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Gefährliche Geruchsstörung

Bienen haben einen ausgeprägten Geruchssinn - er dient ihnen zur Nahrungssuche, zur Orientierung, zur Kommunikation. Deshalb wird ihnen eine Gruppe von Pflanzenschutzwirkstoffen besonders gefährlich: Sogenannte Neonikotinoide stören die Fähigkeit von Bienen, Gerüche zu lernen und zu unterscheiden.

Von Joachim Budde | 02.10.2013
    Pflanzenschutzmittel aus der Gruppe der Neonikotinoide gelangen in kleinen Mengen auch in den Nektar und den Pollen von Pflanzen, die damit behandelt wurden. Mehrere Studien haben gezeigt, dass auch solch kleine Mengen Honigbienen beeinträchtigen. Dabei ist es gar nicht so einfach, Bienen mit Neonikotinoiden töten, sagt Dr. Sally Williamson von der Universität im englischen Newcastle:

    "Natürlich sterben Bienen bei sehr hohen Dosen, etwa wenn bei einem Unfall die Gifte in hoher Konzentration in die Umwelt gelangen. Um eine Biene mit einer für Nektar relevanten Konzentration zu töten, muss man sie schon eine Woche lang mit nichts anderem füttern, ehe eine bedeutende Menge Bienen daran stirbt."

    Jetzt haben Williamson und ihre Kollegen herausgefunden, dass vier gängige Neonikotinoide - nämlich Imidacloprid, Clothianidin, Dinotefuran und Thiametoxam - auch das Lernvermögen von Bienen beeinträchtigen, wenngleich in unterschiedlichem Maße.

    Dafür haben sie am Flugloch von Bienenstöcken heimkehrende Sammelbienen eingefangen, in einen kleinen Käfig gesperrt und sie mit Zuckersirup gefüttert, der jeweils eins der vier Pestizide enthielt.

    "Es gibt mehrere Studien über die Konzentration dieser Substanzen. Wir haben dem Zuckersirup die Pflanzengifte in solchen Konzentrationen zugegeben, wie sie die Hersteller selbst in Nektar und Pollen gemessen haben."

    Dann haben sie die Bienen einen Tag lang hungern lassen, um sicherzustellen, dass sie motiviert waren zu lernen. Sie präsentierten jeder Biene zwei verschiedene Düfte: Nach dem einen Duft gaben die Forscher den Bienen Zuckerwasser, nach dem anderen erhielten die Insekten eine bittere Flüssigkeit.

    Normalerweise haben etwa 80 Prozent der Bienen schon nach sechs Durchgängen verstanden, dass sie beim einen Duft ihre Zunge herausstrecken müssen, um die Zuckerlösung aufzuschlecken, und es beim anderen bleiben lassen sollten. Bienen, die zuvor Neonikotinoide gefressen hatten, schnitten schlechter ab, sagt die Neurobiologin:

    "Unter Imidacloprid, Clothianidin und Dinotefuran fiel es den Bienen etwas schwerer, eine positive Assoziation herzustellen zwischen dem ersten Duft und der Zuckerbelohnung. Keines der Mittel aber beeinträchtigte die Fähigkeit der Bienen, zu lernen, welchem Geruch der bittere Stoff folgte. Und alle Bienen konnten sich das Gelernte über längere Zeit merken."

    Zu einem ganz anderen Ergebnis kamen Williamson und ihre Kollegen beim vierten Neonikotinoid: Thiametoxam.

    "Bei den Thiametoxam-Bienen haben wir festgestellt: Sie haben überhaupt nichts gelernt. Sie waren nicht in der Lage, die Gerüche zu unterscheiden. Beim Test strecken sie ihre Zunge sowohl beim Zuckerwasserduft als auch beim Quinin-Geruch heraus. Auch beim Gedächtnistest reagierten sie auf beide Gerüche gleich."

    Die Neonikotinoide greifen Rezeptoren von Nervenzellen an, die in zwei Regionen im Bienenhirn besonders häufig sind.

    "Das ist zum einen in Regionen, die mit den Antennen verbunden sind und mit dem Geruchssinn zu tun haben, und dann mit dem Pilzkörper, wo die Biene Assoziationen knüpft und Informationen speichert. Entweder die Thiametoxam-Bienen verlieren die Fähigkeit, die Unterschiede zwischen den Gerüchen wahrzunehmen, oder sie vergessen, was diese Unterschiede bedeuten."

    So oder so verlieren die Bienen beim Kontakt mit Thiametoxam eine wichtige Fähigkeit:

    "Sammelbienen lernen, eine Abneigung gegen giftigen Nektar zu entwickeln, den manche Pflanzen bilden. Das Problem verstärkt sich, wenn diese Bienen nicht nur selbst solchen Nektar sammeln, sondern im Stock weitere Bienen zu dieser vermeintlichen Futterquelle rufen, denn die Sammelbienen teilen ihre Erfahrungen im Nest. Das könnte die Nahrungssuche und die Gesundheit des ganzen Volkes beeinträchtigen."