltreppe geben, die überhaupt erst einen Zugang in dieses Gebäude, in dieses Museum schafft...

    Noltze: Da, wo früher die Kohle lang fuhr?

    Rossmann: Nein, das sind nicht die Bandbrücken, auf denen die Kohle herantransportiert, beziehungsweise gereinigt abtransportiert wurde, sondern es ist eine Art Rüssel, der dem Gebäude angesetzt wird und der den Besucher von der Nullebene auf 24 Meter Höhe in ein Museumsentree transportiert und von dort aus wird er dann auf einen Museumsgang durch das Gebäude nach unten geführt und die Geschichte des Ruhrgebietes sozusagen in verschiedenen Etappen ablaufen können.

    Noltze: Herr Rossmann, Sie haben schon gesagt, dass es eine riesige Anlage ist. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Konflikt zwischen den verschiedenen Interessen des Denkmalschutzes auf der einen Seite und einer neuen Nutzung doch völlig unausweichlich ist. Man kann doch so eine Riesenanlage nicht komplett in der Substanz so erhalten, dass man sagen kann: "Das ist ein Museum, das steht so da, wie es 1932 oder in den 50er Jahren da stand."

    Rossmann: Das ist in der Tat so. Es geht also gar nicht darum, eine Käseglocke über das ganze Gelände zu setzen und alles zu erhalten, wie es war, sondern es geht um Abwägungen und es gibt auf diesem Gelände ja schon andere Umbauten, vor allem den Umbau des Kesselhauses vor sieben oder acht Jahren durch Norman Foster in ein Designzentrum NRW. Da wurde ein sehr sinnvoller Kompromiss zwischen Museumsnutzung und Denkmalpflege erreicht. Jetzt ist es aber so, dass sowohl der Charakter dieses Gebäudes im Innen, als auch durch diese Gangway von außen so beeinträchtigt wird, dass man das Funktionieren dieser Maschine, das ja auch ein Geschichtsdokument selbst ist, dass man das gar nicht mehr so erhält, dass dieses Lesen möglich ist.

    Noltze: Wie geht die Geschichte jetzt weiter? Wie akut gefährdet ist der Weltkulturerbestatus von Zeche Zollverein?

    Rossmann: Das ist eine interessante Sache, weil das ganze Prozedere bis hier eigentlich offiziell von der Denkmalpflege, nämlich dem Rheinischen Amt für Denkmalpflege hier in Brauweiler bei Köln, abgesegnet und Einvernehmen hergestellt wurde, dass das möglich ist. Nur muss man dazu sagen, dass der oberste Dienstherr dieser Denkmalbehörde identisch ist mit dem Haupteigner der Entwicklungsgesellschaft Zollverein und das ist in beiden Fällen der Kultur- und Städtebauminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Man kann sich also vorstellen, dass dieses Amt für Denkmalpflege in dieser Sache nicht sehr kritisch verfahren ist. Die Frage ist jetzt, ob ICOMOS das Gutachten, das es dazu in Auftrag gegeben hat, auch wirklich weiterleitet an die UNESCO und sagt: "Hier ist Weltkulturerbe in Gefahr." Und dann die UNESCO in ihrer nächsten Versammlung entscheidet, dass Zollverein ganz von der Liste gestrichen wird.

    Noltze: Andreas Rossmann über die Gefährdungslage für den Weltkulturerbestatus der Zeche Zollverein.