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Gefährliche Keime

Das Problem ist lange bekannt: In Deutschland bekommen mindestens 500.000 Krankenhauspatienten im Jahr eine Infektion, die sie sich erst in der Klinik zuziehen. Bei den dadurch verursachten Todesfällen gehen die Angaben auseinander: Fachleute nennen Zahlen zwischen 7500 und 40.000 Todesfällen pro Jahr durch Krankenhausinfektionen.

Von Matthias Günther | 27.04.2010
    Offenbar nimmt die Gefahr in deutschen Kliniken aber zu. Die Techniker Krankenkasse in Schleswig-Holstein hat deshalb jetzt Alarm geschlagen. Johann Brunkhorst, der Leiter der Landesvertretung der Krankenkasse:

    "Bei einer bestimmten Erkrankung, bei den sogenannten MRSA-Keimen, den multiresistenten Keimen, die besonders gefährlich sind, da haben wir einen Anstieg von 2006 auf 2009 von 191 Fällen auf 557 Fälle, die registriert worden sind, die wir erkannt haben. Und das ist ein Anstieg um 192 Prozent in dieser besonderen Erkrankungsgruppe."

    Damit liegt Schleswig-Holstein noch nicht einmal an der Spitze. Nach einer Statistikauswertung der Techniker Krankenkasse ist die Zahl der Erkrankungen durch diesen besonders gefährlichen Keim, der gegen Antibiotika resistent geworden ist, in einigen Bundesländern innerhalb von drei Jahren um mehr als 200 Prozent angestiegen, in anderen Bundesländern immerhin um fast 100 Prozent. Eine Ursache dafür sieht Johann Brunkhorst in mangelnder Hygiene in den Krankenhäusern:

    "Wir wollen nicht sagen, dass Krankenhäuser generell schlecht sind, aber ich denke, man sollte mehr tun."

    Bernd Krämer, der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein, kann die genannten Zahlen nicht bestätigen. Aber auch er geht davon aus, dass in den Krankenhäusern die Infektionsrate gerade bei den multiresistenten Bakterienstämmen zunimmt. Er verweist aber auf eine andere Ursache als mangelnde Hygiene in den Kliniken:

    "Viele Patienten sind bereits bei Aufnahme in die Kliniken infiziert. Sie merken es nicht. Sie sind dadurch nicht beeinträchtigt. Wenn jedoch der Körper durch eine Operation beispielsweise geschwächt wird, treten diese Keime zutage, breiten sie sich aus. Es ist also mithin häufig so, dass die Infektion mit ins Krankenhaus gebracht wird, aber nicht unbedingt eine Querinfektion durch einen anderen Patienten stattfindet."

    Nach Schätzungen sind in deutschen Krankenhäusern auftretende Keime zu etwa einem Viertel antibiotikaresistent, in den Niederlanden aber nur zu höchstens drei Prozent. Dort werden Patienten bei einer Aufnahme in die Klinik auf die resistenten Keime getestet. Wenn der Test positiv ist, werden die Patienten isoliert, und auch nach einer Entlassung noch ein Jahr lang betreut. Im Münsterland gibt es bereits einen entsprechenden Modellversuch. Für Bernd Krämer von der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein ist das der richtige Weg:

    "Nach meinem Empfinden würden wir einen großen Fortschritt erreichen, wenn wir jeden Patienten so wie auch in den Niederlanden einem Eingangstest unterzögen, was ja auch in vielen Kliniken bereits getan wird. Maßnahmen weiter gehender Art sind aus meiner Sicht darüber hinaus die Kommunikation zwischen den einzelnen Sektoren, also zwischen den Kliniken, zwischen dem niedergelassenen Arzt, den Gesundheitseinrichtungen, dem Rettungsdienst, zu verbessern."

    So könnten die Kliniken wichtige Hinweise bekommen, ob sie es mit einem Risiko-Patienten zu tun haben. In Schleswig-Holstein hat es dazu schon einen Modellversuch gegeben, dessen Ergebnisse jetzt ausgewertet werden.

    Auch die Techniker Krankenkasse, die auf den rasanten Anstieg der Infektionsrate bei den multiresistenten Bakterien hingewiesen hatte, bezeichnet den Modellversuch im Münsterland, der sich an dem niederländischen vorgehen orientiert, als vorbildlich. Die Kasse bleibt aber dabei, dass auch mehr Hygiene in den Krankenhäusern nützlich wäre und kritisiert, dass sich an der bundesweiten Aktion "Saubere Hände" nur 17 von etwa 100 Kliniken in Schleswig-Holstein beteiligt hätten.